Lebenswichtig, aber häufig unterschätzt |
Biotin (B7) ist ein schwelfelhaltiges Vitamin, das als Cosubstrat vor allem bei Carboxylasen benötigt wird. Diese Biotin-abhängigen Enzyme sind bei Fettsäuresynthese, Gluconeogenese und Aminosäurestoffwechsel von entscheidender Bedeutung. Eine ganz wichtige Rolle kommt auch der Biotinylierung von Proteinen zu. So wird Biotin kovalent an Lysinreste von Histonen gebunden, was für die Chromatinstruktur entscheidend ist und so die Genexpression beeinflusst.
Auf diese Weise hat B7 einen wichtigen Einfluss auf die Struktur von Haut und Haaren. Dies ist zum einen auf seine Funktion im Lipidstoffwechsel und damit bei den Hautlipiden zurückzuführen. Zum anderen beeinflusst Biotin die Proliferation und Differenzierung von Keratinozyten und damit auch die Keratinbildung (18).
Zu den Symptomen eines Mangels zählen daher Hautveränderungen, Haarausfall sowie unspezifische neurologische Störungen wie Bewegungsstörungen und Lethargie. Ernährungsbedingt kommt es sehr selten zu einem B7-Mangel. Trotzdem wird es aufgrund seiner Wirkungen auf die Haut- und Haarstruktur häufig als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Der Nutzen ist bei gesunden Menschen ohne Biotin-Mangel nicht belegt; Studien zeigen keine eindeutige Wirkung auf Haut, Haare oder Nägel bei ausreichender Versorgung (19).
Eine genetische Erkrankung ist der Biotinidase-Mangel. Dieses Enzym ist eine Hydrolase, die kovalent an Proteine gebundenes Biotin recycelt beziehungsweise aus Nahrungsbestandteilen freisetzt. Nach der Geburt wird das Baby im Neugeborenen-Screening routinemäßig auf einen Biotinidase-Mangel getestet. Biotinidase-Mangel kommt als autosomal rezessive Stoffwechselstörung zwar selten vor (Häufigkeit 1:60.000), ist jedoch mit Störungen des Hör- und Sehvermögens, Entwicklungsstörungen, Hautveränderungen, Krämpfen, niedrigem Blutdruck und Ketoazidose verbunden.
Ohne Behandlung ist ein tödlicher Verlauf möglich. Daher muss eine frühzeitige und lebenslange Supplementation (5 bis 20 mg Biotin pro Tag) erfolgen (20).
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Auf eine Besonderheit sollten Apotheker bei der Abgabe von Biotin-haltigen Produkten hinweisen. Viele moderne Laboranalysen nutzen Biotin-basierte Immunoassays, deren Testprinzip auf einer Streptavidin-Biotin-Wechselwirkung beruht. Wird das Vitamin jedoch supplementiert, kann es die Bindung zwischen Streptavidin und biotinylierten Komponenten verfälschen. Davon sind insbesondere Untersuchungen der Schilddrüsen- und der Sexualhormone sowie Myokardinfarkt-Marker wie Troponin betroffen.
Daher sollten Menschen einige Tage vor einer Laboruntersuchung keine Biotin-haltigen Nahrungsergänzungsmittel supplementieren (21).