Ist das Mikrobiom optimierbar? |
Der Mensch beherbergt Billionen von Mikroorganismen. / Foto: AdobeStock/Anna Schlosser (KI-generiert)
Eine fehlerhafte Hochrechnung der Bakterienzahl pro Gramm Stuhl führte zu der Annahme, die Darmmikroben würden zusammen zwischen 1,5 bis 2 Kilogramm wiegen. Doch nach heutigen Erkenntnissen sind in einem Gramm nicht 1012, sondern 1010 bis 1011 Bakterien enthalten, sodass die mikrobielle Masse vermutlich nicht mehr als 500 Gramm beträgt.
Insgesamt leben etwa 39 Billionen Mikroorganismen in und auf dem menschlichen Organismus, womit sie ähnlich stark vertreten sind wie die 30 Billionen Körperzellen.
Der für den Menschen wohl wichtigste Dienst der Mikrobiota ist ihr Beitrag zur Immunität. Dieser beruht darauf, dass »gute« Bakterien die Lebensräume auf den Epithelien besetzen, krankmachende Eindringlinge unterdrücken und ihre Ansiedlung verhindern (Kolonisierungsresistenz). Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Bakterien wird zudem das Immunsystem trainiert.
Weitere Aufgaben der Mikroorganismen im Darm sind die Zerlegung ansonsten unverdaulicher Nahrungsbestandteile wie den Zellwandkomponenten von Obst, Gemüse oder Vollkorn sowie die Entgiftung und die Synthese von Nährstoffen, zum Beispiel Vitamin B12, Biotin und Folsäure.
Mit ihrem Wirt kommunizieren die Mikroben auf vielfältige Weise und beeinflussen dessen Essverhalten und Energiestoffwechsel. Etwa die Hälfte der Stoffwechselprodukte im menschlichen Blut stammen direkt oder indirekt von Darmbakterien ab und erreichen dadurch stoffwechselrelevante Organe und Gewebe wie Pankreas, Muskulatur und Fettgewebe.
Den Energiehaushalt beeinflussen sie nicht nur durch Biochemie, sondern auch über die Kommunikation mit dem Gehirn. Dies geschieht über lösliche Botenstoffe sowie neuronale Signale über Darm und Vagusnerv (Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse). Ihre Nahrungspräferenz zum Beispiel teilen sie dem Gehirn durch Freisetzen von Neurotransmittern wie Serotonin mit.
Das Mikrobiom eines jeden Menschen ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Es ist sogar möglich, einen Menschen nur anhand der Zusammensetzung seiner Mikroorganismen zu identifizieren. Im Unterschied zum Fingerabdruck bleibt das menschliche Mikrobiom aber nicht immer gleich.
Verglichen mit anderen Individuen ist es zwar relativ stabil, aber dennoch kein statisches Gebilde. Die Zusammensetzung hängt vom circadianen sowie saisonalen Rhythmus und von äußeren sowie inneren Einflussfaktoren ab. Hierzu zählen Ernährung, Sport, Erkrankungen und Medikamente. Darüber hinaus beeinflussen Geburtsmodus, genomische Prägung, Alter, Geschlecht und Herkunft die Lebensgemeinschaft.
All dies führt zu einer großen Mikrobiomvielfalt gesunder Menschen. »Das eine« gesunde Mikrobiom gibt es dabei nicht. Aufgrund der vielen Wechselwirkungen zwischen Mikroben, Wirt und Lebensbedingungen ist es sogar möglich, dass ein gesundes Mikrobiom in einer anderen Umgebung nicht gesund wäre.
Einige Charakteristika für ein gesundes Mikrobiom sind allerdings verallgemeinerbar. Dazu gehört eine große Diversität im Magen-Darm-Trakt sowie die Dominanz bestimmter Taxa, unter anderem von Bacteroidetes und Firmicutes. Die mikrobielle Vielfalt wächst im Laufe des Lebens, kann jedoch auch wieder verloren gehen.
Günstig auf die mikrobielle Zusammensetzung wirken sich etwa eine gesunde Ernährung, der Verzicht auf Tabak, Alkohol und andere Drogen, körperliche Bewegung, ausreichend Schlaf sowie das Vermeiden von Stress aus. Ungünstig sind hingegen eine verringerte Ballaststoffzufuhr sowie ein erhöhter Konsum verarbeiteter Lebensmittel.
Bereits eine Störung der mikrobiellen Besiedlung im Säuglingsalter erhöht das Risiko für Allergien, Stoffwechselkrankheiten und Krebs. Später wird eine gestörte Darmökologie mit chronischen Entzündungen in Verbindung gebracht und ist vermutlich an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt.
So geht etwa Adipositas mit einer verminderten Diversität und einer Zunahme von Firmicutes-Arten (F) im Vergleich zur Bacteroidetes-Gruppe (B) einher. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer erhöhten F/B-Ratio gesprochen. Eine Verschiebung zugunsten der Firmicutes-Arten wird zudem bei Demenz, Reizdarmsyndrom, einigen Krebserkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 beobachtet.
Des Weiteren werden etwa Lebererkrankungen, Allergien und Asthma, Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Typ-1-Diabetes sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck mit Veränderungen des Mikrobioms in Verbindung gebracht.
Eine Dysbiose erhöht darüber hinaus das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose. Wegen der erhöhten Permeabilität der Darmbarriere gelangen vermehrt Bakterien, Toxine sowie entzündungsfördernde Mediatoren ins Blut, die die Blut-Hirn-Schranke schädigen oder die Darm-Hirn-Kommunikation stören können.
Ein typisches Pathobiom gibt es allerdings nicht. Außer bei Infektionen mit Clostridioides difficile (CDI) und der damit verbundenen Antibiotikatherapie ist zudem nicht klar, ob tatsächlich eine kausale Beziehung oder nur eine Assoziation besteht.
Durch eine ungünstige Ernährungsweise mit industriell verarbeiteten Lebensmitteln, viel Fleisch, Zucker und ungesättigten Fettsäuren vermehren sich Bakteriengruppen im Darm, die die Aufnahme und Einlagerung von Fett unterstützen. Es gibt Behandlungsansätze, die darauf fokussieren, das intestinale Mikrobiom durch eine »darmfreundliche« Ernährung positiv zu beeinflussen (Kasten).
Der Probiotika-Markt ist groß, die Evidenz je nach Indikation jedoch begrenzt. / Foto: Getty Images/Olga Zarytska
Ebenso soll laut Studien eine Nahrungsergänzung mit Bifidobakterien und Laktobazillen günstige Effekte aufweisen: Insbesondere probiotische Drinks mit Lactobacillus gasseri konnten Körperfettgehalt, Body-Mass-Index und Hüftumfang reduzieren. Das Anreichern günstiger Bakterien verstärkt die Darmbarriere. Dies reduziert Entzündungen, die nachweislich an der Ausbildung von Adipositas beteiligt sind.
Neuere Daten deuten darauf hin, dass auch einige positive Effekte nach einem bariatrischen Eingriff auf Veränderungen im Darmmikrobiom zurückgehen.
Nahrungsmittel, die durch Enzyme oder Mikroorganismen haltbar gemacht wurden, können eine bestehende Darmflora verändern und damit auch den Stoffwechsel beeinflussen. Dazu gehören etwa Naturjoghurt, Kefir, Kombucha, Miso, Apfelessig sowie fermentierte Gemüsearten wie Sauerkraut oder Kimchi. Sie enthalten neben erwünschten Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien oder Hefen auch Substanzen, die durch die Fermentation entstanden sind. So zum Beispiel Lactat, das eine chemische Barriere bildet und so das Eindringen von Krankheitserregern verhindert.
Die Aufnahme von täglich 30 Gramm Ballaststoffen fördert das Wachstum und die Aktivität von Bifido- und Laktobakterien. Geeignet sind Obst mit wenig Fruchtzucker, Gemüse und Vollkornprodukte. Auch entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren aus Ölsaaten, zum Beispiel Lein- oder Hanfsamen, Nüssen und fettreichem Fisch fördern die Diversität des Mikrobioms. Langfristig stabile Veränderungen sind allerdings erst nach Monaten sichtbar.
Nach einer Antibiotikabehandlung tritt bei drei von zehn Personen eine Dysbiose auf, da die Medikamente neben den Krankheitserregern auch die Darmmikrobiota angreifen und die Darmbarriere beeinträchtigen. Dadurch können Antibiotika-resistente Pathogene eindringen und Durchfall verursachen. An 15 bis 20 Prozent der Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen ist C. difficile beteiligt, die vor allem bei älteren Patienten schwer verlaufen können.
Probiotika zur Vorbeugung solch einer CDI empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) derzeit jedoch nicht, da klinische Studien den Nutzen nicht zweifelsfrei belegen (Empfehlung offen). Insbesondere bei Personen mit Immunsuppression oder zentralvenösen Kathetern können sie schwerwiegende Nebenwirkungen wie systemische Infektionen hervorrufen.
Eine Therapieoption bei rezidivierender CDI stellt im Anschluss an eine Standardtherapie der fäkale Mikrobiomtransfer (Stuhl-, Fäkaltransplantation) dar, der dabei hilft, das Gleichgewicht der bakteriellen Zusammensetzung wiederherzustellen. Laut einem Cochrane Review aus dem Jahr 2023 wirken Stuhltransplantationen häufig besser als Antibiotikabehandlungen.
Dabei wird Stuhl oder aus dem Stuhl gewonnene Bakterien einer gesunden Person in den Gastrointestinaltrakt einer Person übertragen, deren Darmflora geschädigt ist. Der Wirkmecha-nismus und die therapeutischen Bestandteile sind noch nicht vollständig geklärt. In Deutschland unterliegt der fäkale Mikrobiomtransfer dem Arzneimittelgesetz und darf deshalb nur unter bestimmten Bedingungen im Rahmen individueller Heilversuche durchgeführt werden.
Infektionen mit Helicobacter pylori hingegen erhöhen das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken. Das Bakterium löst eine Fülle onkogener Prozesse aus, die unter anderem die Magenschleimhaut verändern und zur intestinalen Metaplasie – also der Umwandlung von Zellarten in andere – führen. Der Verlust von Becherzellen und der erhöhte pH-Wert verändern zudem das Mikrobiom im Magen in der Art, dass Laktobazillen, Enterokokken und Parvimonas vermehrt vorkommen.
Die Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie ist die einzige evidenzbasierte Mikrobiom-modulierende Therapie, um Magenkarzinomen vorzubeugen.
Auch bei der Entwicklung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) gilt das intestinale Mikrobiom als Schlüsselfaktor. Dabei scheinen die Diversität und das Zusammenspiel von Bakterien, die proinflammatorische Reaktionen auslösen, und solchen mit kontrainflammatorischen Eigenschaften eine Rolle zu spielen.
Bisher gibt es kaum eine etablierte Therapie mit Probiotika, nur der Escherichia-coli-Stamm Nissle ist für den Remissionserhalt bei leichter Colitis ulcerosa zugelassen. Des Weiteren könnte sich der fäkale Mikrobiomtransfer als Therapieoption etablieren: Für Colitis ulcerosa existieren mehrere randomisierte Studien und Metaanalysen, die die Stuhltransplantation als effektives und sicheres Verfahren ausweisen. Für eine langdauernde Veränderung sind allerdings mehrmalige Transfers notwendig.
Das Mikrobiom wird mit funktionellen und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung gebracht. / Foto: Getty Images/Antonio Hugo Photo
Laut der aktualisierten S3-Leitlinie »Reizdarmsyndrom« beruht auch diese Erkrankung auf einem veränderten Mikrobiom (vermehrt Firmicutes, Proteobacteria) sowie Metabolom (unter anderem vermehrt Acetat) und einer Störung der Darm-Hirn-Achse. Die Folgen sind etwa eine verringerte Darmbarrierefunktion, eine unterschwellige Entzündungsaktivität sowie eine Dysregulation des enterischen Nervensystems. Zudem werden die bakteriellen Nebenprodukte mit Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall in Verbindung gebracht.
Bis heute ist es nicht möglich, von der Zusammensetzung des Mikrobioms Therapien mit Prä-, Pro- oder Antibiotika abzuleiten. Zwar konnte für einige probiotische (Sub-)Spezies unter bestimmten Bedingungen eine Wirksamkeit gegenüber Placebo nachgewiesen werden, allerdings fehlen Studien zur Überprüfung der Reproduzierbarkeit.
Die derzeitige Empfehlung lautet daher, Probiotika (Bifidobakterien, Laktobazillen, Escherichia coli, Saccharomyces cerevisiae) probatorisch einzusetzen. Die einzelnen Probiotika wirken unterschiedlich, weswegen sich die Wahl des Stammes an den vorhandenen Beschwerden orientieren sollte. Keine Evidenz gibt es für Präbiotika und fäkalen Mikrobiomtransfer.
Auch die Leber bleibt vom Darmmikrobiom nicht unbeeinflusst: Die Kommunikation zwischen Darm und Leber erfolgt über Gallenwege, Pfortader und den systemischen Kreislauf (Darm-Leber-Achse). Eine Dysbiose kann zum Auftreten oder Fortschreiten chronischer Lebererkrankungen durch Verstoffwechselung von Gallensäure zu Oxo-Gallensäure-Zwischenprodukten beitragen. Diese erhöhen die Darmpermeabilität, sodass Bakterien die intestinale Wand überwinden und Endotoxine über die Pfortader zur Leber gelangen und diese schädigen können.
Des Weiteren konnten bei der alkoholassoziierten Lebererkrankung sowie bei der nicht alkoholischen Fettlebererkrankung vermehrt gramnegative Bakterien im Darm nachgewiesen werden. Ihre äußere Membran besteht hauptsächlich aus Lipopolysaccharid, das – wenn es aufgrund der gestörten Darmbarriere über die Pfortader zur Leber gelangt – dort das Immunsystem aktiviert. Die Folge sind Entzündungsprozesse und Gewebeveränderungen (Fibrose) in der Leber. Unklar ist, welche Bedeutung das veränderte Darmmikrobiom bei der Krankheitsentstehung hat.
Laut der S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) können Pro- und Synbiotika bei nicht alkoholischer Fettleber versucht werden, wenn diese sich in Studien bewährt haben. Hierzu zählen unter anderem Lactobacillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus. Bei Leberzirrhose werden Probiotika allerdings nicht empfohlen.
Ebenfalls Potenzial für therapeutische Ansätze birgt das orale Mikrobiom, das aufgrund seiner vielen Nischen wie den Zähnen oder dem Speichel sowie den damit verbundenen Gradienten wie Temperatur oder Sauerstoff zu einer der komplexesten Mikrobengemeinschaften des Menschen gehört. Es beeinflusst das Infektionsrisiko, den Blutdruck und kann über Metabolite sowie Stoffwechselwege zum Gluten-Abbau beziehungsweise zur Zöliakie-Vorbeugung beitragen. Im Labor sowie in der menschlichen Mundhöhle konnten Probiotika in Untersuchungen Kariesbakterien und Mundgeruch verursachende Anaerobier verdrängen. Allerdings ist die Wirkung nur oberflächlich und hält maximal wenige Tage an.
Des Weiteren kann ein Ungleichgewicht innerhalb des vaginalen Mikrobioms die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich mit sexuell übertragbaren Erkrankungen wie Herpes, Gonorrhö oder mit den potenziell krebserregenden humanen Papillomaviren (HPV) zu infizieren.
Eine Überbesiedlung der Haut mit Staphylococcus aureus wiederum ist typisch für atopische Dermatitis. Pflegeprodukte mit Zusätzen bestimmter Lactobacillus-Stämme verbessern Hautmikrobiom, Juckreiz und Ekzem.
Erforscht wird derzeit außerdem die Anwendung von topischen oder oralen Mikroorganismen zur Wundheilung.
Arzneimittel können auf unterschiedliche Weise die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen. Während etwa Antibiotika das Wachstum bestimmter Bakterienstämme beeinträchtigen, verändern Protonenpumpenhemmer durch Anheben des pH-Wertes im Magen die Lebensgemeinschaft. Dadurch gelangen Bakterienarten aus dem Mund-Rachen-Raum in den Darm, wo sie sich ansiedeln können. Häufig sind etwa Streptococcus anginosus und Lactobacillus salivrius (Firmicutes) zu finden.
Nicht nur können Arzneistoffe die Darmmikrobiota beeinflussen, sondern andersherum diese auch die Wirksamkeit von Medikamenten. Der Erforschung dieser Wechselbeziehung widmet sich die Pharmakomikrobiomik. / Foto: Getty Images/Dragon Claws
Neben TNF-Antikörpern, einigen Psychopharmaka, Vitamin D und Statinen ist auch Metformin ein weiters Beispiel. Wie Studien zeigen, verändert das Antidiabetikum innerhalb von vier Monaten die relative Häufigkeit von mehr als 80 Bakterienstämmen im Darm, insbesondere der Proteobacterien und Firmicutes. Beispielsweise trat unter der Einnahme vermehrt E. coli auf, welches verantwortlich für die typischen Metformin-Nebenwirkungen Durchfall, Blähungen und Übelkeit sein könnte.
Auf der anderen Seite wirkt sich das Mikrobiom auch auf eingenommene Arzneimittel aus. So wird etwa Digoxin durch Stämme des grampositiven anaeroben Bakteriums Eggerthella lenta inaktiviert. Eine Arginin-reiche Ernährung wirkt dem entgegen.
In der Tumortherapie wurde die TIMER-Hypothese aufgestellt, laut der Wirkstoffe durch Prozesse wie Translokation, Immunmodulation, Metabolismus, enzymatischen Abbau und eine reduzierte Diversität des Darmmikrobioms moduliert werden.
Ein Beispiel sind Checkpoint-Inhibitoren, auf deren Wirksamkeit sich eine hohe Mikrobiom-Variabilität sowie das Vorhandensein spezifischer Bakterienstämme positiv auswirken: In Untersuchungen sprachen Personen, die bis zu einem Jahr vor Therapiebeginn ein Antibiotikum eingenommen hatten, schlechter auf die Behandlung an und Patienten mit metastasiertem Melanom sowie hoher Faecalibacterium-Konzentration überlebten länger als Menschen mit vielen bakteroiden Stämmen im Darm.
Unklar ist, inwieweit sich eine Manipulation des Mikrobioms positiv auswirkt. In Studien korrelierten die Aufnahme von Probiotika, die Umstellung auf eine ballaststoffreiche Ernährung sowie die Transplantation von günstigen Bakterien mit dem Ansprechen auf Immuntherapien. Aufgrund uneinheitlicher Ergebnisse beziehungsweise fehlenden Kontrollgruppen sind jedoch weitere Studien notwendig.
Das Ausmaß der durch eine Impfung induzierten Immunantwort kann sich individuell erheblich unterscheiden. Der Grund hierfür könnte in der Häufigkeit bestimmter Bakterienfamilien, -gattungen und -arten im Darm liegen.
Wie Studien zeigen, fällt die Immunantwort von Kindern auf Impfungen gegen Tetanus und Tuberkulose abhängig von ihrem Mikrobiom stärker oder schwächer aus. Ein weiteres Beispiel ist die Ansprechrate auf Influenza-Impfstoffe, die in der älteren Bevölkerung nur bis zu 20 Prozent betragen kann. Grund hierfür ist vor allem die nachlassende Leistungsfähigkeit des Immunsystems, welches wiederum von der Mikrobiota beeinflusst wird.
Die Einnahme von Probiotika vor einer Impfung könnte – so die Hoffnung – die Impfantwort verbessern. Mausstudien zu Influenza- und Cholera-Impfungen zeigen, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Einnahme von Probiotika und der systemischen Immunantwort geben könnte.
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Beim neugeborenen Kind können lebende Mikroorganismen, während Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen, die Menge der Mikroben im Darm steigern. Ob sich diese Veränderungen tatsächlich positiv auf die Gesundheit auswirken und etwa Allergien vorbeugen, ist jedoch ungewiss. Daten aus großen Interventionsstudien zeigen übereinstimmend beziehungsweise mehrheitlich keine präventiven Effekte von Prä- und Probiotika für Allergische Rhinitis und Asthma bronchiale beziehungsweise atopisches Ekzem. Aus diesem Grund wird die Supplementierung von Prä- oder Probiotika während der Schwangerschaft in der S3-Leitlinie »Allergieprävention« nicht empfohlen. Laut einem 2021 veröffentlichten Cochrane-Review ist zudem unklar, ob Probiotika in der Schwangerschaft das Risiko eines Gestationsdiabetes beeinflussen, sie erhöhen aber möglicherweise das Präeklampsie-Risiko.
Macht es angesichts der vielen Einflüsse, die das Darmmikrobiom auf die menschliche Gesundheit hat, also Sinn, es mit Selbsttests analysieren zu lassen? Im Handel erhältliche Testkits werden zunächst in den eigenen vier Wänden angewendet. Die entnommene Stuhlprobe wird anschließend zur Analyse an den jeweiligen Anbieter geschickt.
Untersucht werden dann entweder die Darmflora, bestimmte Darmpilze oder spezielle Marker wie Zonulin, welches dem Nachweis einer gesteigerten Darmdurchlässigkeit (Leaky-Gut-Syndrom) dient. Anhand der Zusammensetzung erarbeiten die jeweiligen Hersteller personalisierte Empfehlungen zur Ernährung oder Einnahme von Prä- und Probiotika zur Stärkung gesundheitsfördernder Bakterien.
Gastroenterologen raten von Mikrobiom-Selbsttests ab. / Foto: Getty Images/Yana Tikhonova
Eine solche Analyse kann zwar Hinweise auf die Besiedlung geben, allerdings ist eine optimale Zusammensetzung nicht bekannt und zudem von Person zu Person unterschiedlich. Da zudem weniger die Zusammensetzung als die Funktion des Mikrobioms von Bedeutung ist, rät die DGVS von solchen Selbsttests ab. Zudem bleiben bei den Selbsttests das Virom (durch Viren gebildetes Mikrobiom) und das Mykom (durch Pilze gebildetes Mikrobiom) unbeachtet.
Insgesamt sind kommerzielle Analysen zu ungenau, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können. Zudem sind singuläre Betrachtungen – sei es in Form eines Selbsttests oder eines Tests beim Arzt – nicht sinnvoll, da sich das Mikrobiom beispielsweise bereits durch ein Grillwochenende oder einen Urlaub verändern kann. Es müsste vielmehr im zeitlichen Verlauf analysiert werden.
Silke Kerscher-Hack studierte Pharmazie an der Universität Regensburg. Ihre Promotion fertigte sie am Institut für Pharmazeutische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München an. Seit zehn Jahren verfasst sie Texte zu medizinischen sowie pharmazeutischen Themen. Kerscher-Hack hat zudem eine Zusatzausbildung in Ernährungsberatung mit Fachrichtung Lebensmittelunverträglichkeiten absolviert.