Paxlovid-Abgabe in Arztpraxen startet |
Benjamin Rohrer |
18.08.2022 14:00 Uhr |
Jetzt auch aus Ärztehand: Ab dem morgigen Freitag dürfen Ärzte Paxlovid direkt an Covid-19-Risikopatienten abgeben – ohne Apothekenbeteiligung. / Foto: IMAGO/ZUMA Wire
Im Februar dieses Jahres hatte die Bundesregierung eine Million Dosen des antiviral wirksamen Covid-19-Medikaments Paxlovid™ (Nirmatrelvir/Ritonavir) beschafft. Laut Ministerium wurden bislang rund 460.000 Therapieeinheiten an den Großhandel ausgeliefert – über die genauen Verordnungszahlen gibt es zwar keine genauen Angaben. Vieles deutet aber darauf hin, dass das Arzneimittel bislang recht zurückhaltend verordnet wurde – denn der Großhandel hat laut PZ-Recherchen bislang nur rund 43.000 Therapieeinheiten an die Apotheken ausgeliefert. Und da die Apotheken Paxlovid bis vor wenigen Wochen nicht lagern durften, dürfte die tatsächliche Verordnungszahl bei rund 40.000 liegen.
Das von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) geleitete Ministerium hat nun aber mehrere Maßnahmen ergriffen, um Paxlovid häufiger und schneller für Risikopatienten bereitzustellen. Am heutigen Donnerstag ist eine Novellierung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung im Bundesanzeiger erschienen, die morgen in Kraft tritt und es erstmals Ärzten ermöglicht, das Medikament direkt in der Praxis an die Patienten abzugeben. Daneben sollen auch Pflegeeinrichtungen künftig das Medikament bevorraten und vor Ort abgeben dürfen. Für jede abgegebene Packung sollen die Mediziner 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erhalten.
Die Vergütung der Apotheken soll dementsprechend angepasst werden. Demnach erhalten die Apotheken für den Aufwand, der ihnen im Zusammenhang mit der Abgabe dieser Medikamente entsteht, nicht mehr 30 Euro, sondern eine Vergütung in Höhe von 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer je abgegebener Packung. Für eine Belieferung sollen sie zusätzlich weiterhin pro Botendienst 8 Euro plus Umsatzsteuer abrechnen dürfen.
Die ABDA hatte diese Regelung in einer Stellungnahme zur Verordnung stark kritisiert. Die Standesvertretung der Apotheker sieht keinen Grund für die direkte Arzneimittelabgabe durch Ärzte. Stattdessen fordert die Bundesvereinigung, dass Apotheken selbst das Medikament ohne Verordnung abgeben dürfen.
»Es gibt keinerlei Anlass, den bewährten Weg des Arzneimittels über die Apotheke zu verlassen,« betonte die ABDA in einem Statement gegenüber der PZ. »Die Patientinnen und Patienten, die sich sehr häufig zu Hause befinden, können über die Botendienste der Apotheken versorgt werden«, so eine Sprecherin. Die Verordnungs- und Versorgungskette funktioniere im Verordnungsfall (auch telefonisch) bis zur Lieferung per Apothekenboten an den Patienten zu Hause »schnell und ohne jegliche Probleme«. Zudem verweist die ABDA auf die USA, wo es Apothekern seit Kurzem erlaubt ist, Paxlovid direkt ohne ärztliche Verordnung an die Patienten abzugeben.
Auch der Bremer Pharmakologe Professor Bernd Mühlbauer hatte sich entsprechend gegenüber der PZ geäußert und gesagt, er halte die Neureglung für eine »Katastrophe«. »Die Abgabe von Paxlovid aus Arztpraxen halte ich persönlich für den Sündenfall schlechthin.« Wenn Ärzte ein bestimmtes Arzneimittel gegen Honorar abgeben dürften, sei das »eine Katastrophe für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient«, so der Mediziner, der auch dem Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) angehört.
Schon vor der Novellierung der Verordnung hatte sich die PZ-Redaktion in einem Podcast ausführlich mit Paxlovid, seinen pharmazeutischen Eigenschaften und einem möglichen Dispensierrecht beschäftigt. Hier kommen Sie direkt zur Podcast-Folge.
Hier finden Sie alle Folgen des PZ-Podcasts PZ Nachgefragt.
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