Covid-19-Mittel mit und ohne nachgewiesenem Nutzen |
Sven Siebenand |
31.05.2021 18:00 Uhr |
Die Coronavirus-Pandemie stellt das Gesundheitswesen global vor die riesige Herausforderung, die oft schwer Erkrankten adäquat zu versorgen. / Foto: Imago Images/Christian Ohde
Bis dato sind offiziell bisher mehr als 3,5 Millionen Menschen an Covid-19 verstorben. »Selbst die Weltgesundheitsorganisation rechnet mit einer hohen Dunkelziffer«, sagte Weinke, Infektiologe am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Man müsse wohl von schätzungsweise sechs bis acht Millionen Toten bisher ausgehen. In Deutschland liege die Zahl der an Covid-19 Verstorbenen bei etwa 90.000.
Der Höchstwert der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland sei im Zuge der zweiten Infektionswelle im Dezember 2020 erreicht worden. Aber auch im April 2021 habe der Wert während der dritten Welle mit 180 pro 100.000 Einwohner hoch gelegen. Sehr erfreulich sei, dass der Wert im Bundesdurchschnitt mittlerweile auf unter 40 gesunken sei, wobei die Bandbreite bei den einzelnen Bundesländern am Wochenende zwischen 15 und 48 lag. »Trotz dieser positiven Tendenz stuft das Robert-Koch-Institut die Gefährdung für die Bevölkerung weiterhin als sehr hoch ein«, informierte der Humanmediziner. Grund sei die anhaltende Viruszirkulation in der Bevölkerung und die Verbreitung sogenannter besorgniserregender Virusvarianten (Variants of Concern, VOC). Schutzmaßnahmen wie die konsequente Umsetzung der AHA+L-Regeln seien daher immer noch geboten.
Weinke verwies darauf, dass unterschiedliche Verlaufsformen von Covid-19 zu unterscheiden sind. Eine leichte Erkrankung gehe nicht mit einer Lungenentzündung einher, zu einem moderaten Verlauf gehöre aber bereits eine Pneumonie mit dazu. Ein schwerer Verlauf kennzeichne sich durch eine schwere Lungenentzündung und ein kritischer Verlauf durch ein akutes Lungenversagen und Hyperinflammation. »Covid-19 ist keine reine Lungenerkrankung, sondern eine Infektionskrankheit mit schlimmstenfalls systemischer Hyperinflammation«, fasste der Infektiologe zusammen.
Weinke informierte auch über die Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin (COVRIIN). Sie unterstützt und berät das Robert-Koch-Institut bei Fachfragen im Management von Covid-19, zum Beispiel beim Thema Covid-19-Medikamente. Zu den Substanzen mit nachgewiesenem Nutzen zählt laut COVRIIN das Glucocorticoid Dexamethason, allerdings nur bei beatmeten Patienten. »Den stärksten Benefit hat der Wirkstoff bei invasiv beatmeten Menschen«, so Weinke.
Bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten haben auch Antikoagulantien einen großen Stellenwert. Das antiviral wirksame Remdesivir müsse möglichst frühzeitig gegeben werden und habe eine Verkürzung der Krankheitsdauer, aber keine Reduktion der Mortalität gezeigt. Ebenfalls sehr frühzeitig, möglichst innerhalb von drei Stunden nach einem positiven PCR-Test, müssen Antikörper-Präparate wie Casirivimab und Imdevimab sowie Bamlanivimab und Etesevimab verabreicht werden.
Zu den Substanzen, die potenziell bei Covid-19 wirksam sind, aber dies bisher noch nicht ausreichend unter Beweis gestellt haben, zählt laut Weinke auch inhalativ verabreichtes Budesonid. »Die bisherigen Studien haben methodische Limitationen«, sagte der Mediziner. Zudem warnte er vor einem potenziellem Risiko bakterieller Superinfektionen bei ambulanten Patientinnen und Patienten, wenn diese das Corticoid ohne Notwendigkeit anwenden.
Zu den Substanzen ohne nachgewiesenen Nutzen bei Covid-19 zählen laut Weinke unter anderem die Kombination aus Lopinavir und Ritonavir sowie Chloroquin und Hydroxychloroquin.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.