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50 Jahre BAK-Winterkongress

Innovationen über fünf Jahrzehnte

Verschiedene Gründe lassen sich finden, 50 Jahre Pharmacon-Winterkongresse zu feiern. Ein Grund ist, dass diese Kongressreihe fast die gesamte Zeit der »pharmazeutischen Revolution« begleitet hat.
Theo Dingermann
15.11.2019  10:00 Uhr

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war mit Acetylsalicylsäure, Aminophenazon, Arsphenamin, Diethylbarbitursäure, einem Diphtherieserum, Morphin, Procain, Strophanthin und zahlreichen Phytopharmaka nur diese kleine Gruppe von Arzneimitteln verfügbar.

Zwar wurden bis zu den 1950er-Jahren bemerkenswerte Erfindungen gemacht, darunter die Entdeckung der Vitamine durch Sir Frederick Gowland Hopkins im Jahre 1912, die Einführung wichtiger Impfstoffe gegen Diphtherie (1923), Pertussis (1926), Tuberkulose und Tetanus (1927), die Demonstration des großen Nutzens einer Insulintherapie (1922) durch Banting und Best und natürlich die Entdeckung des Penicillins 1928 durch Sir Alexander Fleming, das allerdings erst zehn Jahre später systematisch studiert wurde. Tatsächlich aber sollte es noch einmal 50 Jahre dauern, bis der Arzneimittelschatz, den wir heute kennen und an dem wir uns so selbstverständlich bedienen, fast explosionsartig zu wachsen begann. Es waren die frühen 1950er-Jahre, die den Beginn der »pharmazeutischen Revolution« markieren.

Seien wir mal ehrlich: Können wir uns vorstellen, dass es beispielsweise Erythromycin und Metformin vor 1950 nicht gab? Dass das Breitbandantibiotikum Ampicillin, der Betablocker Propranolol und das Parkinsonmittel Levodopa erst in den 1960er-Jahren verfügbar wurden? Und dann begann im Jahre 1971 die Reihe der Pharmacon-Winterkongresse, über die wir in den kommenden Wochen rückblickend berichten werden.

Vielzahl neuer Wirkstoffe

Eine Vielzahl neuer Wirkstoffe wurde in schneller Taktfolge verfügbar, darunter in den 1970er-Jahren Diclofenac, Clotrimazol, Nifedipin, Cisplatin und Tamoxifen. Highlights der 1980er-Jahre waren die ACE-Hemmer Captopril und Enalapril, der H2-Blocker Ranitidin, der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Fluoxetin und die Naturstoffe Artemisinin als bis heute wichtiges Malaria-Medikament und Ciclosporin als Wegbereiter der Organtransplantationen.

Die Entwicklung beschleunigte sich in den 1990er-Jahren. Beispiele aus diesem Jahrzehnt sind Ondansetron, Sumatriptan, Paclitaxel und ein rekombinant hergestelltes Interferon β-1b, das die Behandlung der Multiplen Sklerose revolutionierte. Weitere Highlights waren der ATII-Antagonist Losartan, die HIV-Proteasehemmer Saquinavir, Ritonavir und Indinavir sowie Infliximab, ein rekombinanter monoklonaler Antikörper als Wegweiser für eine ganze Gruppe von TNF-Inhibitoren.

Nach der Jahrtausendwende machte dann Imatinib als Kinasehemmer mit sensationeller Wirksamkeit bei der Behandlung einer chronisch-myeloischen Leukämie (CML) Schlagzeilen. Mit ihm etablierte sich dann auch endgültig das Konzept der stratifizierten Arzneimitteltherapie. Weitere bemerkenswerte Innovationen in den ersten Jahren nach dem Millennium waren Bosentan, Aprepitant, Ximelagatran, der Proteasom-Hemmer Bortezomib sowie Bevacizumab, ein Blockbuster basierend auf dem Prinzip der Angiogenese-Hemmung.

Paradigmenwechsel

Seit einigen Jahren deutet sich ein Paradigmenwechsel an. Waren die Arzneimittel bisher vor allem in der Lage, Krankheiten zu managen und zu lindern, so war Heilung mithilfe von Arzneimittel nur in Ausnahmefällen möglich. Dies ändert sich jetzt. Paradigmatisch zu nennen ist die Gruppe der Hepatitis-C-Therapeutika, die tatsächlich in der Lage sind, binnen 12 bis 24 Wochen in vielen Fällen eine bis dato unheilbare Hepatitis komplett auszuheilen.

Und wir werden immer öfter mit einem völlig neuen Arzneimitteltyp, »Arzneimittel für neuartige Therapien« (Advanced Therapy Medicinal Products; ATMP) konfrontiert. Grund genug, um auch nach 50 Jahren Pharmacon-Winterkongress weiterhin eng am Ball zu bleiben. 

 

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