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B-Vitamine

Lebenswichtig, aber häufig unterschätzt

Die Symptome eines Vitamin-B-Mangels sind recht unspezifisch, sodass ein Defizit oft spät erkannt wird. Die Folgeschäden sind aber nur in den Anfangsstadien reversibel. Apothekenteams sollten auf Risikofaktoren, gefährdete Personengruppen und Arzneimittelwechselwirkungen achten. Ein detaillierter Überblick.
Burkhard Kleuser
14.08.2025  12:00 Uhr

Vielfältige Arzneimittelinteraktionen

Trotz einer ausgewogenenen Ernährung kann ein Mangel an B-Vitaminen auftreten. Ursächlich sind häufig Arzneistoffe der Dauermedikation (Tabelle 2).

Thiamin: Diuretika, insbesondere Schleifendiuretika wie Furosemid, können das Risiko eines Thiamin-Mangels aufgrund einer vermehrten Ausscheidung des Vitamins über den Urin drastisch erhöhen. Zudem fördern Schleifendiuretika die Ausscheidung von Magnesium-Ionen, die für die enzymatische Umwandlung von Thiamin zum aktiven Thiaminpyrophosphat benötigt werden (33). Besonders gefährdet sind älterere Patienten mit Herzinsuffizienz, die dauerhaft Schleifendiuretika einnehmen. Studien belegen, dass mehr als 30 Prozent von ihnen einen subklinischen oder manifesten Thiamin-Mangel aufweisen (34). Symptome wie Müdigkeit, Muskelschwäche, vor allem aber Verwirrtheit sind die Folge.

Zudem verschlimmert ein ausgeprägter Mangel an Thiamin das Krankheitsbild der Herzinsuffizienz, weil der Herzmuskel auf eine kontinuierliche Energiezufuhr, die durch Thiamin gewährleistet wird, angewiesen ist. Die Supplementation verbessert bei diesen Patienten die Auswurfleistung des linken Ventrikels (35). Bei älteren Menschen mit Herzinsuffizienz und Schleifendiuretika sollte der Thiamin-Status daher unbedingt regelmäßig kontrolliert werden.

Vitamin Arzneistoffe, die Vitaminspiegel beeinflussen Symptome eines Vitaminmangels
Thiamin (B1) Schleifendiuretika wie Furosemid
Antikonvulsiva wie Phenytoin
Chemotherapeutika wie 5-Fluorouracil (vor allem)
Polyneuropathie (Kribbeln, Taubheitsgefühle, Verwirrtheit, Koordinationsstörungen)
kardiovaskuläre Symptome (Herzinsuffizienz, Ödeme)
Muskelschwäche, Muskelabbau
Riboflavin (B2) Phenothiazin-Derivate wie Chlorpromazin, trizyklische Antidepressiva, Tetrazykline
Antikonvulsiva wie Phenytoin
Probenecid
Hautveränderungen wie Mundwinkelrhagaden, seborrhoische Dermatitis, Entzündung der Mundschleimhaut, Konjunktivitis
Niacin (B3) Chemotherapeutika wie 5-Fluorouracil, Azathioprin, 6-Mercaptopurin
Antikonvulsiva wie Carbamazepin
Antituberkulotika wie Isoniazid, Pyrazinamid
Dermatitis, entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut
Konzentrationsstörungen, Depression, Halluzinationen, Demenz
Pantothensäure (B5) Antibiotika wie Tetrazykline
orale Kontrazeptiva
Antikonvulsiva wie Carbamazepin
Chemotherapeutika wie 5-Fluorouracil
brennende, stechende Schmerzen in den Füßen, Taubheit, Kältegefühl
Müdigkeit, Konzentrationsschwäche
trockene Haut
Pyridoxin (B6) Isoniazid, Hydralazin, Penicillamin
Antiepileptika wie Phenytoin
orale Kontrazeptiva
Neuropathie wie Kribbeln und Taubheit in den Füßen
Verwirrtheit, Depression
mikrozytäre Anämie
Biotin (B7) Antikonvulsiva wie Valproinsäure, Phenytoin, Carbamazepin Alopezie, seborrhoische Dermatitis, Reizbarkeit, Parästhesien
Folat (B9) Methotrexat, Trimethoprim, Pyrimethamin
Antikonvulsiva wie Phenytoin, Carbamazepin
megaloblastäre Anämie, Müdigkeit, Schwäche
Neuralrohrdefekte, angeborene Herzfehler
Cobalamin (B12) Protonenpumpenhemmer, Metformin
H2-Rezeptor-Antagonisten
perniziöse Anämie, Müdigkeit, Schwäche Neuralrohrdefekte
neurologische Symptome wie Parästhesien, Konzentrationsstörungen
Tabelle 2: Ausgewählte Arzneistoffe, die einen Vitamin-B-Mangel verursachen, sowie Symptome eines Mangels

Pyridoxin: Vitamin B6 kann direkt mit Arzneistoffen interagieren und zu unwirksamen Komplexen führen. Insbesondere von Isoniazid ist bekannt, dass es mit Pyridoxalphosphat Hydrazon-Komplexe bildet; dadurch wird die Bioverfügbarkeit von B6 reduziert. Tatsächlich entwickeln Patienten unter der sechsmonatigen Therapie der Tuberkulose mit Isoniazid häufig Neuropathien. Eine Vorbeugung durch die gleichzeitige Gabe von Pyridoxin ist daher vor allem bei Vorerkrankungen und in der Schwangerschaft sinnvoll (36). Isoniazid-Präparate werden zum Teil in fixer Kombination mit Pyridoxin angeboten.

Eine direkte Interaktion von Pyridoxin ist auch mit Dihydralazin und Penicillamin möglich. Ähnlich wie Isoniazid bildet Dihydralazin mit Pyridoxalphosphat irreversible Hydrazon-Komplexe (37). In der Dauertherapie der arteriellen Hypertonie kann es dann zu einem Pyridoxin-Mangel kommen, der sich durch Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühl an den Gliedmaßen äußert. Diese Erscheinungen bilden sich nach Supplementation meist zurück.

Penicillamin ist ein Chelatbildner, der zur Steigerung der Kupferausscheidung bei Morbus Wilson und zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird. Penicillamin kann mit seiner reaktiven Thiolgruppe auch direkt mit Pyridoxalphosphat reagieren und einen funktionellen B6-Mangel verursachen (38). Bei längerfristiger Anwendung ist daher eine regelmäßige Supplementation mit Pyridoxin sinnvoll, um peripheren Neuropathien vorzubeugen.

Folat: Methotrexat gilt als Mittel der ersten Wahl bei der rheumatoiden Arthritis. Als Folsäure-Analogon gehört es zu den Antimetaboliten und inhibiert kompetitiv das Enzym Dihydrofolat-Reduktase, sodass DNA- und RNA-Synthese gehemmt werden. Die Nebenwirkungen sind hauptsächlich auf einen Folsäure-Mangel zurückzuführen. Die zusätzliche Gabe von Folsäure reduziert die Nebenwirkungen und sollte daher standardmäßig erfolgen. Wichtig hierbei ist der zeitliche Abstand von etwa 24 Stunden, um die antiinflammatorische Wirkung zu erhalten. Die Supplementation kann Hepatotoxizität, gastrointestinale Nebenwirkungen und Übelkeit signifikant reduzieren (39).

Auch Trimethoprim, ein Bestandteil der Wirkstoffkombination Cotrimoxazol, hemmt die bakterielle Dihydrofolat-Reduktase. Zwar ist seine Affinität zum bakteriellen Enzym sehr viel höher, dennoch kann es in höheren Dosierungen auch die humane Variante inhibieren (40). Bei einer Langzeitanwendung (Rezidivprophylaxe bei Harnwegsinfektionen) oder bei hohen Dosierungen (Therapie der Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie) kann es zu verminderten Tetrahydrofolat-Spiegeln kommen. Hier sollte eine zusätzliche Folsäure-Einahme erwogen werden.

Auch bei einer längeren Anwendung von Phenytoin kann es zu einem Defizit an Folsäure kommen, denn das Antikonvulsivum hemmt die intestinale Folsäure-Resorption über deren Transporter (41). Deshalb wird bei Langzeittherapie mit Phenytoin eine regelmäßige Kontrolle des Folsäure-Status empfohlen.

Cobalamin: Ein Cobalamin-(B12-)Mangel kann vor allem durch Protonenpumpenhemmer (PPI) und Biguanide (Kasten) ausgelöst werden (42). Beide Arzneistoffklassen vermindern die Aufnahme des Vitamins. Cobalamin liegt in der Nahrung meist in Protein-gebundener Form vor; ein niedriger pH-Wert ist für die Freisetzung notwendig. Dies erklärt einen verminderten Cobalamin-Spiegel nach einer PPI-Langzeitanwendung.

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