Nitrosamine im Raucher-Entwöhnungsmittel Champix |
Daniela Hüttemann |
25.06.2021 14:00 Uhr |
Vareniclin soll die Entzugssymptome bei der Raucherentwöhnung lindern. / Foto: Imago Images/suedraumfoto
Bloomberg zitiert aus einer E-Mail von Pfizer, demnach die weltweite Distribution des Raucher-Entwöhnungsmittels Champix® vorübergehend als Vorsichtsmaßnahme ausgesetzt werde. Es sollen wohl auch bestimmte Chargen zurückgerufen werden; unklar sei aber noch, welche und ob auch der europäische Markt betroffen ist. Dem Vernehmen nach ist die Europäische Arzneimittelagentur bereits involviert.
Einem koreanischen Medienbericht zufolge haben die dortigen Behörden bereits am 14. Juni mit einer Untersuchung Vareniclin-haltiger Medikamente begonnen. Pfizers Patent für den Arzneistoff war vergangenen November ausgelaufen. Dem Bericht zufolge gibt es in Korea bereits 34 Generika-Hersteller mit entsprechenden Produkten. In Deutschland ist bislang nur Pfizers Original auf dem Markt. Die koreanischen Behörden hatten entsprechende Überprüfungen der Herstellungsprozesse und Kontrollen der Fertigarzneimittel angeordnet.
Nitrosamine als potenziell krebserregende Verunreinigungen rückten 2018 durch den Valsartan-Skandal in den Fokus der Überwachungsbehörden. Die Substanzen können über verschiedene Wege bei der Wirkstoffsynthese entstehen oder durch bereits verunreinigte Chemikalien eingetragen werden. Auch beim Grillen von Fleisch entstehen Nitrosamine, zu denen unter anderem NDMA, NDEA und NMBA gehören. Die internationale Krebsagentur IARC stuft sie als »wahrscheinlich krebserregend« ein. Um welche Substanz genau es sich nun bei Vareniclin handelt und wie das Ausmaß der Verunreinigung ist, wurde noch nicht kommuniziert.
Vareniclin wirkt als Partialagonist an Nikotin-Rezeptoren des Subtyps α4β2 und ähnelt von der Struktur dem Naturstoff Cytisin, ein Alkaloid des Goldregens. / Foto: Adobe Stock/molekuul.be
»In der Literatur werden für die Synthese von Vareniclin mehrere Synthesewege beschrieben«, erklärt Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, auf Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung. »Ohne zu wissen wie Pfizer Vareniclin herstellt oder herstellen lässt, bleibt festzuhalten, dass bei allen beschriebenen Synthesen potenziell Nitrosamine entstehen können. Diese können bei Nitrierungsschritten, bei reduktiven Aminierungen und bei der Reduktion von Nitrogruppen im Zuge der verschiedenen Vareniclin-Synthesen gebildet werden. Auch verunreinigte Ausgangsprodukte oder Lösungsmittel könnten die Ursache sein. Um eine exakte Aussage treffen zu können, müsste man den genauen Herstellungsprozess kennen.«
Als Reaktion auf die Verunreinigungen bei manchen Sartanen und anderen Arzneistoffen wie Ranitidin und Metformin legten die Zulassungsbehörden neue Grenzwerte fest. Prüfungen auf Nitrosamine gehören nun zur Qualitätskontrolle vor der Auslieferung. In diesem Zusammenhang gehen Experten davon aus, dass in Zukunft noch mehr Arzneimittel betroffen sein könnten.