Rechnungshof fordert mehr Tempo |
Die elektronische Gesundheitskarte hat bislang keinen konkreten Mehrwert für Leistungserbringer und Versicherte. / Foto: Fotolia/everythingpossible
Auch 15 Jahre nach Beginn des Projekts einer gemeinsamen Datenautobahn sei nur ein Teil der Praxen angeschlossen, heißt es in einem Bericht der Behörde für den Bundestag, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Die elektronische Gesundheitskarte habe bislang »keinen konkreten Mehrwert für Leistungserbringer und Versicherte, da Online-Anwendungen noch nicht etabliert sind«.
Der Rechnungshof empfiehlt, die »Allzuständigkeit« der mit dem Datennetz-Aufbau beauftragten Gematik-Gesellschaft zu durchbrechen, die von den Akteuren des Gesundheitswesens getragen wird. Dabei führten »gegensätzliche Interessen« immer wieder zu Verzögerungen. Allein bis 2017 habe die Gematik aber Kosten von 606 Millionen Euro verursacht. Daher solle das Bundesgesundheitsministerium (BMG) selbst»richtungsweisende Entscheidungen« treffen oder von einer seiner Organisationen treffen lassen.
Träger der Gematik sind die Verbände von gesetzlichen Krankenkassen, Ärzten, Apotheken und Krankenhäusern. Nach jahrelangem Gezerre will auch die Regierung mehr Tempo machen. Laut Koalitionsvertrag sollen bis 2021 elektronische Patientenakten kommen, die Versicherte freiwillig nutzen können – auch am Smartphone. Die geplante Anbindung aller Praxen an die Datenautobahn »Telematikinfrastruktur« verzögert sich aber, auch wegen fehlender Geräte. Der Rechnungshof mahnte, das BMG müsse dies »enger und umfassender als bisher begleiten«. Da die Anbieter die Geräte derzeit in eigener Verantwortung entwickelten, bleibe es »grundsätzlich offen, ob und wann diese geliefert werden«.
Für die elektronischen Patientenakten hatten sich Ärzte und Kassen im Herbst 2018 auf eine grundsätzliche Struktur verständigt. Dafür sind drei Bereiche vorgesehen: einer mit medizinischen Daten der Ärzte, einer mit Versicherten-Informationen der Kassen und einer, in den Patienten selbst Daten einspeisen können. Das soll helfen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und Klarheit über parallel eingenommene Medikamente zu schaffen. Der Rechnungshof wertete die Verständigung als »einen – wenn auch späten – Schritt in die richtige Richtung«.
Das Ministerium habe aber weiterhin keinen Einfluss auf Inhalte und die Umsetzung. Auch Patientenschützer sehen die Politik am Zug. Der Rechnungshof schreibe es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ins Stammbuch, jetzt Verantwortung zu übernehmen, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. »Es braucht ein Bundesamt für Digitalisierung im Gesundheitswesen.« Damit würde das kostspielige Hickhack der Spitzenorganisationen der Krankenkassen, Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker endlich beendet. »Denn die Zeche zahlen die Versicherten und haben bisher nichts davon.«