Labsal für trockene Augen |
Der Besuch beim Ophthalmologen sollte immer erfolgen bei Verdacht auf eine bakterielle (klebriges Sekret meist bei einem Auge) oder virale Infektion (reichlich dünnflüssiges Sekret meist beider Augen, hoch ansteckend). Gleiches gilt bei Verdacht auf Fremdkörper oder Chemikalien im Auge sowie bei Grunderkrankungen (wiederkehrende, therapieresistente Beschwerden). Kommen Begleitsymptome wie starke Kopfschmerzen, Fieber oder Sehstörungen hinzu, ist immer notfallmäßig der Augenarzt zu konsultieren.
Die Behandlung des Sicca-Syndroms richtet sich nach dessen Ausprägung. Ziele sind vor allem die Linderung der Beschwerden und der Erhalt der gesunden Augenoberfläche. Grunderkrankungen sollten gut eingestellt sein. Augentropfen mit α-Sympathomimetika wie Tetryzolin sind wegen des »Weißmacher«-Effekts bei Patienten beliebt. Die Apotheke sollte darauf hinweisen, dass durch Verengung der Gefäße die Rötungen verschwinden, das Risiko für ein Sicca-Syndrom aber steigt.
Für allergisch bedingte Bindehautentzündungen stehen der Mastzellstabilisator Cromoglicinsäure und topische Antihistaminika (Azelastin, Levocabastin, Olopatadin; Letzteres seit 1. April 2025 auch rezeptfrei für Erwachsene) zur Verfügung. Die Behandlung der gereizten Augen mit Dexpanthenol oder Bibrocathol ist in der Selbstmedikation für etwa 48 Stunden möglich. Tritt in dieser Zeit keine Besserung ein, sollte die Differenzialdiagnose erfolgen.
Das Apothekenpersonal kann entzündungshemmende und schmerzstillende Salicylsäure-haltige Augentropfen über maximal 14 Tage empfehlen. Bakterielle Infektionen am Auge erfordern Antibiotika-haltige Augentropfen (Gentamicin, Moxifloxacin, Ciprofloxacin).
Für Schweregrad 1 sind laut Leitlinie Tränenersatzmittel mit guter Gleitwirkung, hoher Wasserbindungskapazität und Stabilisierung des Tränenfilms, die das Sehvermögen nicht beeinträchtigen, Mittel der Wahl (Tabelle S. 42). Das Apothekenpersonal sollte darauf hinweisen, dass die Anwendung drei- bis fünfmal täglich erfolgen sollte, wenn nicht anders verordnet. In der Selbstmedikation sollte der Einsatz befristet sein, da die Differenzialdiagnose durch den Arzt wichtig ist (Kasten).
© Berufsverband der Augenärzte (BVA)
Zunächst erfolgt die Anamnese mit speziellen Fragebögen (Berufsverband der Augenärzte, Ressort »Trockenes Auge«). Es folgen die Untersuchung der Gesichtshaut, der Lider, der Lidkante und der Lidschlagfrequenz sowie mit Spaltlampe die Untersuchung von Lidkante, Meibomschen Drüsen, Tränenfilm, Bindehaut und Hornhaut.
Die Stabilität des Tränenfilms wird mit der dreimaligen Messung der Tränenfilmaufreißzeit erfasst; sie schwankt individuell. Nach der Applikation eines Tropfens unkonservierten Fluoreszeins schließt der Patient die Lider, öffnet sie wieder und unterdrückt dann aktiv den Lidschlag. Mit dem Kobaltblaufilter der Spaltlampe wird die spontane Aufreißzeit des Fluoreszein-Films ermittelt. Normwerte liegen zwischen 10 und 20 Sekunden.
Bei jedem kompletten Lidschluss wird Meibum aus den Meibomdrüsen an die Oberfläche des Auges abgegeben. Durch gleichmäßigen Druck auf die Lidkante kann quantitativ und qualitativ das Sekret der Drüsen beurteilt werden. Mit der Meibographie werden die Meibomdrüsen genau visualisiert. Vitalfärbungen mit Fluoreszein und Lissamingrün dienen der Sichtbarmachung erkrankter Oberflächenstrukturen des Auges.
Der Schirmer-Test ohne Anästhesie ermittelt die Sekretionsleistung der Tränendrüse und ist zur Diagnostik des Sicca-Syndroms Mittel der Wahl. Er erfasst die basale und die reflektorische Sekretion wässriger Tränen. Nach Abtupfen des Tränensees wird ein Lackmus-Papierstreifen im äußeren Drittel des Unterlids eingesetzt. Nach fünf Minuten hat sich bei einem gesunden Auge das Lackmus durch die alkalische Tränenflüssigkeit über eine Strecke von ungefähr 15 mm blau verfärbt.
Eine Benetzung von mehr als 25 mm deutet auf evaporative Augentrockenheit hin. Geringere Benetzung (weniger als 5,5 mm) deutet auf trockene Augen aufgrund eines Tränenflüssigkeitsmangels hin.
Der Patient sollte verschiedene Tränenersatzmittel ausprobieren, um das individuell geeignete Produkt zu finden. Es gibt ein großes Angebot an Darreichungsformen (Tropfen, Gel, Salbe). Salben und Gele mit hoher Viskosität haften gut am Auge, beeinträchtigen aber durch leichte Schlierenbildung das Sehvermögen und sind bevorzugt nachts anzuwenden.
Bei leichteren Beschwerden lindern Augentropfen mit vielfältigen Inhaltsstoffen die Beschwerden. Hyaluronsäure ähnelt in seiner Struktur dem Mucin des Tränenfilms. Es wirkt wundheilungsfördernd und antioxidativ und hat eine hohe Wasserbindungskapazität. Die Präparate sind schwer vergleichbar, da Viskosität und Fließverhalten mehr durch die Kettenlänge als durch die Konzentration der Hyaluronsäure bestimmt werden.
Auch fehlende Lipide können ergänzt werden. Zubereitungen enthalten mittelkettige Triglyceride, Omega-3-Fettsäuren oder Phospholipide. Sie werden auch als Spray auf die geschlossenen Augen gesprüht oder in Kombination mit Befeuchtungsmitteln eingesetzt. Die antientzündliche Komponente von Tetracyclinen (Doxycyclin, Minocyclin) verbessert in niedriger Dosierung oral Tränenfilm und Symptomatik des trockenen Auges, vor allem bei Akne, Rosacea oder Meibomdrüsen-Fehlfunktion.
Verstopfen die Ausgänge der Meibomdrüsen, sinkt der Lipidanteil der Tränen. Regelmäßige Lidrandpflege mit warmen Kompressen (10 bis 15 Minuten) und anschließendem Ausstreichen mittels Wattestäbchen lindern die Symptomatik.
Arzneistoff | Viskosität | weitere Eigenschaften |
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Stadium 1: Tränenersatzmittel | ||
Polyvinylalkohole, Povidon | niedrig viskös | hohes Wasserbindungsvermögen |
Cellulosederivate wie Carmellose und Hypromellose | höhere Viskosität | längere Verweildauer |
Carbomer-Präparate | sehr hohe Viskosität | Mucin-ähnlich, verbesserte Tränenfilmstabilität |
Hyaluronsäure | Viskosität richtet sich nach Kettenlänge | hohes Wasserbindungsvermögen, Mucin-ähnlich, antioxidativ, wundheilungsfördernd, gut haftend |
Liposomen mit Triglyceriden, Phospholipiden, Sojalecithin | geringe Viskosität | Verstärkung der Lipidschicht, verringerte Verdunstung |
Stadium 2: Immunmodulatoren | ||
Ciclosporin, Corticoide, Lifitegrast | geringe Viskosität | entzündungshemmend, immunmodulierend |
Stadium 3: Serumaugentropfen | ||
autologes Serum aus dem eigenen Blut | geringe Viskosität | schmerzstillend, verbesserte Tränensekretion |
Stadium 4: systemische Tränenstimulation | ||
Pilocarpin (3–4 × 5 mg)Bromhexin (3 × 16 mg) | verbesserte Tränensekretion |