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Wurzeldrogen

Klassiker und Exoten

Einige Wurzel- und Rhizom-Drogen wie Baldrian oder Ingwer sind pharmazeutische Klassiker und als solche gut untersucht. Doch immer wieder werden auch Exoten beworben – etwa Maca als Potenzmittel oder Yacón als Superfood. Wie steht es hier um die Evidenz?
AutorKontaktRobert Fürst
AutorKontaktIlse Zündorf
Datum 20.08.2023  08:00 Uhr

Baldrianwurzel bei Schlafstörungen

Auch der Baldrian, Valeriana officinalis L. (Caprifoliaceae), hat eine lange Tradition als Arzneipflanze– der medizinische Einsatz dieses mehrjährigen Krauts kann bis in die Antike zurückverfolgt werden. Heimisch ist Baldrian in Europa und Asien, nach Nordamerika wurde er eingeschleppt. Die Droge Baldrianwurzel enthält ätherisches Öl, das vor allem aus Monoterpenen und Sesquiterpenen besteht, charakteristische Sesquiterpensäuren wie die Valerensäure, Iridoide und auch Flavonoide kommen ebenfalls vor. Nach der Ernte und Trocknung entwickelt die Baldrianwurzel einen intensiven, charakteristischen Geruch, der auf die Abspaltung der Isovaleriansäure aus den Valepotriaten, zum Beispiel Valtrat und Isovaltrat, zurückgeht. Valepotriate sind instabile Iridoid-Verbindungen und in Zubereitungen aus Baldrianwurzel kaum oder nicht mehr enthalten. Die genaue Zusammensetzung der Inhaltsstoffe hängt stark von der Herkunft, der verwendeten Unterart und dem Klima ab, dem Baldrian ausgesetzt ist.

Tierversuche zeigen, dass die Inhaltsstoffe des Baldrians sedative und anxiolytische Effekte hervorrufen können. Die zahlreichen In-vitro-Befunde zu Extrakten und Einzelstoffen ergeben kein klares Bild, weder zum Wirkmechanismus noch zur Frage nach den entscheidenden Inhaltsstoffen. Diskutiert wird unter anderem eine Interaktion mit GABAA-, A1- und 5-HT5A-Rezeptoren. Auch die durchgeführten klinischen Studien ergeben nur ein verschwommenes Bild: Es gibt dutzende, allerdings meist kleinere Studien, die von sehr unterschiedlicher Qualität sind und mit verschiedenen Extrakttypen durchgeführt wurden. Insgesamt weisen sie nicht auf starke Wirkeffekte hin. Erschwerend hinzu kommt, dass es große interindividuelle Unterschiede in der Pharmakokinetik der Baldrianinhaltsstoffe zu geben scheint – zumindest wurde dieser Effekt für die Valerensäure in einer klinischen Studie an postmenopausalen Frauen beobachtet.

Trotzdem hat der HMPC den WEU-Status für Baldrianwurzel vergeben: Zur Linderung leichter nervöser Anspannung und von Schlafstörungen ist ein Trockenextrakt mit dem Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) 3–7,4:1 und dem Auszugsmittel Ethanol (40 bis 70 Prozent) vorgesehen. Der Einsatz ist auf Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren beschränkt. Die Dosierung unterscheidet sich je nach Indikation, geht aber immer von einer Einzeldosis im Bereich von 400 bis 600 mg aus: Zur Behandlung nervöser Spannungszustände ist bis zu dreimal am Tag eine Einzeldosis indiziert. Gegen Schlafstörungen wird eine Einzeldosis eine halbe bis ganze Stunde vor dem Zubettgehen empfohlen, falls nötig kann früher am Abend eine zusätzliche Einzeldosis eingenommen werden. Entscheidend für die Beratung in der Apotheke ist der Hinweis, dass die Wirkung des Extrakts nur allmählich eintritt, also keine akuten Effekte zu erwarten sind. Für einen optimalen Behandlungseffekt ist eine kontinuierliche Einnahme über zwei bis vier Wochen nötig.

Als Nebenwirkungen können Magen-Darm-Beschwerden auftreten; die Häufigkeit ist unklar. Der HMPC erwähnt zudem, dass Baldrian die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen könnte.

Die nach teilweiser Aktualisierung nach wie vor gültige S3-Leitlinie »Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen« der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) aus dem Jahr 2017 kommt zu einem anderen Schluss: Für Baldrian kann demnach »aufgrund der unzureichenden Datenlage keine Empfehlung zum Einsatz in der Insomniebehandlung gegeben werden«. Besser beurteilt wird Baldrian zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen in der S1-Leitlinie »Nichtorganische Schlafstörungen« der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) aus dem Jahr 2018 (in Überarbeitung, gültig bis 30.6.2023). Dort heißt es: »Phytopharmaka (zum Beispiel Baldrian) eignen sich zur Unterstützung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen.«

Erwähnenswert ist außerdem, dass Baldrian laut der Priscus-Liste 2.0 als Alternative zu Arzneistoffen genutzt werden kann, die als potenziell inadäquate Medikation im Alter aufgeführt werden: Chloralhydrat, Doxylamin, kurz und mittellang wirksame Benzodiazepine, Promethazin, Zolpidem und Zopiclon.

Übrigens gibt es für Baldrianwurzel auch die Verwendung nach TU zur Linderung leichter Symptome von psychischem Stress und zur Unterstützung des Schlafs für Personen ab zwölf Jahren. TU-Präparate sind neben bestimmten Trockenextrakten vor allem die zerkleinerte Droge zur Teezubereitung, Tinkturen und Badezusätze.

Drogenbezeichnung deutsch/latein Stammpflanze (Familie) Indikation
Angelikawurzel/Angelicae archangelicae radix Angelica archangelica L. (Apiaceae) ESCOP: dyspeptische Beschwerden wie leichte Bauchkrämpfe, verzögerte Verdauung, Blähungen und Völlegefühl,
Appetitlosigkeit, Anorexie,
Bronchitis
Baldrianwurzel/Valerianae radix Valeriana officinalis L. s.l. (Caprifoliaceae) HMPC: leichte nervöse Anspannung, Schlafstörungen (WEU)
Blasser-Sonnenhut- Wurzel/Echinaceae pallidae radix Echinacea pallida (Nutt.) Nutt. (Asteraceae) HMPC: Linderung der Symptome von Erkältungskrankheiten
Schmalblättriger-Sonnenhut-Wurzel/Echinaceae angustifoliae radix Echinacea angustifolia DC (Asteraceae) HMPC: unterstützende Behandlung von Erkältungskrankheiten
Purpursonnenhut-Wurzel/Echinaceae purpureae radix Echinacea purpurea (L.) Moench (Asteraceae) HMPC: Linderung der Symptome von Erkältungskrankheiten, Linderung von Ausschlag und Pickeln bei leichter Akne
Cimicifugawurzelstock/Cimicifugae rhizoma Cimicifuga racemosa (L.) Nutt. (Ranunculaceae) HMPC: Linderung von Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen (WEU)
Brennnesselwurzel/Urticae radix Urtica dioica L., Urtica urens L. (Urticaceae) HMPC: Linderung von Beschwerden der unteren Harnwege im Zusammenhang mit einer gutartigen Prostatahyperplasie
Eibischwurzel/Althaeae radix Althaea officinalis L. (Malvaceae) HMPC: Schleimstoffe zur symptomatischen Behandlung von Reizungen der Mundhöhle oder des Rachens und des damit verbundenen trockenen Hustens. Schleimstoffe zur symptomatischen Linderung von leichten Magen-Darm-Beschwerden
Enzianwurzel/Gentianae radix Gentiana lutea L. (Gentianaceae) HMPC: vorübergehende Appetitlosigkeit, leichte dyspeptische/gastrointestinale Störungen
Ginsengwurzel/Ginseng radix Panax ginseng C.A.Mey. (Araliaceae) HMPC: Asthenie-Symptome wie Müdigkeit und Schwäche
Hauhechelwurzel/Ononidis radix Ononis spinosa L. (Fabaceae) HMPC: leichte Harnwegsbeschwerden, zur Erhöhung der Urinmenge
Ingwerwurzelstock/Zingiberis rhizoma Zingiber officinale Roscoe (Zingiberaceae) HMPC: Übelkeit und Erbrechen bei Reisekrankheit (WEU)
Javanische Gelbwurz/Curcumae zanthorrhizae rhizoma Curcuma zanthorrhiza Roxb. (Zingiberaceae) HMPC: Linderung von Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, langsame Verdauung und Blähungen
Curcumawurzelstock/Curcuma longae rhizoma Curcuma longa L. (Zingiberaceae) HMPC: Linderung von Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, langsame Verdauung und Blähungen
Kanadische Gelbwurz/Hydrastis rhizoma Hydrastis canadensis L. (Ranunculaceae) ESCOP: Verdauungsstörungen wie dyspeptische Beschwerden und Magenschleimhautentzündungen, unterstützend bei Menorrhagie und Dysmenorrhö
Liebstöckelwurzel/Levistici radix Levisticum officinale Koch (Apiaceae) HMPC: zur Erhöhung der Urinmenge, um eine Durchspülung der Harnwege als Adjuvanz bei leichten Harnwegsbeschwerden zu erreichen
Löwenzahnwurzel/Taraxaci officinalis radix Taraxacum officinale F.H. Wigg. (Asteraceae) HMPC: zur Erhöhung der Urinmenge, um eine Durchspülung der Harnwege als Adjuvanz bei leichten Harnwegsbeschwerden zu erreichen
Mäusedornwurzelstock/Rusci rhizoma Ruscus aculeatus L. (Asparagaceae) HMPC: Beschwerden und Schweregefühl in den Beinen, bei leichten venösen Durchblutungsstörungen,
symptomatische Linderung von Juckreiz und Brennen im Zusammenhang mit Hämorrhoiden
Pelargoniumwurzel/Pelargonii radix Pelargonium sidoides DC, Pelargonium reniforme Curt. HMPC: symptomatische Behandlung von Erkältungen
Primelwurzel/Primulae radix Primula veris L., Primula elatior (L.) Hill (Primulaceae) HMPC: schleimlösend bei Husten in Verbindung mit einer Erkältung
Queckenwurzelstock/Graminis rhizoma Agropyron repens (L.) P.Beauv. (Elymus repens (L.) Gould) (Poaceae) HMPC: zur Erhöhung der Urinmenge, um eine Durchspülung der Harnwege als Adjuvanz bei leichten Harnwegsbeschwerden zu erreichen
Ratanhiawurzel/ Ratanhiae radix Krameria triandra Ruiz et Pav. (Krameriaceae) ESCOP: leichte Entzündungen im Mund und Rachen
Rhabarberwurzel/Rhei radix Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon (Polygonaceae) HMPC: kurzzeitige Anwendung bei gelegentlicher Verstopfung (WEU)
Senegawurzel/Polygalae radix Polygala senega L., Polygala tenuifolia Willd. (Polygalaceae) ESCOP: produktiver Husten, Katarrhe der oberen Luftwege, chronische Bronchitis
Süßholzwurzel/Liquiritiae radix Glycyrrhiza glabra L., Gycyrrhiza inflata Bat., Glycyrrhiza uralensis Fisch. (Fabaceae) HMPC: Linderung von Verdauungssymptomen, einschließlich Sodbrennen und Dyspepsie,
schleimlösend bei erkältungsbedingtem Husten in Verbindung mit Erkältung
Taigawurzel/Eleutherococci radix Eleutherococcus senticosus (Rupr. et Maxim.) Maxim. (Araliaceae) HMPC: gegen Symptome der Asthenie wie Müdigkeit und Schwäche
Teufelskrallenwurzel/Harpagophyti radix Harpagophytum procumbens DC., Harpagophytum zeyheri Decne. (Pedaliaceae) HMPC: Linderung leichter Gelenkschmerzen sowie Linderung leichter Verdauungsstörungen wie Blähungen und Flatulenz sowie vorübergehende Appetitlosigkeit
Tormentillwurzelstock/Tormentillae rhizoma Potentilla erecta (L.) Raeusch. (Rosaceae) HMPC: zur symptomatischen Behandlung von leichter Diarrhö und von leichten Entzündungen der Mundschleimhaut
Tabelle: Ausgewählte Radix- und Rhizom-Drogen aus dem Europäischen Arzneibuch (ESCOP: European Scientific Cooperative on Phytotherapy, HMPC: Committee on Herbal Medicinal Products)
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