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Gematik

Kassen empört über BMG-Pläne

Die Kassen sind sauer über die geplante Machtübernahme der Politik in der für den Aufbau einer Datenautobahn zuständigen Gesellschaft (Gematik). Um die Vernetzung im Gesundheitswesen voranzutreiben, will das Bundesgesundheitsministerium die Entscheidungsgewalt an sich nehmen.
Ev Tebroke
01.02.2019  15:56 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will künftig 51 Prozent der Gesellschafteranteile in der Gematik übernehmen. Das geht aus einem Änderungsantrag zum geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hervor. Damit will die Koalition beim Thema E-Health Tempo machen und den Einsatz von elektronischer Gesundheitskarte (EGK) und -Patientenakte (EPA) vorantreiben. Für den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Entmachtung der Selbstverwaltung ein Affront.

»Hier werden Kompetenzen, Zuständigkeiten und Finanzierung zwischen staatlichen Institutionen und der gemeinsamen Selbstverwaltung vermischt, was zu Intransparenz und unklaren Verantwortlichkeiten führt«, so der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz. Durch die angestrebte Position als Mehrheitsgesellschafter schaffe sich das BMG faktisch eine nachgeordnete Behörde, die dann aber durch die Beitragsgelder der Versicherten finanziert würde. »Das lehnen wir ab.«

Die Politik wirft der Gematik vor, Entscheidungen und somit Fortschritte bei der Digitalisierung unnötig zu verschleppen. Beim Thema EPA will Spahn dem Bund daher mehr Kompetenzen einräumen, die Entwicklung zu steuern. »Dieses Zukunftsprojekt darf nicht zum Berliner Flughafen des Gesundheitswesens werden«, so Spahn auf Twitter.

Entsscheidung per einfacher Mehrheit

Die Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) wurde bereits 2005 von den Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens mit dem Ziel gegründet, die EGK einzuführen und die dafür notwendige Telematik-Infrastruktur. Doch auch mehr als 13 Jahre danach kann die Chipkarte bislang nicht mehr als der herkömmliche Versichertenausweis. Zurzeit hält die GKV 50 Prozent der Gesellschafteranteile und die Spitzenverbände der Leistungserbringer, sprich Krankenhäuser, Ärzte, Apotheker die anderen 50 Prozent. Für Entscheidungen ist eine Mehrheit von 67 Prozent erforderlich. Spahn will laut Antrag nun per einfacher Mehrheit Entscheidungen möglich machen. Grundsätzlich hätte damit das BMG das Sagen.

Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands liegt die Schuld für die Verzögerungen längst nicht mehr bei der Gematik, sondern aufseiten der Industrie, die mit der Produktion und Anbindung der Konnektoren nicht hinterher komme. Diese Geräte sind notwendig für Ärzte, Apotheker und andere Leistungserbringer, um Zugang zum Gesundheitsdatennetz zu erlangen.

»Seit der Neuausrichtung des Projekts im Jahr 2010 mit Schlichter und Beschlussgremien auf Fachebene sind fehlende Entscheidungen, anders als in den Anfangsjahren, nicht mehr das Problem. Alle vorgegebenen Fristen wurden gehalten«, so der Sprecher. Die Industrie habe bereits 2013 den Auftrag für die Konnektoren erhalten. Lanz zeigt sich skeptisch, dass die Industrie nach einer »Übernahme der Gematik durch das BMG« schneller arbeitet.

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