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 Covid-19

Maßgeschneiderte Wirkstoffe auf der Zielgeraden

Lange dauert es wohl nicht mehr, bis es neben den Impfstoffen auch maßgeschneiderte Arzneistoffe gegen Covid-19 gibt. Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz rechnet mit ersten verfügbaren Kandidaten spätestens Ende des Jahres.
Kerstin A. Gräfe
14.05.2021  10:00 Uhr

Zur Bekämpfung der Pandemie seien Impfstoffe unverzichtbar. »Zugleich brauchen wir aber wirksame und sichere Arzneimittel, um schwer erkrankten Covid-19-Patienten zu helfen«, konstatierte der pharmazeutische Chemiker am Mittwoch beim Webcast von Pharma4u und PZ. Die Erfahrungen bei der Entwicklung antiviraler Substanzen in anderen Indikationen – Stichwort HIV/Aids beziehungsweise chronische Hepatitis C – hätten gezeigt, dass es entscheidend sei, zugleich wirksame Proteaseinhibitoren und Hemmstoffe jener Enzyme zu finden, die für die Vermehrung der Erbinformation der Viren in den Wirtszellen verantwortlich seien. Denn nur die Kombination beider Therapien, das heißt die gleichzeitige Hemmung der Protease und Polymerase, habe hier zum Ziel geführt.

Vor allem den Proteaseinhibitoren maß Schubert-Zsilavecz eine entscheidende Bedeutung zu. Diese zielten nicht nur darauf ab, die virale Replikation zu verhindern, sondern auch darauf, das körpereigene Immunsystem »sozusagen nicht herauszufordern«. »Denn wir haben inzwischen verstanden, dass jedenfalls eine dieser Proteasen in der Lage ist, bei einer Infektion Autoantigene im Körper zu erzeugen, die dann zu entsprechenden immunologischen Reaktionen führen«, informierte der Referent.

Wo stehen wir? Rückblickend sei es innerhalb weniger Monate gelungen, die Struktur der viralen Proteasen zu charakterisieren und auf dieser Basis eine rationale Entwicklung von maßgeschneiderten Proteaseinhibitoren anzustoßen. »Heute können wir sagen, dass erste Unternehmen in die Phase I der klinischen Prüfung mit Proteaseinhibitoren eingetreten sind«, sagte Schubert-Zsilavecz.

Zwei orale Kandidaten in der klinischen Prüfung

Auch hier sei das Unternehmen Pfizer involviert, das sich mit einem oralen Proteasehemmer in Phase I der klinischen Prüfung befinde. Aus Patentschutzgründen werde die Struktur bislang geheimgehalten. Bekannt sei, dass die Substanz ursprünglich für eine intravenöse Applikation vorgesehen war, sich Pfizer aber nun mit einem oral verfügbaren Kandidaten in der klinischen Prüfung befinde. Sollten die Daten der Phase I beziehungsweise anschließend der Phase II positiv ausfallen, sei durchaus eine Zulassung auf Basis belastbarer Phase-II-Studien denkbar. »Meine Erwartungshaltung ist, dass wir im Herbst, spätestens Ende dieses Jahres, erste zugelassene Proteaseinhibitoren haben werden«, so Schubert-Zsilavecz.

Bei der Entwicklung der RNA-Polymeraseinhibitoren sei man in der klinischen Prüfung schon ein Stück weiter. Das oral verfügbare Molnupiravir befinde sich gerade in Phase III. Von dieser Substanz habe man gehofft, dass sie die Mortalität senken könne, die bisherigen Studienergebnisse hätten aber gezeigt, dass dies zumindest nicht für die Behandlung schwer kranker Covid-19-Patienten zutreffe. Daher sei die Entwicklung bei dieser Patientengruppe eingestellt worden. »Die Studien werden sich jetzt darauf konzentrieren, die Substanz bei Patienten zu profilieren, die zwar Krankheitssymptome zeigen, aber noch nicht stationär aufgenommen wurden«, so Schubert-Zsilavecz. Er zeigte sich davon überzeugt, dass dies der richtige Ansatz sei, da die Erfahrung in anderen Indikationen gezeigt habe, dass nur der frühe Einsatz antiviraler Substanzen zum Therapieerfolg führe.

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