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Zusammen mit Remdesivir

Notfallzulassung für Baricitinib in den USA

Jetzt hat die US-Arzneimittelbehörde FDA die nächste Notfallzulassung bei Covid-19 erteilt. Dieses Mal für den Januskinase-Hemmer Baricitinib (Olumiant®). Er darf zusammen mit Remdesivir (Veklury®) eingesetzt werden.
Annette Rößler
20.11.2020  12:00 Uhr

Baricitinib (Olumiant®) hat von der FDA eine Emergency Use Authorization (EUA) zum Einsatz bei Patienten ab zwei Jahren mit vermuteter oder laborbestätigter SARS-CoV-2-Infektion erhalten. Der Januskinase (JAK)-Hemmer darf allerdings nur zusammen mit dem antiviralen Wirkstoff Remdesivir (Veklury®) eingesetzt werden und auch nur bei hospitalisierten Patienten, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen, invasiv beatmet werden oder per extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) versorgt werden.

Als Beleg für den Nutzen von Baricitinib beruft sich die FDA auf Ergebnisse der ACTT-2-Studie, in der die Kombination aus Baricitinib und Remdesivir bei 1033 moderat bis schwer erkrankten Covid-19-Patienten mit Remdesivir plus Placebo verglichen wurde. Unter der Kombinationstherapie dauerte es durchschnittlich einen Tag kürzer, bis die Patienten sich erholt hatten, nämlich sieben statt acht Tage. Erholung war dabei definiert als Entlassung aus der Klinik oder fortgesetzter Klinikaufenthalt, aber ohne Bedarf an zusätzlichem Sauerstoff oder medizinischer Versorgung. Weitere Endpunkte wie Tod oder Beatmungspflicht bis Tag 29 oder klinische Verbesserung bis Tag 15 fielen ebenfalls zugunsten der Kombination aus.

Hersteller Eli Lilly kann mit der EUA für Baricitinib bei Covid-19 den zweiten Erfolg innerhalb kurzer Zeit verbuchen. Erst vergangene Woche erhielt das Unternehmen für Bamlanivimab, einen gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper, eine EUA von der FDA. Eine EUA ist nicht gleichbedeutend mit einer Vollzulassung, die Anforderungen an die Qualität und Quantität der eingereichten Daten sind deutlich niedriger. Die FDA überprüft fortlaufend, ob die Evidenz noch ausreicht, um die EUA aufrechtzuerhalten. Dennoch erleichtert die Notfallzulassung den Einsatz der entsprechenden Arzneimittel erheblich.

FDA zeigt Aktionismus

Mit der Erteilung einer weiteren EUA scheint die FDA angesichts neuer Höchststände bei den Infektions- und Todeszahlen in den USA auch Handlungskraft beweisen zu wollen. »Die heutige Maßnahme ist ein Beleg für die unentwegten Anstrengungen der FDA, mögliche Covid-19-Therapeutika frühzeitig zugänglich zu machen, wenn das angebracht ist, während sie gleichzeitig die Erforschung der Wirksamkeit und Sicherheit unterstützt«, sagte FDA-Leiter Dr. Stephen Hahn.

Allerdings hat die Behörde für ihren Aktionismus in der Pandemie auch schon harsche Kritik geerntet: Im Fall des Malariamittels Hydroxychloroquin vermuteten viele Experten als Grund für die EUA nicht ausreichende Hinweise auf eine Wirksamkeit bei Covid-19, sondern eine massive Einflussnahme der US-Regierung von Donald Trump. Letztlich widerrief die FDA die Notfallgenehmigung für Hydroxychloroquin, weil keine Wirkung gezeigt werden konnte.

Im Fall von Baricitinib gibt es zwar keine Hinweise darauf, dass die EUA politisch motiviert war. Eine – begrenzte – Wirkung bei Covid-19 ist zudem medizinisch plausibel. Es ist aber gelinde gesagt ein schlechtes Vorzeichen, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerade jetzt in einer Leitlinie vom Einsatz des Kombinationspartners Remdesivir abrät, weil sie keinen Beleg für einen bedeutenden Effekt auf die Mortalität oder andere Parameter sieht. Der große Wurf bei Covid-19, auf den alle warten, ist Baricitinib sicher nicht, wahrscheinlich aber wohl schon ein Medikament, das dazu beitragen kann, die Krankheitslast bei Covid-19 in manchen Fällen zu reduzieren.

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