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RNA-Interferenz

Inclisiran und Lumasiran vor der Zulassung

Bereits zwei Medikamente, die über RNA-Interferenz wirken, sind auf dem deutschen Markt. Nun haben zwei weitere, Inclisiran und Lumasiran, eine EU-Zulassungsempfehlung erhalten. Die Einsatzgebiete sind ganz unterschiedlich.
Sven Siebenand
16.10.2020  15:27 Uhr

Mit Patisiran (Onpattro®) und Givosiran (Givlaari®) hat die Firma Alnylam bereits zwei Medikamente im Handel, die die RNA-Interferenz ausnutzen. Die Methode ist immer identisch: Kurze RNA-Stücke, sogenannte small interfering RNA (si­RNA), führen im Organismus dazu, dass komplementäre mRNA selektiv abgebaut wird. Somit steht diese mRNA nicht mehr für die Proteintranslation zur Verfügung und die Menge des von ihr kodierten Proteins in der Zelle nimmt ab. Genauso funktioniert das auch bei den Medikamenten Inclisiran (Leqvio®) und Lumasiran (Oxlumo®), die ebenfalls von Alnylam stammen. Beide Präparate wurden nun vom Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Zulassung vorgeschlagen.

Inclisiran verbindet sich mit der mRNA des PCSK9-Gens und verhindert so, dass das Gen in das Protein PCSK9 übersetzt wird. Dadurch wird der PCSK9-vermittelte Abbau des LDL-Rezeptors gehemmt. Befinden sich mehr Rezeptoren auf der Leberzelloberfläche, wird mehr LDL-Cholesterol aus dem Blut extrahiert. Das heißt Inclisiran wirkt letztlich ähnlich wie die PCSK9-Inhibitoren Evolocumab (Repatha®) und Alirocumab (Praluent®). Das zu injizierende RNAi-Therapeutikum soll bei primärer Hypercholsterolämie und gemischter Dyslipidämie zum Einsatz kommen.

Lumasiran soll zur Behandlung der primären Hyperoxalurie Typ 1 Verwendung finden. Bei dieser seltenen Erberkrankung kommt es zu extrem hoher Oxalatausscheidung, sodass sich Calciumoxalatkristalle bilden können. Diese führen zum Beispiel in den ableitenden Harnwegen zur Steinbildung oder können sich im Nierengewebe absetzen. Es kann aber auch zu Schäden in anderen Organen kommen. Bisher gibt es noch keine zugelassene Therapie für dieses Krankheitsbild. Lumasiran bindet als siRNA an die mRNA für das Enzym Glykolatoxidase (GO) in der Leber. Dadurch sinkt der GO-Enzymspiegel im Körper und im Folgenden auch der Oxalat-Spiegel. Wie Inclisiran wird auch Lumasiran injiziert.

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