Neue Daten zum Krebsrisiko durch verunreinigtes Valsartan |
Daniela Hüttemann |
19.05.2021 12:30 Uhr |
Zu Beginn des Valsartan-Skandals im Sommer 2018 hat es einige Zeit gedauert, bis Patienten Klarheit hatten, ob auch ihr Präparat betroffen war – zu undurchsichtig waren die Lieferketten. / Foto: picture alliance/dpa
Im Sommer 2018 ging es los mit dem sogenannten Valsartan-Skandal: Verschiedene Generika des blutdrucksenkenden Mittels waren mit beträchtlichen Mengen an Nitrosaminen (NDMA und NDEA) verunreinigt. Es dauerte Monate, bis die EMA letztlich verkündete, wie es zu den Verunreinigungen gekommen ist und die neuen Grenzwerte und ihre Überprüfung sind erst seit Januar dieses Jahres vollumfänglich gültig.
Viele Patienten waren damals verunsichert oder sind es noch immer, ob die teils jahrelange Einnahme möglicherweise verunreinigter Medikamente ihnen geschadet haben könnte, denn Nitrosamine werden von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Das Bundesgesundheitsministerium schätzte damals, dass bis zu 900.000 Menschen mit Valsartan-Medikation in Deutschland betroffen sein könnten. Vermutlich gelangten Nitrosamine ab dem Jahr 2012 in manche Produkte, da unter anderem der chinesische Wirkstoff-Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical, der viele Zulassungsinhaber belieferte, sein Produktionsverfahren umgestellt hatte.
Erste Registerdaten aus Dänemark lieferten 2018 keinen Hinweis auf ein kurzfristig erhöhtes Krebsrisiko. Und auch knapp drei Jahre später sieht es deutschen Krankenkassendaten zufolge insgesamt gut aus: »Eine Studie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zu N-Nitrosodimethylamin (NDMA)-verunreinigtem Valsartan zeigt im Ergebnis kein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt«, teilte heute das BfArM mit. Für die Studie wurden die Daten von mehr 25 Millionen AOK-Versicherten analysiert. Die Originalarbeit erschien heute im »Deutschen Ärzteblatt«.
Allerdings stellten die Forscherinnen und Forscher ein »statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko« für Leberkrebs fest (adjustiertes HR 1,16; 95-%-Konfidenzintervall: [1,03; 1,31]). Das bedeutet eine relative Risikoerhöhung um 16 Prozent. »Eine direkte Kausalität lässt sich daraus jedoch nicht ableiten und sollte weiterhin erforscht werden«, heißt es in der Pressemitteilung. Auch andere potenzielle Langzeiteffekte durch NDMA-verunreinigtes Valsartan sollten weiter sorgfältig beobachtet werden. Zu mittel- und langfristigen Krebsrisiken lassen sich naturgemäß noch keine Aussagen machen.
Die Studie untersuchte die Daten aller bei der AOK versicherten Patientinnen und Patienten, die zu Beginn des Jahres 2012 vierzig Jahre oder älter waren und mindestens ein Rezept für Valsartan zwischen 2012 und 2017 eingelöst hatten. Das waren 781.000 Personen. Dabei wurde anhand der Pharmazentralnummer berücksichtigt, ob es sich um ein betroffenes Präparat handelte. Zentraler Endpunkt innerhalb der Studie war laut BfArM eine neu aufgetretene Krebsdiagnose, die nach der Valsartan-Verschreibung erfolgte. Auf dieser Datengrundlage berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittels Cox-Regressionsmodell die Risikoänderung für Krebs gesamt und für einzelne Krebsarten.
»Ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt wurde im untersuchten Zeitraum weder für eine dreijährige Langzeitanwendung festgestellt, noch in Abhängigkeit der Dosierung«, betont das BfArM. Da aus rein biologischer Sicht Leberkrebs als wahrscheinlichste Krebsart nach oraler NDMA-Exposition zu erwarten wäre, habe man hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt.
Limitationen der Studie sind ihr retrospektiver Charakter und das Störfaktoren wie Rauchen, Ernährungsfaktoren oder genetische Veranlagung nicht berücksichtigt werden konnten. »Insgesamt liefert die Studie wertvolle Informationen für die behördliche Risikoüberwachung weltweit, um die Auswirkungen von NDMA-Verunreinigungen in Valsartan-haltigen Arzneimitteln auf die öffentliche Gesundheit zu bewerten«, resümiert das BfArM.