»Das ist eine Frechheit!« |
Benjamin Rohrer |
20.12.2022 14:00 Uhr |
Aus Sicht von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sind die Eckpunkte der Ampel-Koalition zum Lieferengpass-Management nur Hohn und Spott für die Apotheken. / Foto: ABDA/Erik Hinz
Das Bundesgesundheitsministerium hat am heutigen Dienstagmorgen die ersten Eckpunkte für ein mögliches Generika-Gesetz vorgestellt. Mit dem Vorhaben will die Ampel-Koalition die Verfügbarkeit von Arzneimitteln, insbesondere im Bereich der Kinderarzneimittel, verbessern. Unter anderem sollen die Festbeträge teils komplett wegfallen, teils nach oben korrigiert werden. Hinzu kommen neue Ausschreibungskriterien bei der Rabattvertragsvergabe. Im Apothekenbereich plant die Bundesregierung mit einer neuen Pauschale in Höhe von 50 Cent, die die Apotheken abrechnen können, wenn sie bei bestimmten Arzneimitteln Rücksprache mit einem Arzt halten müssen. Betroffen sind nur Wirkstoffe, die auf der Liste der versorgungskritischen Medikamente des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen. Außerdem sollen die während der Coronavirus-Pandemie eingeführten, gelockerten Abgaberegeln verstetigt werden. (Hier lesen Sie alle Details zu den Eckpunkten).
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte in einem Presse-Statement zu den Eckpunkten: »Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben. Besonders bei Kinderarzneimitteln spüren wir die Konsequenzen gerade besonders hart. (…) Die Discounter-Politik hat die Arzneimittelversorgung kontinuierlich über Jahrzehnte verschlechtert. Das zurückzudrehen, geht nicht über Nacht. Deswegen müssen wir bei Lieferengpässen den Apothekern helfen, ihren Kunden Alternativen anzubieten, wenn Medikamente nicht auf Lager sind. Ist ein Medikament nicht vorrätig, dürfen sie künftig ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben oder aus Pillen Säfte machen. Müssen Sie dafür mit dem Arzt Rücksprache halten, wird das zusätzlich honoriert.«
Zwei zentrale Forderungen der Apothekerschaft könnten somit schon bald umgesetzt werden. In einem ersten Statement begrüßt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening das Vorhaben auch grundsätzlich. Es sei richtig, Patienten finanziell von Mehrkosten zu entlasten. Mit den für die Apotheken vorgeschlagenen Neuregelungen ist Overwiening allerdings überhaupt nicht zufrieden. »Über die Apotheken, die seit Monaten mit großem Engagement und Aufwand die Lieferengpässe managen und somit die Menschen zuverlässig versorgen, gießt das Ministerium aber nun offenbar Hohn und Spott aus. Jede Apotheke soll laut Ministerium genau 50 Cent für jedes erfolgreich gefundene Austauscharzneimittel bekommen - aber nur, wenn es vorher als versorgungskritisch eingestuft wurde und mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten wurde. Das ist wirklich eine Frechheit!«
Overwiening zufolge wird die Bürokratie dadurch noch erhöht, zudem werde der teils stundenlange Arbeitsaufwand nicht einmal ansatzweise bezuschusst. »Und als Zeichen der Wertschätzung kann man dieses Almosen wohl auch kaum bezeichnen«, so die ABDA-Präsidentin. Gerade vor den bevorstehenden Notdiensten an den Feiertagen könne kein Apotheker verstehen, wie solch ein Cent-Aufschlag die Versorgungssicherheit stabilisieren oder gar verbessern soll. Overwiening malt daher ein bedrohliches Szenario: »Wenn in den nächsten Tagen alle Apotheken das Lieferengpassmanagement einstellen und keine Mühe mehr auf die Suche nach Ersatzpräparaten verwenden würden, müssten Politik und Kassen zusehen, wie die Arzneimittelversorgung in Deutschland zusammenbricht.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.