Komplexe Therapie bessert die Prognose |
Das CCS hat gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie »Chronische KHK« von 2019 (7) eine Lebenszeitprävalenz von 9,3 Prozent bei den 40- bis 79-Jährigen und zählt damit zu den Volkskrankheiten. Die Lebenszeitprävalenz gibt die Wahrscheinlichkeit an, einmal im Leben die jeweilige Krankheit zu erleiden.
Erfreulicherweise ist die Zahl der Todesfälle durch die chronische Herzkrankheit (ohne Zählung der Herzinfarkte) von etwa 93.000 im Jahr 2003 auf etwa 73.000 Fälle im Jahr 2013 gesunken (51 Prozent Frauen, 49 Prozent Männer).
Je besser die ursächlichen Faktoren verstanden werden und je präziser die Diagnostik ist, desto eher kann ein Rückgang der Prävalenz erreicht werden. Daher wird in der aktualisierten Leitlinie zum CCS ein Schwerpunkt auf die diagnostischen Verfahren und die sogenannte Vortestwahrscheinlichkeit gelegt, die um die klinische Wahrscheinlichkeit ergänzt wurde.
Das CCS kann sich sehr heterogen darstellen, was die Diagnostik erschwert. Die sogenannte Vortestwahrscheinlichkeit (VTW) einer KHK unterstützt die Diagnose. Die Wahrscheinlichkeit einer KHK wird anhand von Alter, Geschlecht und Art der Symptome abgeschätzt. Aus der VTW, der Basisdiagnostik sowie einer sorgfältigen Anamnese und Bewertung der patientenindividuellen Risikofaktoren kann der Arzt dann die »klinische Wahrscheinlichkeit einer KHK« ermitteln (Kasten). Damit wird unnötige Diagnostik vermieden, was die Kosten senkt, aber auch die Risiken einer invasiven Diagnostik.
Eine 50- bis 59-jährige Frau hat die typischen Symptome einer Angina pectoris, aber die klinische Untersuchung und Basisdiagnostik beim Arzt lassen keinen Rückschluss auf ein akutes Koronarsyndrom zu. Gemäß Leitlinie hat diese Patientin eine Vortestwahrscheinlichkeit von 13 Prozent, was als niedriges Risiko (5 bis 15 Prozent VTW) klassifiziert wird. Der Arzt hat keine weiteren CCS-verstärkenden Risiken wie Diabetes oder Rauchen bei der Anamnese gefunden. Das bedeutet konkret, dass die Patientin auch nur eine sehr geringe klinische Wahrscheinlichkeit einer KHK hat. Damit ist keine sofortige weitergehende Diagnostik nötig; die Patientin wird »nur« weiter beobachtet und optimal medikamentös (symptomorientiert) therapiert.
Angenommen, die Patientin wäre 80 Jahre alt und hätte einen Diabetes Typ 2 mit einer Dyslipidämie, so läge die VTW bei 27 Prozent. Mit dem Diabetes Typ 2 und der Dyslipidämie liegen zwei Risikofaktoren vor, die die klinische Wahrscheinlichkeit für eine KHK deutlich erhöhen. In diesem Fall sollten weitere diagnostische Tests, zum Beispiel ein Koronar-Computertomogramm, erfolgen und sofort eine geeignete Therapie auf Grundlage der Symptomatik angesetzt werden.
Für die Apotheke ist hilfreich zu wissen, nach welcher Rationale der Arzt eine intensive, zum Teil auch invasive Diagnostik beginnt und in welchen Fällen nicht.
Die Zahlenwerte der Vortestwahrscheinlichkeit bei Frauen wurden in der neuen Leitlinie nach unten angepasst. Das klinische Symptom Dyspnoe (Luftnot) wurde neu in die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung aufgenommen und als Symptom einer hochgradigen Koronarstenose gewichtet.
In der Leitlinie sind die einzelnen diagnostischen Schritte sehr detailliert beschrieben. Jede Kombination mit anderen Grunderkrankungen erfordert eine individuelle Auswahl der nicht invasiven und invasiven Diagnoseverfahren.