Gekommen, um zu bleiben |
Daniela Hüttemann |
19.03.2023 08:00 Uhr |
Wenn nach einer ausführlichen Nutzen-Risiko-Bewertung die Entscheidung gefallen ist, dass der Patient für die Gentherapie infrage kommt und umgekehrt, könne es mitunter innerhalb weniger Wochen losgehen, erklärt Schambach. Voraussetzung ist, dass die Gentherapie bereits in der EU zugelassen ist oder die Behandlung im Rahmen einer genehmigten klinischen Studie erfolgt. Die Genfähre muss unter GMP-Bedingungen produziert werden.
Die Patienten werden gründlich durchgecheckt und Begleiterkrankungen ausgeschlossen. Neben einer eindeutigen genetischen Testung wird auf Antikörper gegen den verwendeten Vektor getestet.
Bei einer Ex-vivo-Gentherapie werden zunächst die körpereigenen Zellen per Apherese entnommen und im GMP-Labor gentechnisch verändert. Dies kann Tage bis Wochen dauern. Dabei finden umfangreiche Qualitätskontrollen statt. Der Patient bekommt etwa drei Tage bis eine Woche vor der Rückinfusion der veränderten Zellen eine chemotherapeutische Konditionierung mit Busulfan oder Fludarabin plus Cyclophosphamid – wie bei einer Knochenmarktransplantation. »So machen wir quasi Platz für die neuen Zellen«, erklärt der Experte. Die eigentliche Infusion sei relativ einfach.
Drei Monate alt war Ainsley Cardente, als sie 2019 aufgrund einer spinalen Muskelatrophie mit dem Gentherapeutikum Zolgensma behandelt wurde. / Foto: Imago/ZUMA Wire
Ein In-vivo-Beispiel ist die Therapie mit Onasemnogen Abeparvovec (Zolgensma®) für Kinder mit spinaler Muskelatrophie. Sie bekommen einen Tag vor der Infusion des Gentherapeutikums zunächst eine Dosis Prednisolon oral (1 mg/kg Körpergewicht), da es zu einer Immunreaktion gegen den Vektor kommt, was zu Leberversagen führen kann. Die eigentliche Gentherapie dauert nur 60 Minuten. Die immunmodulatorische Therapie wird über mindestens 30 Tage weitergeführt und unter Kontrolle der Leberwerte schrittweise ausgeschlichen. Dazu gab es erst kürzlich einen Rote-Hand-Brief, der auf die Corticoidtherapie und Leberwert-Kontrolle genauer einging.
»Die Patienten bleiben meist für mehrere Wochen stationär, bis sich alle Werte normalisiert haben, und kommen dann regelmäßig zur Nachsorge, anfangs öfter, später in größeren Abständen«, erklärt Schambach. Vorgeschrieben ist zudem, dass der Therapieerfolg über bis zu 15 Jahre kontrolliert wird.
Beim Management von Gentherapien ist auch die Krankenhausapotheke involviert. »Wenn feststeht, ob und wann ein Patient behandelt wird, werden wir zeitnah informiert«, berichtet Jessica Gunia, Leiterin der Sterilabteilung der MHH-Zentralapotheke, im Gespräch mit der PZ. Beispiel Zolgensma, mit dem Säuglinge und Kleinkinder mit spinaler Muskelatrophie in der Kinderklinik behandelt werden: Zunächst müsse von der Klinik die Kostenübernahme durch die Krankenkasse geklärt werden (diese Gentherapie kostet rund 2 Millionen Euro). Die Dosisberechnung erfolgt nach Körpergewicht durch die behandelnden Ärzte. Diese wird von den Krankenhausapothekern gegengecheckt und anschließend die Bestellung ausgelöst.
»Gentherapeutische Präparate kommen bei uns zwar nicht täglich vor, aber wir haben mittlerweile Routine im Umgang damit entwickelt«, berichtet Gunia. Der Waren- und Dokumentationsprozess sei zwar aufwendiger, die eigentliche Herstellung der Infusion laufe dann aber im Prinzip wie bei anderen aseptisch hergestellten Medikamenten in der Krankenhausapotheke ab. Das Medikament wird in die Reinräume der Sterilherstellung eingeschleust und unter Laminar-Flow-Werkbänken von qualifiziertem pharmazeutischen Personal zubereitet.
Zolgensma wird aus Irland nach Hannover eingeflogen und von einem Spezialkurierdienst direkt an die Klinikapotheke geliefert. Dort wird die spezielle Transportbox mit dem tiefgekühlten Medikament auf Trockeneis nur an bestimmte Personen nach Vorlage des Personalausweises ausgehändigt. »Wir haben dann eine Checkliste, was alles zu überprüfen ist, wie mögliche Schäden an der Transportbox, eine intakte Verpackung, Patienten-ID, Anzahl und passende Befüllung der Vials und die Temperatur-Logdaten«, erläutert Hassan Darkhabani, stellvertretender Leiter der Sterilabteilung.
Der Patient wird in der Regel am Tag vor der geplanten Gabe einbestellt und noch einmal eingehend untersucht. Station und Apotheke telefonieren am nächsten Morgen, ob der Eingriff wirklich stattfinden kann. Dann geht es in die Sterilherstellung. Insgesamt stellt die Behandlung mit Gentherapeutika einen komplexen Prozess dar, in dem Krankenhausapotheke und Klinik interdisziplinär eng zusammenarbeiten.