Ist das Mikrobiom optimierbar? |
Das Ausmaß der durch eine Impfung induzierten Immunantwort kann sich individuell erheblich unterscheiden. Der Grund hierfür könnte in der Häufigkeit bestimmter Bakterienfamilien, -gattungen und -arten im Darm liegen.
Wie Studien zeigen, fällt die Immunantwort von Kindern auf Impfungen gegen Tetanus und Tuberkulose abhängig von ihrem Mikrobiom stärker oder schwächer aus. Ein weiteres Beispiel ist die Ansprechrate auf Influenza-Impfstoffe, die in der älteren Bevölkerung nur bis zu 20 Prozent betragen kann. Grund hierfür ist vor allem die nachlassende Leistungsfähigkeit des Immunsystems, welches wiederum von der Mikrobiota beeinflusst wird.
Die Einnahme von Probiotika vor einer Impfung könnte – so die Hoffnung – die Impfantwort verbessern. Mausstudien zu Influenza- und Cholera-Impfungen zeigen, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Einnahme von Probiotika und der systemischen Immunantwort geben könnte.
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Beim neugeborenen Kind können lebende Mikroorganismen, während Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen, die Menge der Mikroben im Darm steigern. Ob sich diese Veränderungen tatsächlich positiv auf die Gesundheit auswirken und etwa Allergien vorbeugen, ist jedoch ungewiss. Daten aus großen Interventionsstudien zeigen übereinstimmend beziehungsweise mehrheitlich keine präventiven Effekte von Prä- und Probiotika für Allergische Rhinitis und Asthma bronchiale beziehungsweise atopisches Ekzem. Aus diesem Grund wird die Supplementierung von Prä- oder Probiotika während der Schwangerschaft in der S3-Leitlinie »Allergieprävention« nicht empfohlen. Laut einem 2021 veröffentlichten Cochrane-Review ist zudem unklar, ob Probiotika in der Schwangerschaft das Risiko eines Gestationsdiabetes beeinflussen, sie erhöhen aber möglicherweise das Präeklampsie-Risiko.
Macht es angesichts der vielen Einflüsse, die das Darmmikrobiom auf die menschliche Gesundheit hat, also Sinn, es mit Selbsttests analysieren zu lassen? Im Handel erhältliche Testkits werden zunächst in den eigenen vier Wänden angewendet. Die entnommene Stuhlprobe wird anschließend zur Analyse an den jeweiligen Anbieter geschickt.
Untersucht werden dann entweder die Darmflora, bestimmte Darmpilze oder spezielle Marker wie Zonulin, welches dem Nachweis einer gesteigerten Darmdurchlässigkeit (Leaky-Gut-Syndrom) dient. Anhand der Zusammensetzung erarbeiten die jeweiligen Hersteller personalisierte Empfehlungen zur Ernährung oder Einnahme von Prä- und Probiotika zur Stärkung gesundheitsfördernder Bakterien.
Gastroenterologen raten von Mikrobiom-Selbsttests ab. / Foto: Getty Images/Yana Tikhonova
Eine solche Analyse kann zwar Hinweise auf die Besiedlung geben, allerdings ist eine optimale Zusammensetzung nicht bekannt und zudem von Person zu Person unterschiedlich. Da zudem weniger die Zusammensetzung als die Funktion des Mikrobioms von Bedeutung ist, rät die DGVS von solchen Selbsttests ab. Zudem bleiben bei den Selbsttests das Virom (durch Viren gebildetes Mikrobiom) und das Mykom (durch Pilze gebildetes Mikrobiom) unbeachtet.
Insgesamt sind kommerzielle Analysen zu ungenau, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können. Zudem sind singuläre Betrachtungen – sei es in Form eines Selbsttests oder eines Tests beim Arzt – nicht sinnvoll, da sich das Mikrobiom beispielsweise bereits durch ein Grillwochenende oder einen Urlaub verändern kann. Es müsste vielmehr im zeitlichen Verlauf analysiert werden.
Silke Kerscher-Hack studierte Pharmazie an der Universität Regensburg. Ihre Promotion fertigte sie am Institut für Pharmazeutische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München an. Seit zehn Jahren verfasst sie Texte zu medizinischen sowie pharmazeutischen Themen. Kerscher-Hack hat zudem eine Zusatzausbildung in Ernährungsberatung mit Fachrichtung Lebensmittelunverträglichkeiten absolviert.