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Maßgeschneiderte Wirkstoffe gegen Covid-19

Nur noch eine Frage der Zeit

Im Kampf gegen Covid-19 konnte die Impfstoffforschung kürzlich einen Durchbruch melden. Aber auch maßgeschneiderte Wirkstoffe sind keine ferne Zukunftsmusik mehr, informierte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz beim gestrigen Webcast von Pharma4u und PZ. 
Kerstin A. Gräfe
12.11.2020  15:52 Uhr

»Für medizinischen Erfolg braucht es die vier Gs«, zitierte Schubert-Szilavecz den Nobelpreisträger Paul Ehrlich: Geist, Geduld, Glück und Geld. An Geist fehle es derzeit sicherlich nicht, so der pharmazeutische Chemiker mit Blick auf die zahlreichen ambitionierten Forschungsvorhaben, die nach einem aussichtsreichen Wirkstoff gegen Covid-19 suchen. Es gebe viele hochqualifizierte und kompetente Wissenschaftler in diesem Bereich. Geduld sei etwas, das man nicht wirklich verkürzen könne, und Glück brauche es immer: »Um einen lucky punch zu landen – eine wirksame unbedenkliche und in der pharmazeutischen Qualität ansprechende Substanz zu entwickeln –, braucht es auch immer ein wenig Glück.« Auch an Geld mangele es derzeit nicht, da jeder daran interessiert sei, dass die Wirkstoffentwicklung vorangetrieben werde. Das geschehe akademisch, aber auch in der Industrie.

Aber Wirkstoffentwicklung brauche nun mal Zeit. Schubert-Zsilavecz erinnerte daran, dass die Einführung eines neuen Arzneimittels normalerweise etwa zehn Jahre dauert, Kostenpunkt 300 Millionen Euro bis zu einer Milliarde. »Man kann sich also vorstellen, was es bedeutet, sich hier auf den Weg zu machen, um eine antivirale Substanz zu entwickeln, von der man zudem nicht weiß, ob sie am Ende noch gebraucht wird«, so der Referent.

Warum dauert die Wirkstoffentwicklung so lange? Dafür gebe es drei Gründe. Der Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und nicht zuletzt der pharmazeutischen Qualität muss erbracht werden. »Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die europäische Zulassungsbehörde EMA alles tun wird, um Arzneimittel erst dann zuzulassen, wenn sie wirklich sicher und wirksam sind«, sagte Schubert-Zsilavecz. Aus seiner Sicht sei diesbezüglich in den USA – nicht zuletzt unter politischem Druck – viel Porzellan zerschlagen worden. Ihm zufolge war die Zulassung von Chloroquin und Hydroxychloroquin durch die US-Behörde FDA, die letztlich auch zurückgezogen wurde, wissenschaftlich nicht gerechtfertigt.

Zwei SARS-CoV-2-Schlüsselenzyme als Targets

Vor diesem Hintergrund sei es fast verwunderlich, dass zumindest einzelne Arzneistoffe für die Behandlung von Covid-19 in recht kurzer Zeit zugelassen wurden. Inzwischen wisse man, dass es mehrere Ansätze gebe, die potenzielle Targets für antivirale Substanzen darstellen. Zwei Schlüsselenzyme spielten hier intrazellulär eine wichtige Rolle, eines davon ist die RNA-abhängige RNA-Polymerase. »Der erste Ansatz, der auf die Hemmung der RNA-Polymerase abzielt, war Remdesivir«, informierte Schubert-Zsilavecz. Das Virustatikum sei inzwischen von der EMA unter bestimmten Bedingungen zugelassen worden. Hier sei nach kritischer Abwägung gesagt worden, dass »die Substanz zwar nicht das Gelbe vom Ei ist«, aber angesichts der Tatsache, dass es derzeit nichts Besseres gebe, es besser sei, diese Substanz dort einzusetzen, wo eine Evidenz vorliegt. Dies ist der Fall bei schwer an Covid-19 Erkrankten, die beatmet werden müssen. Hier könne Veklury® bei einzelnen Patienten die Krankheitsdauer verkürzen. Keinen positiven Effekt habe das Virustatikum allerdings auf die Mortalität.

Neben Remdesivir sei eine weitere antivirale Substanz bei Covid-19 zugelassen worden: Das ursprünglich als Grippemittel eingesetzte Favipiravir sei in Russland auf die Schnelle zugelassen worden. »Die bisher verfügbaren Daten zeigen, dass die Wirkung eher lausig ist«, kommentierte Schubert-Zsilavecz. Ob der Wirkstoff bei der EMA die Hürde der Zulassung geschafft hätte, stellte er infrage.

Zurück zur Wirkstoffentwicklung: Inzwischen sei die räumliche Struktur der Corona-Polymerase entschlüsselt worden: »Wir können den Steckbrief unseres Feindes an die Wand pinnen.« Auf dieser Basis würden nun mit Nachdruck in chemischen Laboren antivirale Substanzen entwickelt, die die RNA-Polymerase viel effektiver als Remdesivir hemmten. Schubert-Zsilavecz zeigte sich überzeugt, dass spätestens im Frühjahr erste Kandidaten in der klinischen Prüfung sein werden.

In ähnlicher Weise stelle sich die Situation für ein zweites Schlüsselenzym der Virusvermehrung von SARS-CoV-2 dar: die Protease. Schubert-Zsilavecz erinnerte daran, dass es auch hier Überlegungen gegeben habe, mit Protease-Inhibitoren, die bereits in anderen Indikationen eingesetzt werden wie Ritinavor/Lopinavir bei HIV, Therapieversuche zu starten. Rückblickend könne man sagen: »Genutzt hat es nichts«. Man brauche maßgeschneiderte Therapien, resümierte der Referent.

Erste maßgeschneiderte Kandidaten im Frühjahr

Er zeigte sich zuversichtlich, dass in nicht allzu ferner Zukunft erste aussichtsreiche Kandidaten zur Verfügung stehen werden. Zum einen sei die Kristallstruktur der Hauptprotease des neuen Coronavirus aufgeklärt, zum anderen konnte anhand dieser Erkenntnisse eine erste Leitsubstanz im Tiermodell in einen potenten Hemmstoff des neuen Coronavirus umgewandelt werden. Auch hier werde mit Hochdruck daran gearbeitet, potenzielle Kandidaten aus der Präklinik in die Klinik zu bringen.

»Beim nächsten Webcast im Januar oder Februar werden wir berichten können, dass erste Substanzen in Phase I der klinischen Prüfung gehen werden und dann möglicherweise rasch über beschleunigte Verfahren schnell in Phase II und III kommen werden«, so Schubert-Zsilavecz. 

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