Erkältungsviren als Vektoren |
Christina Hohmann-Jeddi |
27.08.2020 12:00 Uhr |
Adenoviren gelten als sichere und gut erforschte Vektoren für Impfstoffe. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Tek Image
PZ: Johnson & Johnson testet derzeit seine Vakzine Ad26.COV2.S gegen das Coronavirus mit einem menschlichen Adenovirus vom Typ 26 als Vektor in einer Phase-I/IIa-Studie. Eine ganz ähnliche Vakzine ist eine von zwei Komponenten des russischen Impfstoffs Sputnik V, der bereits eine Zulassung erhalten hat. Was spricht für Adenoviren als Vektoren?
Roland Zahn: Adenoviren sind eine Art von Viren, die eine Erkältung verursachen – sie sind also wegen ihres milden Infektionsverlaufs gut geeignet, um ein fremdes Protein in den Menschen zu transportieren. Wenn sie als Vektoren eingesetzt werden, fehlen ihnen aber die Gene, die für die Vermehrung benötigt werden. Der Impfstoff kann also keine Erkältung verursachen, und das von ihm produzierte Protein kann auch keinen Schaden anrichten.
PZ: Gibt es bereits andere zugelassene Impfstoffe auf Basis von Adenoviren?
Roland Zahn: Die AdVac®-Technologie von Janssen, die wir für den SARS-CoV-2-Impfstoff nutzen, kam bereits bei der Entwicklung und Herstellung des Ebola-Impfstoffs von Janssen zum Einsatz, der seit Juli 2020 in Europa zugelassen ist. Sie wurde auch für die Entwicklung der Zika-, RSV- und HIV-Impfstoffkandidaten des Unternehmens verwendet. Diese Plattform hat ein erprobtes Sicherheitsprofil: Mehr als 90.000 Menschen haben bereits eine Ad26-Verktor basierte Impfung im Rahmen unserer klinischen Studien und Initiativen zur Immunisierung erhalten. Unerwünschte Ereignisse waren meist mild bis moderat, traten kurz nach der Impfung auf und waren von kurzer Dauer.
PZ: Der russische Impfstoff Sputnik V ist nach bisherigen Erkenntnissen eine Prime-Boost-Immunisierung mit einem Ad26-Vektor als erster Impfung und einem Ad5-Vektor als zweiter. Wenn man die ganze Bevölkerung durchimpfen möchte, ist ein Schema mit zwei Dosen deutlich ungünstiger als eines mit einer Impfung. Was ist der Vorteil von Prime-Boost-Schemata?
Roland Zahn, Leiter der präklinischen Immunologie für virale Impfstoffe bei Janssen / Foto: Janssen
Roland Zahn: Da für das russische Impfprogramm noch keine Daten verfügbar sind, können wir keine Aussagen dazu treffen.
Wir untersuchen im Rahmen der klinischen Studien sowohl das Ein- als auch das Zwei-Dosen-Impfregime. Das Ein-Dosen-Impfregime soll einen schnellen Schutz in der aktuellen akuten Pandemielage bieten. Präklinische Daten haben gezeigt, dass unser Impfstoffkandidat eine starke Immunantwort bei nicht menschlichen Primaten gegen SARS-CoV-2 hervorgerufen und bei Gabe von nur einer Impfdosis vollständigen oder beinahe vollständigen Schutz gegen Covid-19 geboten hat. Ein Zwei-Dosen-Impfregime wird erprobt, da es einen langfristigen Schutz ermöglichen könnte. Das ist für Menschen geeignet, die einem hohen, permanenten Covid-19-Risiko ausgesetzt sind, wie etwa medizinisches Personal.
PZ: Wie sieht die Immunantwort auf Ihren Impfstoffkandidaten aus?
Roland Zahn: In der präklinischen Studie wurden nicht menschliche Primaten zuerst mit verschiedenen Impfstoff-Prototypen immunisiert und dann einer potenziellen SARS-CoV-2-Infektion ausgesetzt – intranasal und über die Lunge. Unser Impfstoffkandidat rief von insgesamt sieben in der Studie getesteten Impfstoff-Prototypen die höchste Konzentration an neutralisierenden Antikörpern gegen SARS-CoV-2 hervor. Die Anzahl der Antikörper korrelierte dabei mit der Höhe des Schutzes. Bei den sechs mit Ad26.COV2.S geimpften Primaten der Studie ließ sich das Virus nach SARS-CoV-2-Exposition in den unteren Atemwegen nicht nachweisen. Nur bei einem von sechs Tieren war bei nasalen Abstrichen zu zwei Zeitpunkten eine niedrige Virenlast im Vergleich zu Kontrolltieren detektierbar.
PZ: Inwieweit kann eine vorbestehende Immunität gegen das humanpathogene Vektorvirus die Impfantwort beeinflussen?
Roland Zahn: Der Virus des von uns verwendeten Vektor Ad26 ist in der Allgemeinbevölkerung nicht sehr verbreitet. Die Antikörpertiter sind normalerweise niedrig, falls überhaupt vorhanden. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keinen Hinweis darauf, dass Antikörper gegen Ad26 die Immunogenität einer Dosis des Ad26 basierten Impfsoffes beeinträchtigen, aber wir werden weiterhin auf jedes Signal achten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.