Lipidsenker zur Kardioprotektion |
Unerwünschte Wirkungen von Statinen betreffen vor allem das muskuloskelettale System. Diese reichen von häufigen Myalgien (5 Prozent der Patienten) über seltenere Myopathien bis hin zur sehr seltenen Rhabdomyolyse (1 bis 2 Fälle pro 100.000 Patientenjahre). Die Rhabdomyolyse manifestiert sich mit Myoglobinurie und potenziell lebensbedrohlichem akutem Nierenversagen. Zur Früherkennung von Muskelbeschwerden werden regelmäßige Kreatinkinase-Kontrollen empfohlen; ein Abbruch der Therapie erfolgt bei mehr als vierfachem Anstieg.
Relevante Nebenwirkungen treten insbesondere unter Hochdosistherapie oder bei genetischer Prädisposition auf. Letztere basiert auf der genetischen Variabilität des OATP1B1-Transporters in Leberzellen. Polymorphismen im kodierenden SLCO1B1-Gen vermindern die Transportkapazität, was die hepatische Aufnahme der Statine vermindert und deren Plasmakonzentration erhöht. Etwa 15 Prozent der europäischen Bevölkerung tragen das entsprechende Allel, das mit erhöhtem Risiko für muskuläre Nebenwirkungen assoziiert ist.
Nicht wenige Patienten berichten unter Statinen über Muskelschmerzen. Mitunter handelt es sich nicht um eine Nebenwirkung, sondern um einen Nocebo-Effekt dieser Arzneimittel. / © Adobe Stock/pfluegler photo
Auch der Metabolismus über Cytochrom-P450-Enzyme spielt eine Rolle. Simvastatin und Atorvastatin werden primär über CYP3A4 abgebaut, Fluvastatin über CYP2C9, während Rosuvastatin und Pravastatin kaum über CYP-Enzyme metabolisiert werden. Simvastatin ist zudem ein Prodrug, das erst durch Spaltung des Lactonrings in seine aktive Form überführt wird. Die hohe Lipophilie des Lacton-Vorläufers begünstigt die Aufnahme in Muskelzellen und gilt als mitverantwortlich für myotoxische Effekte.
Bempedoinsäure ist zugelassen zur Therapie der primären Hypercholesterolämie und der gemischten Dyslipidämie bei Erwachsenen, deren LDL-Werte mit einer maximal verträglichen Statintherapie nicht ausreichend kontrolliert werden können – sowohl in Monotherapie als auch in Kombination mit Statinen und weiteren Lipidsenkern. Bei Patienten mit Statin-Intoleranz kann Bempedoinsäure als Monotherapie oder in Fixkombination mit Ezetimib angewendet werden. Die Dosierung beträgt 180 mg einmal täglich oral.
Bempedoinsäure ist ein inaktives Prodrug. Nach Resorption im Dünndarm gelangt der Wirkstoff über die Pfortader in die Leber mit anschließender Aufnahme in Hepatozyten. Dort befindet sich das Enzym Acyl-CoA-Synthetase very long chain 1 (ACSVL1), das ausschließlich in der Leber, aber nicht in der Skelettmuskulatur exprimiert wird – ein wesentlicher Vorteil für die Verträglichkeit. ACSVL1 katalysiert die Umwandlung von Bempedoinsäure in das pharmakologisch aktive Bempedoyl-CoA, das selektiv die ATP-Citrat-Lyase (ACL), ein Schlüsselenzym der hepatischen Cholesterolsynthese, hemmt (Abbildung 2).
Infolge der reduzierten Cholesterolkonzentration in Hepatozyten wird – analog zu Statinen – die Expression von LDL-Rezeptoren auf den Hepatozyten hochreguliert: Die LDL-Plasmakonzen-tration sinkt. In kontrollierten Studien zeigte sich keine erhöhte Rate an Muskelschmerzen. Dies lässt sich durch die leberspezifische Aktivierung des Prodrugs erklären.
Bempedoinsäure hat sich in mehreren Phase-III-Studien als wirksamer LDL-Senker erwiesen (15 bis 20 Prozent bei Monotherapie); in Kombination mit Ezetimib konnte LDL um 35 Prozent gesenkt werden (Tabelle 2). Damit ist Bempedoinsäure in der Kombinationstherapie potenter als Ezetimib allein, bleibt aber hinsichtlich der LDL-Reduktion hinter hoch dosierten Statinen oder PCSK9-Hemmern zurück.
▶ Trotz der pharmakologisch überzeugenden Eigenschaften wird der klinische Zusatznutzen von Bempedoinsäure im Vergleich zur etablierten Statintherapie zurückhaltend bewertet, da noch keine Daten zur Senkung der kardiovaskulären Mortalität vorliegen.