Die Forderungen der Apotheker |
Ev Tebroke |
22.08.2019 09:38 Uhr |
Das RX-Versandverbot ist in diesem Jahr beim DAT kein Thema mehr. Stattdessen stehen Anträge zum Erhalt der Gleichpreisigkeit auf der Agenda der Hauptversammlung. / Foto: PZ/Alois Mueller
In diesem Jahr haben Kammern, Verbände und Delegierte 77 Anträge fristgerecht bei der Antragskommission eingereicht. Das Antragspaket, über das der Gesamtvorstand der ABDA vergangene Woche beraten hat, ist über 100 Seiten stark und wie immer in fünf Kapitel gegliedert: Sicherstellung der Versorgung, pharmazeutische Kompetenz, Digitalisierung, Rahmenbedingungen der Berufsausübung und berufsständische Organisationen. Insgesamt hat der geschäftsführende ABDA-Vorstand in diesem Jahr sechs Leitanträge formuliert.
Thematisch an erster Stelle steht der Erhalt der Gleichpreisigkeit. Im einem Leitantrag fordern der geschäftsführende ABDA-Vorstand, der Apothekerverband Nordrhein, die Landesapothekerkammer Hessen und die Apothekerkammer Nordrhein den Gesetzgeber auf, den Passus im §78 Arzneimittelgesetz (AMG) nicht zu kippen, der die Preisbindung für Versender aus dem EU-Ausland regelt. Derzeit sieht der Regierungsentwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz eine Streichung vor, um so der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2016 Rechnung zu tragen. Die Richter hatten die Rx-Preisbindung für Versender aus dem EU-Ausland als Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gewertet. Die EU-Kommission führt deshalb aktuell gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hofft, mit der Streichung des besagten § 78er Absatzes und der Verankerung einer einheitlichen Preisbindung im Sozialrecht die Kommission überzeugen zu können. Jedoch wäre die Preisbindung so lediglich für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sichergestellt. Die Apotheker wollen aber grundsätzlich einheitliche Rx-Preise für alle Marktteilnehmer. Durch geeignete Regelungen sei sicherzustellen, »dass der einheitliche Apothekenabgabepreis auch für die Arzneimittel gilt, die aus dem Ausland an Privatversicherte oder Selbstzahler außerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden«, fordern sie daher im Leitantrag.
Darüber hinaus drängen sie angesichts der Konkurrenz durch ausländische Versender vor dem Hintergrund des nahenden E-Rezepts auch auf ein schärferes Zuweisungsverbot. Eine Partizipation Dritter an Leistungen der Apotheke müsse ausgeschlossen bleiben, heißt es. »Die Regelungen zum Schutz der freien Wahl der Apotheke müssen so ausgestaltet werden, dass auch Dritte, genauso wie Apotheker, Ärzte oder gesetzliche Krankenkassen, keine Rezeptzuweisungen insbesondere aus kommerziellen Interessen vermitteln und organisieren dürfen.« Im Kabinettsentwurf ist dies den Antragstellern bislang nicht eindeutig genug formuliert.
Als weiteres großes Thema sehen die Apotheker die Bekämpfung von Liefer- und Versorgungsengpässen. War zunächst noch die hochspezialisierte Arzneimittelversorgung in Kliniken von Engpässen betroffen, etwa bei Zytostatika oder Antibiotika, so habe sich die Problematik nun auch im ambulanten Bereich massiv verstärkt. Ein Leitantrag bündelt die Anträge der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, des Berliner Apotheker-Vereins und des Apotheker-Verbands Berlin und fordert den Gesetzgeber auf, gemeinsam mit allen Beteiligten Strategien zur Lösung des Problems zu entwickeln. Angesichts der mittlerweile sich häufenden massiven Probleme in diesem Bereich, die zunehmend auch lebenswichtige Arzneimittel betreffen, fordern sie eine Verpflichtung der pharmazeutischen Industrie zur Vorratshaltung. Während für Apotheken eine Mindestlagerhaltung in der Apothekenbetriebsordnung vorschrieben sei, fehle eine entsprechende Vorgabe für die pharmazeutische Industrie völlig. Für Arzneimittel, die für die Versorgung unverzichtbar sind, wollen die Apotheker die Hersteller verpflichten, den Bedarf für zwei Monate vorrätig zu halten. Die Sächsische Apothekerkammer fordert zudem, Großhändlern und Apotheken mit Großhandelserlaubnis mit einem Exportverbot für dringend benötigte Fertigarzneimittel zu belegen. »Durch ein Exportverbot könnte der zweckentfremdete Weiterverkauf von Fertigarzneimitteln unterbunden und die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit diesen Arzneimitteln verbessert werden. Ebenso entfielen damit die Begründungen der Hersteller für eine fortwährende Kontingentierung«, heißt es in dem Antrag.
Den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen der öffentlichen Apotheken widmet sich der vierte Leitantrag. Der geschäftsführende ABDA-Vorstand und die Apothekerkammer Nordrhein fordern den Gesetzgeber auf, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, »damit sich die in vielen Projekten des Berufsstands entwickelten und gut erprobten pharmazeutischen Dienstleistungen als langfristiger Bestandteil der apothekerlichen Leistungen durchsetzen». Diese Leistungen seien auf dem Niveau eines akademischen Heilberufs zu vergüten.
In einem weiteren Leitantrag geht es um die Stationsapotheker. Die Bayerische Landesapothekerkammer, der Bayerischen Apothekerverband und die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg fordern deren bundesweit verpflichtenden Einsatz, um die Patientensicherheit zu stärken. Und auch das Thema Notfalldepots und die Anforderungen für Apotheken an kurzfristig zu beschaffende Arzneimittel stehen per Leitantrag auf dem DAT zur Abstimmung.
Großen Raum nimmt der Bereich Digitalisierung ein. In einem Antrag der ABDA heißt es: »Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker spricht sich dafür aus, die Digitalisierung im deutschen Apothekensektor weiter voranzutreiben. Dazu zählen sowohl verstärkte Anstrengungen bei der Weiterentwicklung von Vorhaben beziehungsweise Projekten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) oder dem elektronischen Medikationsplan, dem elektronischen Rezept beziehungsweise auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapiesicherheit als auch die Entwicklung neuer digital unterstützter pharmazeutischer Angebote und Dienstleistungen.«
Mit diesen Entwicklungen werde die Grundlage einer künftigen Vernetzung aller Apotheken in Deutschland geschaffen. Insbesondere im Kontext E-Rezept und AMTS spreche sich die Hauptversammlung »für eine starke gestaltende Rolle von ABDA, DAV und BAK aus, um die pharmazeutischen Kernkompetenzen im Gesundheitswesen zukunftsfähig bei den Apotheken zu verankern». Die Rahmenbedingungen für das E-Rezept tauchen ebenfalls in einigen Anträgen auf. Neben der Forderung nach einem Makel- und einem Zugabeverbot fordert ein Antrag auch, den Arzneimittelbegriff auf digitale Arzneimittel zu erweitern. Zudem sollen auch digitale Gesundheitsleistungen künftig als apothekenübliche Ware gelten.
Bei aller Antragsvielfalt fällt auf, dass ein DAT-Dauerbrenner diesmal nicht mehr auf der Agenda steht: Das Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist erstmals seit Jahren kein Thema mehr. Der Fokus liegt nun auf dem Erhalt einheitlicher Rx-Abgabepreise für alle Marktteilnehmer. Ende August könnte sich abzeichnen, ob diese Forderung weiter tragbar ist, oder ob die Apotheker womöglich von ihrer Forderung abrücken müssen, den § 78er Passus zu erhalten. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wollen in den nächsten Tagen in Brüssel im Gespräch mit der EU-Kommission eruieren, ob diese die von der Bundesregierung geplante Absicherung einheitlicher Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der GKV über das Sozialrecht akzeptiert. Im Falle ihrer Zustimmung wäre die Streichung der Preisbindung aus dem AMG gesetzt. Sollte die Kommission das geplante Gesetz ablehnen, obliegt es dem Bundeskanzleramt, zu entscheiden, ob der Kabinettsentwurf trotzdem im Bundestag eingebracht wird oder nicht. Noch ist alles offen. Bis zum DAT wird es sicher mehr Klarheit geben. /