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Neue Leitlinie

Kinderärzte warnen vor Melatonin als Einschlafhilfe

Bunte Gummibärchen mit Melatonin sollen Kindern einen schnellen Schlaf ermöglichen – und Eltern einen stressfreien Abend. Auf Social Media ist das Nahrungsergänzungsmittel ein Trend. Kinderärzte halten das für riskant. Dazu wird nun eine neue Leitlinie vorgestellt.
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AutorKontaktPZ
Datum 06.12.2023  11:30 Uhr

Heimlich mischt die Frau in einem TikTok-Video Melatonin-Gummibärchen in eine Tüte mit Süßigkeiten und reicht sie ihrem Kind. Schnitt, nächste Sequenz: Das Kind liegt in seinem Bett und schläft tief und fest. Videos wie diese gibt es in den Sozialen Medien zuhauf. Mit Titeln wie «Wie du dein Kind in unter 5 Minuten zum Schlafen bringst» bewerben Eltern Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin als absolutes Wundermittel für Kinder, die einfach nicht einschlafen wollen. Das sehen Kinderärzte kritisch. Beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (DGSM), der zwischen dem 7. und 9. Dezember in Berlin stattfindet, wollen er und seine Kolleginnen und Kollegen eine medizinische Leitlinie zum Einsatz von Melatonin bei Kindern und Jugendlichen mit Schlafstörungen vorstellen.

Tatsächlich spielt Melatonin beim Einschlafen eine wesentliche Rolle. Das natürliche Hormon wird in der Zirbeldrüse im menschlichen Gehirn produziert und wird aktiviert, wenn es dunkel wird. «Vitamin D kennen alle, das ist das Hormon des Tages», erklärt Kinderarzt Ekkehart Paditz, der Mitglied der DGSM ist. «Melatonin ist der Gegenspieler, das ist das Hormon der Nacht.»

Im Internet und in Drogerien finden sich mittlerweile zahlreiche frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin, die meisten für Erwachsene. Sie versprechen schnelles Einschlafen und das Ende von Schlafstörungen. Es gibt sie in Form von Tabletten, Sprays, Tees, Tropfen und Gummibärchen.

Beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden seit 2011 mehr als 700 Melatonin-haltige Erzeugnisse angezeigt, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Das bedeute aber nicht, dass jedes der Produkte auch auf den Markt gebracht worden sei.

Wenig über Melatonin-Stoffwechsel bei Säuglingen bekannt

Kinderarzt Paditz rät davon ab, den eigenen Kindern ohne Absprache mit einem Arzt eines dieser Produkte zu geben. Bislang wisse man noch zu wenig über die Abbauwege von Melatonin bei Säuglingen und kleinen Kindern, sagt der Arzt. Sicher sei, dass der Melatonin-Stoffwechsel bei ihnen langsamer laufe. Außerdem gebe es bei den in Studien geprüften Nahrungsergänzungsmitteln erhebliche Konzentrationsschwankungen. «Es wäre fatal, wenn Eltern Geld für irgendwelche Tütchen ausgeben, die nicht über den Rezeptblock des Arztes oder über die Apotheke kommen.»

In den USA gab es Paditz zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Todesfälle von Kleinkindern, die im zeitlichen Zusammenhang mit stark erhöhten Melatonin-Werten standen. In einer US-Studie im Journal of Analytical Toxicology berichten Forschende im Mai 2022 unter anderem von einem Fall, in dem Eltern ihrem drei Monate alten Kind regelmäßig zwischen acht und zehn Dosen eines hoch dosierten Melatonin-Produkts pro Tag gaben. Ob eine Überdosis des Hormons zum Tod des Kindes führte, konnte nicht endgültig geklärt werden.

Paditz zufolge sollte die Dosis generell so gering wie möglich sein. Je nach Alter empfiehlt er, vor dem Zubettgehen zwischen 0,25 und 0,5 Milligramm des Melatonin-Medikaments einzunehmen. Die Gummibärchen mit Melatonin enthalten den Angaben der Hersteller zufolge zum Teil zwischen 0,5 und 1 Milligramm Melatonin pro Fruchtgummi.

Melatonin für Kinder besser nur auf Rezept

Wenn Kinder unter ernstzunehmenden Schlafstörungen litten, sollten Eltern sich nicht auf frei käufliche Mittel verlassen, meint Paditz. «Eltern gehen damit ein ziemliches Risiko ein, dass möglicherweise schwerwiegende Krankheiten übersehen werden.» Falls es indiziert ist, kann der Kinderarzt Melatonin per Rezept verschreiben. Seit 2020 gibt es in Deutschland mit Slenyto® von Infectopharm ein entsprechendes Medikament für Kinder ab zwei Jahren. «Ein zugelassenes Medikament, das über die Apotheke ausgereicht wird, bietet natürlich eine viel höhere Sicherheit», sagt Paditz.

Von der Krankenkasse werden die Kosten für das Präparat nur in zwei bestimmten Fällen übernommen. Das trifft zum einen auf Kinder mit einer Autismus-Spektrums-Störung zu, bei denen laut Paditz zwischen 20 bis 40 Prozent unter Schlafstörungen leiden. Zum anderen werden die Kosten bei Minderjährigen mit dem Smith-Magenis-Syndrom, einer seltenen Erkrankung, bei der der Tag-Nacht-Rhythmus gestört ist, übernommen.

Kinderärzte empfehlen Einschlafroutinen

Das Medikament kommt in der Praxis nur selten zum Einsatz, sagt Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen. «Behandlungsbedürftige Schlafstörungen kommen vor allem bei schwer chronisch kranken Kindern mit geistiger Behinderung vor, die in einem jungen jugendlichen Alter Einschlafschwierigkeiten haben», sagt der Kinderarzt. Er warne davor, Melatonin unkritisch einzusetzen. Vielmehr sei wichtig, bei einem Arztbesuch herauszufinden, welche Ursache die Schlafstörung haben könne.

«Wir sehen immer wieder, dass Kinder und Jugendliche Einschlafprobleme haben, weil sie eine exzessive Handynutzung haben oder Filme vor dem Einschlafen schauen», sagt Maske. «Meistens erledigen sich die Probleme, wenn die Eltern sich an die Tipps für die Einführung einer Schlafhygiene halten.» Dazu gehört laut Paditz, Routinen zu entwickeln und vor dem Schlafen zur Ruhe zu kommen. Schließlich spielten auch Stress, Sorgen und Ängste eine Rolle beim Einschlafen.

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