Die Scharfmacher des Immunsystems rücken vor |
Daniela Hüttemann |
27.09.2022 12:00 Uhr |
Bei einer CAR-T-Zelltherapie werden einem Patienten T-Zellen entnommen und im Labor so genetisch modifiziert, dass sie die Krebszellen besser erkennen. Sie werden gewissermaßen scharf gemacht. / Foto: Adobe Stock/Design Cells
In der Apotheke vor Ort sind CAR-T-Zelltherapien bislang kein Thema. Diese modernen Arzneimittel sind derzeit schwer kranken Lymphompatienten vorbehalten, die therapeutisch mit dem Rücken zur Wand stehen. Die Behandlung findet in hoch spezialisierten Zentren statt, sodass nur einige Krankenhausapotheken damit in Berührung kommen. Es werden jedoch immer mehr Patienten, die dank dieser Möglichkeit überleben.
Die CAR-T-Zelltherapie gilt als einer der großen Durchbrüche in der Krebstherapie, den Apothekerinnen und Apotheker kennen sollten. Daher war diese neue Therapieklasse, die zu den Gentherapeutika zählt, eines der Themen beim pharmazeutischen Kongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein vergangenes Wochenende in Kiel, der unter dem Motto »Von Genen und Genetik« stand.
Hunderten von Patienten mit sehr schlechter Prognose haben die personalisierten Präparate bereits zu einer langfristigen Remission verholfen, berichtete die Hämatologin und Onkologin Professor Dr. Claudia Baldus, Direktorin der Klinik für Innere Medizin II vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.
Einer der weltweit erstmals so behandelten Patienten war die damals siebenjährige Emily Whitehead. 2010 erhielt sie im Alter von fünf Jahren die Diagnose akute lymphoblastische Leukämie (ALL). Es ist die häufigste Krebsart bei Kindern mit normalerweise sehr guten Heilungschancen (85 bis 90 Prozent). Nicht so bei Emily, die ein Rezidiv erlitt und deren Krebs gegen die verfügbaren Medikamente resistent wurde. Die Ärzte hatten nichts mehr in der Hand.
Jedes Jahr postet Kari Whitehead auf der Website ihrer Stiftung ein Foto ihrer Tochter Emily, die als erstes Kind 2012 mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt wurde und seitdem als krebsfrei gilt. / Foto: Kari Whitehead
»Bei vielen Blutkrebserkrankungen gilt: Entweder, wir knacken die Erkrankung direkt beim ersten Therapieversuch, oder wir haben ein Problem«, schildert Baldus. Emily blieb eigentlich nur noch die Palliativmedizin. Dann hörten ihre Eltern von einer experimentellen Therapie, die in einer klinischen Studie getestet wurde.
Emily war die erste pädiatrische Patientin weltweit, der man die eigenen T-Zellen entnahm, sie gentechnisch so modifizierte mit einem chimären Antigen-Rezeptor (CAR), dass sie die Krebszellen besser erkennen und attackieren können, und anschließend zurück infundierte. Diese einmalige Behandlung funktionierte – und die mittlerweile 17-jährige Emily konnte dieses Jahr im Mai ihr zehnjähriges krebsfreies Überleben feiern.