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Bandwurmmittel auf Abwegen

Phase-II-Studie mit Niclosamid bei Covid-19 geplant

Ein möglicher Ansatz gegen Covid-19 ist es, die Vermehrung des Coronavirus zu hemmen, indem der Recycling-Mechanismus der menschlichen Zellen angekurbelt wird. Ob das funktioniert, wird nun in einer klinischen Studie mit dem Bandwurmmittel Niclosamid überprüft.
Daniela Hüttemann
23.06.2021  16:30 Uhr

Niclosamid kurbelt körpereigene Müllabfuhr an

Als Wirkmechanismus für Niclosamid gegen SARS-CoV-2 wird postuliert, dass sich das Wurmmittel positiv auf die Autophagie, den Recycling-Mechanismus der Wirtszellen, auswirkt. »Viren sind für ihre Vermehrung von der Maschinerie der Wirtszelle abhängig und nutzen deren molekulare Bausteine«, heißt es in der Pressemitteilung der Charité. »Um vom Immunsystem nicht entdeckt zu werden, müssen sie gleichzeitig dafür sorgen, dass sie den zellulären Überwachungssensoren entgehen. Dazu manipulieren sie verschiedene Prozesse innerhalb der gekaperten Zelle.« Jedes Virus verfolge dabei eine unterschiedliche Strategie.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass SARS-CoV-2 die Autophagie drosselt. »Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass SARS-CoV-2 zwar die Bausteine der Zellen für seine eigenen Zwecke nutzt, ihnen gleichzeitig aber auch Nahrungsreichtum vortäuscht und damit das zelluläre Recycling bremst«, erklärt Gassen. »Vermutlich entgeht SARS-CoV-2 so seinem eigenen Abbau, denn auch Viren werden von der Zelle per Autophagie entsorgt«, ergänzt Müller. »Dieselbe Umprogrammierungs-Strategie verfolgt auch das MERS-Coronavirus, für das wir die Hemmung der Autophagie bereits vor mehr als einem Jahr zeigen konnten.« Es gebe jedoch auch Coronaviren, die im Gegenteil die Autophagie anregen; dies seien insbesondere solche, die Tiere befallen.

Im ersten Schritt analysierten die Forschenden den Stoffwechsel und die Verarbeitung molekularer Signale in SARS-CoV-2-infizierten Zellen und Lungengewebe von Covid-19-Patienten. Dann untersuchten sie an SARS-CoV-2-infizierten Zellen die Wirkung von Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie die Autophagie ankurbeln. Dabei erzielten sie vier Treffer: Neben Niclosamid wirkten auch die beiden körpereigenen Stoffe Spermin und Spermidin sowie der experimentelle Krebs-Wirkstoff MK-2206 replikationshemmend.

Keine Behandlungsversuche in Eigenregie

Spermin und Spermidin konnten die Virusproduktion um 90 beziehungsweise 85 Prozent drosseln. »Diese deutlichen Effekte von Spermidin und vor allem Spermin sind einerseits natürlich ermutigend, weil bei körpereigenen Stoffen erst einmal weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind«, sagt Müller. »Allerdings haben wir mit Reinsubstanzen gearbeitet, die in dieser Form nicht für eine medikamentöse Einnahme geeignet sind.« Insbesondere Spermidin sei in der Zellkultur erst bei einer recht hohen Konzentration nennenswert wirksam.

»Bevor man die Polyamine für eine Behandlung von Covid-19 in Betracht ziehen kann, sind deshalb noch viele Fragen zu klären«, betont Müller. »Erreicht man im Organismus überhaupt eine Konzentration im Blut, die für eine Hemmung der Virusvermehrung in den Atemwegen ausreicht? Und wenn ja: Wäre eine Gabe vor oder während der Infektion sinnvoll? Gibt es Nebenwirkungen?«

»Unsere Erkenntnisse aus der Zellkultur sind aber ein guter Ausgangspunkt für Studien am Tiermodell«, meint der Forschungsleiter. Von einer Selbsteinnahme rät er deutlich ab – auch weil Viren Polyamine für ihre Vermehrung nutzen und es daher auf die richtige Dosierung ankommt. »Dasselbe gilt für das Fasten, das die Autophagie im Körper anregen kann: Es ist nicht klar, ob Covid-19-Patienten vom Fasten profitieren würden, da der Körper ja während einer Infektion viel Energie für die Immunreaktion braucht.«

Die vierte Substanz, MK-2206, ist ein Inhibitor der Proteinkinase AKT, der derzeit zur Behandlung verschiedener Krebsarten erprobt wird. »In der aktuellen Arbeit reduzierte MK-2206 die Produktion von infektiösen SARS-Coronaviren-2 um rund 90 Prozent, und zwar in Konzentrationen, die in einer früheren Studie im Blutplasma der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits erreicht wurde«, heißt es seitens der Charité. »Auf Basis unserer Daten halte ich MK-2206 für einen interessanten Wirkstoffkandidaten gegen Covid-19, der nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Analyse auch klinische Studien rechtfertigen würde«, so Virologe Müller.

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