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Nocebo-Effekt

Das Imageproblem der Statine

Für »überschätzt und überdiagnostiziert« halten die Autoren einer aktuellen Metaanalyse die Intoleranz von Statinen. In Wahrheit vertragen laut der bislang größten Untersuchung zu dem Thema etwa 93 Prozent der Behandelten die Lipidsenker gut. Der Nocebo-Effekts ist ausgeprägt, aber es gibt auch bestimmte Faktoren, die eine echte Intoleranz begünstigen.
Annette Rößler
21.02.2022  17:58 Uhr

Der Nocebo-Effekt von Statinen ist an sich ein bekanntes Phänomen: Schon mehrfach wurde in Studien gezeigt, dass eine negative Erwartungshaltung der Patienten gegenüber den Blutfettsenkern für einen Großteil der berichteten Nebenwirkungen verantwortlich ist. Da Statine aber nach wie vor das Rückgrat der LDL-Cholesterol-senkenden Therapie darstellen, ihr Nutzen klar nachgewiesen ist und es sich um preiswerte und – an sich – gut verträgliche Wirkstoffe handelt, werden sie weiterhin breit eingesetzt. Für Ärzte und Apotheker ist es dabei eine Herausforderung, einerseits echte Statin-Unverträglichkeiten zu identifizieren und andererseits Patienten mit höchstwahrscheinlich bloß eingebildeten Beschwerden therapeutisch bei der Stange zu halten.

Mit ihrer neuerlichen Untersuchung der Häufigkeit einer Statin-Intoleranz wollten die Angehörigen von zwei Forschungskonsortien, der Lipid and Blood Pressure Meta-Analysis Collaboration (LBPMC) und des International Lipid Expert Panels (ILEP), daher vor allem eines: Klinikern ein starkes Argument liefern, um Patienten von der Wichtigkeit einer guten Adhärenz zur Statin-Therapie zu überzeugen. Sie führten dazu die bislang größte Metaanalyse zu dem Thema durch und berücksichtigten darin 112 randomisierte klinische Studien (RCT) und 54 Kohortenstudien mit insgesamt mehr als 4,1 Millionen Teilnehmern.

Im von der European Society of Cardiology (ESC) herausgegebenen »European Heart Journal« sind die Ergebnisse nun veröffentlicht. Der primäre Endpunkt, die Prävalenz der Statin-Intoleranz (SI) hatte unterschiedliche Werte, je nachdem, welche Definition der SI die Autoren um Dr. Ibadete Bytyçi von der Universität Umeå in Schweden zugrunde legten. So betrug die Gesamtprävalenz 9,1 Prozent, die Prävalenz gemäß den diagnostischen Kriterien der US-amerikanischen National Lipid Association 7,0 Prozent, laut ILEP-Kriterien 6,7 Prozent und gemäß den Kriterien der European Atherosclerosis Society 5,9 Prozent.

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