Gekommen, um zu bleiben |
Daniela Hüttemann |
19.03.2023 08:00 Uhr |
Laut Schambach laufen bereits mehr als 1500 Studien zum Einsatz von Gentherapeutika weltweit; darunter Proof-of-Concept-Studien bei Retina-Degeneration, Morbus Parkinson und Transplantat-Abstoßungen. Die Hauterkrankung Epidermolysis bullosa konnte bei ersten Patienten bereits topisch mit einer gelbasierten Gentherapie behandelt werden.
Aktuell sind oder waren zehn Präparate in der EU zugelassen (Tabelle). Zu den neuesten Zulassungen Ende 2022 gehören jeweils eine Gentherapie bei Hämophilie A und B. Im EU-Zulassungsverfahren befinden sich Lenadogen Nolparvovec zur Behandlung der seltenen Augenerkrankung Leber’sche Optikus-Atrophie sowie Exagamglogen Autotemcel zur Behandlung der Sichelzellerkrankung (SCD) und der transfusionsabhängigen Beta-Thalassämie (siehe weiter unten). Die FDA geht von 10 bis 20 weiteren gentherapeutischen Zulassungen pro Jahr in den kommenden Jahren aus. »Gentherapeutisch behandelte Patienten werden Ihnen in den Apotheken also immer häufiger begegnen«, so Schambach. Eine Gentherapie könne je nach Art der Erkrankung und Genkorrektur eventuell Auswirkungen auf die Beratung zur herkömmlichen Medikation haben. »Daher halte ich es für wichtig, dass sich Apothekerinnen und Apotheker schon jetzt mit diesen Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen.«
Gentherapeutikum INN | Präparat, Hersteller | Indikation | EU-Zulassung |
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Alipogen Tiparvovec | Glybera®, Uniqure Biopharma | Hyperlipoproteinämie Typ I | 2012, zurückgezogen 2017 |
Talimogen Laherparepvec | Imlygic®, Amgen | Melanom | 2015 |
autologe CD34+-angereicherte Zellfraktion | Strimvelis®, Orchard Therapeutics | schwere kombinierte Immundefizienz (SCID) | 2016 |
Voretigen Neparvovec | Luxturna ®, Spark Therapeutics | Leber’sche kongenitale Amaurose | 2018 |
Betibeglogen Autotemcel | Zynteglo®, Bluebird Bio | Beta-Thalassämie | 2019, zurückgezogen 2021 |
Onasemnogen Abeparvovec | Zolgensma®, Novartis | spinale Muskelatrophie | 2020 |
Atidarsagen Autotemcel | Libmeldy®, Orchard Therapeutics | metachromatische Leukodystrophie | 2020 |
Elivaldogen Autotemcel | Skysona®, Bluebird Bio | zerebrale Adrenoleukodystrophie | 2021 |
Eladocagen Exuparvovec | Upstaza®, PTC Therapeutics | AADC-Mangel | 2022 |
Valoctocogen Roxaparvovec | Roctavian®, Biomarin | Hämophilie A | 2022 |
Etranacogen Dezaparvovec | Hemgenix®, CSL Behring | Hämophilie B | 2022 |
Als Unterform der Gentherapie lässt sich die CAR-T-Zelltherapie betrachten, bei der die eigenen T-Lymphozyten ex vivo gentechnisch verändert werden. Hier gibt es mittlerweile sechs zugelassene Präparate in der EU, von denen fünf in Deutschland auf dem Markt sind. Alle werden bei verschiedenen Formen von Blutkrebs eingesetzt (lesen Sie dazu auch den Beitrag: CAR-T-Zelltherapie: Hoffnung und Herausforderung).
Bislang kommen Gentherapien nur in spezialisierten Zentren an Unikliniken mit Maximalversorgung zum Einsatz. »Womöglich wird es irgendwann In-vivo-Therapien in Spritzenform für spezialisierte kleinere Zentren und gegebenenfalls auch die ambulante Versorgung geben, die über die öffentlichen Apotheken vertrieben werden«, kann sich Schambach vorstellen.