Qualitätsprobleme sind nicht gelöst |
Infolge des Valsartan-Skandals wurden neue Nachweismethoden für Verunreinigungen in Sartanen ins Europäische Arzneibuch aufgenommen. / Foto: Adobe Stock/Chepko Danil
Als Wirkstoffe aus der Gruppe der AT1-Rezeptorantagonisten (Sartane, ARB) sind in Deutschland acht Substanzen im Handel: Azilsartan, Candesartan, Eprosartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan, Telmisartan und Valsartan. Sie werden primär zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt. Einige Vertreter (Losartan, Valsartan, Candesartan) verfügen außerdem über eine Zulassung zur Behandlung der Herzinsuffizienz und zur Behandlung bei diabetischer Nephropathie (Irbesartan, Losartan). Losartan wird auch zur Schlaganfallprävention bei linksventrikulärer Hypertrophie eingesetzt, Telmisartan bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten.
Die große Bedeutung der Sartane zeigt ihr Verordnungsvolumen: 2019 wurden 4,035 Milliarden definierte Tagesdosen (DDD) zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet, ein Plus gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent. Mit mehr als 2 Milliarden DDD ist Candesartan mit großem Abstand der am häufigsten verordnete Vertreter aus der Gruppe der Sartane; die Verordnungshäufigkeit von Valsartan ging im Jahr 2019 insgesamt um 38 Prozent zurück.
Mit Ausnahme von Eprosartan, Azilsartan und Telmisartan haben alle Sartane als sauren Substituenten einen Tetrazolylrest, der diesen Wirkstoffen eine Reihe von zum Teil problematischen Verunreinigungen beschert, die durch die Synthese dieses aziden Heterozyklus bedingt sind (Abbildung).
Strukturformeln der Sartane, die in Deutschland auf dem Markt sind. Bis auf Telmisartan, Eprosartan und Azilsartan weisen alle einen Tetrazolylrest auf. / Foto: Wurglics
Bei mehreren Arzneistoffen wurden seit Sommer 2018 die von der Weltgesundheitsorganisation als potenziell krebserregend eingestuften Nitrosamine gefunden, angefangen bei Valsartan und anderen Sartanen mit Tetrazolstruktur, aber auch beim Histamin-H2-Rezeptorantagonisten Ranitidin und dem oralen Antidiabetkum Metformin. Jüngst war auch Vareniclin, welches für die Tabakentwöhnung eingesetzt wird, von Nitrosamin-Verunreinigungen betroffen.
Das Auftreten von N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in Valsartan-haltigen Arzneimitteln konnte mit einer »Optimierung« der Synthese (Erhöhung der Ausbeute und Verkürzung der Reaktionszeit durch Austausch von Reagenzien und Lösungsmitteln) erklärt werden. In der Folge wurden weitere Nitrosaminderivate in Sartanen mit Tetrazolylsubstituenten gefunden. Folgerichtig wurden empfindliche gas- und flüssigkeitschromatografische Trennmethoden mit massenspektrometrischer Detektion entwickelt, um die Nitrosamin-Verunreinigungen quantifizieren zu können. Diese Methoden wurden in diesem Jahr ins Europäische Arzneibuch aufgenommen. Zusätzlich gibt es in den Sartan-Monographien ein Produktionshinweis, der die Hersteller verpflichtet, den Gehalt an Nitrosaminen so niedrig wie möglich zu halten.
Trotz all dieser Maßnahmen und Anordnungen regulatorischer Behörden wurde vor Kurzem von neuen Verunreinigungen in tetrazolylhaltigen Sartanen, dieses Mal Losartan, berichtet. Es handelt sich um drei verschiedene Azidoverbindungen, die beim Aufbau des Tetrazolylrests als Nebenprodukt entstehen können. Auch wenn der Gehalt an diesen Verunreinigungen sehr gering ist, so bleibt die Verunsicherung, zumal alle Verunreinigungen als genotoxisch einzustufen sind.
Literatur bei den Verfassern
Es ist den Herstellern von tetrazolylhaltigen Sartanen zwar offensichtlich gelungen, die Menge an Verunreinigungen auf ein Minimum zu reduzieren, aber sie lassen sich aufgrund der Synthese offenbar nicht gänzlich vermeiden. Die anhaltenden Probleme führen zu einer erheblichen Verunsicherung von Patienten und Heilberuflern. Für den Fall, dass auch im Jahr 2022 weiterhin potenziell gesundheitsgefährdende Verunreinigungen in Sartanen mit Tetrazolylsubstituenten nachgewiesen werden, schlagen wir daher als letzten Ausweg vor, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Ruhen der Zulassung dieser Wirkstoffe ab 2025 ins Auge fassen sollte. Gegebenenfalls sollten Ärzte bereits ab 2023 in geeigneter Weise darüber informiert werden, dass bei Erstverordnungen von Sartanen auf Telmisartan, Eprosartan oder Azilsartan zurückgegriffen werden soll, wobei Letzteres aktuell keine Marktrelevanz besitzt. Eine Alternative stellen ACE-Inhibitoren dar. Parallel dazu sollten Patientinnen und Patienten unter einer Therapie mit Sartanen auf tetrazolylfreie Wirkstoffe oder ACE-Inhibitoren umgestellt werden.
Dr. Ulrike Holzgrabe, Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Professoren für Pharmazeutische Chemie