»Dringender« Handlungsbedarf bei Botanicals |
Melanie Höhn |
25.10.2022 18:00 Uhr |
Gesundheitsbezogene Angaben bei Nahrungsergänzungsmitteln werden bislang nicht geprüft – eine EU-Verordnung soll das ändern. / Foto: imago images/Westend61
Während Arzneimittelhersteller die Wirksamkeit der Arzneistoffe wissenschaftlich belegen müssen, erfolgt bezüglich gesundheitsbezogener Angaben für Nahrungsergänzungsmittel, sogenannter Health Claims, bislang keine Einzelprüfung. Eigentlich hatte die Health-Claims-Verordnung aus dem Jahr 2006 festgelegt, dass gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln nur noch gestattet sind, wenn sie wissenschaftlich bewertet und von der EU-Kommission zugelassen sind – doch die Umsetzung der Verordnung wurde von der Kommission im Jahr 2010 für pflanzliche Produkte (Botancials) gestoppt. Dass diese nun schnellstmöglich umgesetzt wird, forderten der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg und der europäische Pharmaverband Eucope heute auf einer Veranstaltung in Brüssel.
Laut Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI, muss die Verordnung von der Europäischen Kommission dringend umgesetzt werden, »damit gesundheitsbezogene Werbeaussagen bei Lebensmitteln für Verbraucher nachprüfbar sind«. Die Übergangsfrist sei längst abgelaufen. Dies werde durch ein von BPI und EUCOPE beauftragtes Rechtsgutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Professor Udo Di Fabio untermauert, das heute in Brüssel vorgestellt wurde.
Di Fabio überprüfte, ob die Übergangsregelungen der Verordnung noch immer anwendbar sind. Seiner Einschätzung nach ist die Aussetzung der Bewertung der Health Claims für pflanzliche Substanzen durch die Europäische Kommission rechtswidrig. Er forderte die Kommission auf, »endlich« den Auftrag zur Bewertung der Health Claims zu Botanicals an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zu erteilen.
»Der aktuelle Stillstand steht im Widerspruch zum Zweck der Health-Claims-Verordnung, der darauf abzielt, die Verbraucher über die möglichen Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären«, heißt es in dem Gutachten. »Die Untätigkeit der Kommission verletzt auch das Recht auf Gleichbehandlung der Hersteller chemischer Substanzen, deren Health Claims bereits bewertet wurden und der Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Solange die Lebensmittelhersteller aufgrund der unbefristeten Anwendung der Übergangsbestimmung praktisch von der Pflicht befreit sind, sich den Wirksamkeitsnachweis von der EFSA bestätigen zu lassen, verschaffen sie sich einen klaren Vorteil gegenüber den Unternehmen, die den Stoff als Arzneimittel auf den Markt bringen. Lebensmittel und Arzneimittel sind weder sachlich noch rechtlich vergleichbar«, heißt es weiter. Und wie könnte es weitergehen? Die Hoffnung sei, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) über ein Vorab-Entscheidungsverfahren »endlich« die Gelegenheit ergreife, »die Rechtwidrigkeit des Verhaltens der Kommission festzustellen«, so DiFabio.