Individuelle Therapieansätze |
Lidocain blockiert spannungsabhängige Natriumkanäle und unterbindet damit die Entstehung von ektopen Aktionspotenzialen. Darüber hinaus wurde bei längerer Anwendung eine Reduktion der epidermalen Nervenfaserdichte beschrieben.
Daher werden Lidocain-Pflaster in der Leitlinie als Medikament der zweiten Wahl bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen eingestuft. Eine Effektivität sei vor allem bei der postzosterischen Neuralgie (PZN) gezeigt; daher sei hier der primäre Einsatz zu erwägen. Zugelassen sind die Pflaster nur bei PZN; alle anderen Indikationen sind off Label.
Als Startdosis sollten ein bis maximal drei Pflaster (700 mg/Pflaster) im Schmerzareal für zwölf Stunden auf die trockene, intakte, nicht gereizte Haut appliziert werden. Danach ist eine mindestens zwölfstündige Pause einzulegen.
Lokale Hautreaktionen wie Erythem, Juckreiz und sehr selten Blasenbildung sind möglich. Die Applikation darf nur auf abgeheilter Haut erfolgen. Aufgrund der geringen systemischen Resorptionsrate sind keine zentralen Nebenwirkungen oder Interaktionen zu erwarten. Dies kann vor allem bei gebrechlichen oder älteren Patienten vorteilhaft sein.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen sind allgemein schlechter untersucht. Sie könnten aber im Einzelfall wirksam sein, sagt Sommer. So könne Akupunktur bei Sensibilitätsstörungen und Schmerzen beschwerdelindernd wirken. Manche Patienten schildern warme, andere kalte, wiederum andere Wechselbäder als hilfreich. Diskutiert wird eine Effizienz der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS). Bei häufigen Wadenkrämpfen kann die Einnahme von Magnesium angezeigt sein.
Gemäß der großen Zahl der bekannten und unbekannten Ursachen sind die Erscheinungsformen der PNP vielfältig. In der Betreuung, Beratung und Information muss es darum gehen, das gesundheits- und körperorientierte Selbstmanagement der Patienten zu stärken. Dazu zählt die umfangreiche Aufklärung über zugrunde liegende Krankheitszeichen und mögliche Pathomechanismen.
Psychoonkologen oder Verhaltenstherapeuten können bei der Krankheitsbewältigung helfen. Dies gilt natürlich auch in Corona-Zeiten. / Foto: Adobe Stock/Alex Ruhl
Angst, Depressionen, Schlafstörungen: Da auch psychische Faktoren die Krankheitsbewältigung beeinflussen, kann die Unterstützung durch Psychoonkologen oder Verhaltenstherapeuten angezeigt sein. Zudem kann das Engagement in Selbsthilfegruppen zur Stärkung der seelischen und körperlichen Gesamtkonstitution und somit zur Krankheitsbewältigung beitragen.
Große Bedeutung haben physio- und ergotherapeutische Trainingsmaßnahmen, die sich an den Symptomen und funktionellen Defiziten orientieren müssen. Zudem müssen sie Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts, der Koordination sowie der Stand- und Gangsicherheit beinhalten. Bei Paresen spielt die Stärkung der Muskelkraft und -funktion eine wichtige Rolle. Physikalische und balneologische Therapien können zusätzlich eingesetzt werden. Bei Patienten mit Chemotherapie-induzierten Polyneuropathien wirkt sich dreimal wöchentliches Ergometer- und Krafttraining positiv auf Ausdauer und Muskelkraft aus. »Sport ist im Rahmen der erhaltenen Funktionen erwünscht«, resümiert die Schmerzexpertin.
Christiane Berg studierte Pharmazie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und wurde 1984 in der Abteilung Toxikologie des Zentrums Klinisch-Theoretische Medizin II (Leitung: Professor Dr. Otmar Wassermann) promoviert. Im selben Jahr ging sie als Redakteurin der Pharmazeutischen Zeitung nach Frankfurt am Main. Es folgte eine zweijährige Tätigkeit in einer Frankfurter PR-Agentur. Seit Gründung des norddeutschen Redaktionsbüros der Pharmazeutischen Zeitung 1989 lebt und arbeitet Berg in Hamburg.