Fakten zu den »Fettweg-Spritzen« |
Sven Siebenand |
09.02.2023 18:00 Uhr |
Das Ziel »Weg mit dem Speck« steuern immer mehr Menschen via Applikation eines Inkretin-Mimetikums an. / Foto: Adobe Stock/Daniel Ernst
Apothekenteams kennen sich mit den GLP-1-Rezeptoragonisten längst gut aus. Verordnungen über Wirkstoffe wie Liraglutid, Exentatid oder Semaglutid im Rahmen einer Diabetes-Behandlung sind schon lange keine Seltenheit mehr. Und auch für die Adipositas-Behandlung gibt es hierzulande seit einigen Jahren ein zugelassenes Medikament mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten: das Liraglutid-haltige Saxenda®.
Das ebenfalls in der EU bereits für die Behandlung der Adipositas zugelassene Präparat Wegovy® enthält wie das Diabetes-Medikament Ozempic® den Wirkstoff Semaglutid. Erstgenanntes ist höher dosiert und noch nicht auf dem deutschen Markt verfügbar. Ein richtiger Hype um die sogenannten Abnehmspritzen ist vermehrt in den vergangenen Monaten aufgekommen – auch getrieben durch Posts in den sozialen Medien. Dies war nun Anlass für das Science Media Center, Experten zu dieser Wirkstoffgruppe genauer zu befragen.
Professor Dr. Jens Aberle vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bestätigte, dass GLP-1-Rezeptoragonisten tatsächlich effektive Mittel sind, um abzunehmen. Er sprach von Game-Changern. Noch nie zuvor habe man Medikamente zur Hand gehabt, die in die Nähe der Effektivität einer bariatrischen Operation kommen, welche zu einer Reduktion des Körpergewichts um durchschnittlich 30 bis 35 Prozent führt. Zudem sei das Sicherheitsprofil der GLP-1-Rezeptoragonisten sehr gut. Die Nachfrage sei riesig.
Für ihn kommen aber die Medikamente aber nur für wirklich adipöse Menschen infrage, mit einem Body-Mass-Index ab 30 oder ab 27, wenn weitere Komorbiditäten vorliegen. »Wir behandeln aus medizinischer Indikation und nicht aus kosmetischer Indikation«, stellte er klar und betonte auch, dass viele Menschen nach dem Absetzen der Mittel wieder zunähmen. Daher sei es wichtig, unter der Therapie auch die Bedeutung von Interventionen wie Ernährungsumstellung und mehr Bewegung immer wieder zu thematisieren.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Aberle berichtete über Übelkeit, von der viele betroffen sind. Daher müsse man einschleichend dosieren. Das Pankreatitis-Risiko sei insgesamt minimal und meist durch Gallensteinbildung bedingt. Positiv an der Wirkstoffgruppe sei wiederum ein Fakt, der insbesondere aus Diabetes-Studie bekannt sei: Die Substanzen können das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse senken und den Übergang von Prädiabetes zu Diabetes verhindern, sofern sie frühzeitig eingesetzt werden.
Momentan übernehmen die Krankenkassen in der Regel nicht die Kosten für Adipositas-Medikamente. Für Aberle steht dies im Widerspruch zur erfolgten Anerkennung der Adipositas als Erkrankung. Auf diesem Gebiet gebe es momentan aber viel Dynamik. Der Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft hält es für möglich, dass in den kommenden ein bis anderthalb Jahren Adipositas-Medikamente für bestimmte Indikationen erstattet werden, wie es beispielsweise bereits in der Schweiz und in England der Fall sei.