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Reisemedizin

Corona hat einiges verändert

Seit man wieder reisen darf, wird auch wieder gereist. Doch die Pandemie hat Änderungen mit sich gebracht. Ein Update zur reisemedizinischen Beratung und zu Reiseimpfungen gab es auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Christina Hohmann-Jeddi
10.05.2022  10:15 Uhr

»Ein wesentlicher Aspekt der Weltseuchenlage ist und bleibt natürlich Corona«, sagte Professor Dr. Tomas Jelinek, Medizinischer Direktor des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedizin (BCRT), auf dem DGIM-Kongress, der in diesem Jahr als Hybridveranstaltung stattfand. Global sänken die Neuinfektionszahlen derzeit, in Europa sei dabei im Moment das stärkste Infektionsgeschehen zu beobachten. Die Pandemie wirke sich auch auf das Reisen aus. So müsse man gegen Covid-19 geimpft sein, »sonst wird es sehr schwierig«. Viele Länder hätten Auflagen zu Impfungen und Testungen, die zu beachten seien. Hilfe bei der Recherche könnten hier spezielle Apps, etwa des Centrums für Reisemedizin oder des Auswärtigen Amts, bieten.

Die Coronapandemie habe sich auch massiv auf das Auftreten verschiedener Infektionskrankheiten in Deutschland ausgewirkt, berichtete Jelinek. Aufgrund der Reisebeschränkungen gingen von 2019 auf 2020 die hierzulande gemeldeten Malariafälle um zwei Drittel zurück. Ähnliches wurde für Dengue- und Chikungunya-Infektionen beobachtet. Allerdings sei die Zahl der FSME-Infektionen aufgrund des geänderten Reiseverhaltens und dem Urlaub zu Hause deutlich, nämlich um 61 Prozent, gestiegen.

Weltweit kam es zu einem massiven Rückgang der Grippefälle; zwei Jahre in Folge fiel die Grippewelle komplett aus. Anders sieht es dagegen bei Masern aus, deren Fallzahlen weltweit deutlich gestiegen sind. Die Zahl gemeldeter Masernerkrankungen sei in den ersten beiden Monaten 2022 um 79 Prozent höher gewesen als im Vorjahreszeitraum, gab vor Kurzem die Weltgesundheitsorganisation bekannt. Laut Jelinek liege das an den deutlich reduzierten Impfprogrammen während der Pandemie in vielen Ländern. In der Reiseberatung müsse daher auch nach entsprechenden Impfungen geschaut werden.

Eine weitere reiserelevante Infektionskrankheit, das Gelbfieber, hat in den vergangenen Jahren weltweit zugenommen. Auch das Zikavirus breitet sich mit insgesamt allerdings nur wenigen Fällen weiter aus. Immer mehr Regionen vor allem in Südasien seien betroffen, informierte Jelinek. Reisende Frauen, bei denen Schwangerschaft ein Thema sein könnte, sollten diese Regionen möglichst nicht besuchen. Wenig beachtet, aber mit höheren Fallzahlen breitet sich das Chikungunyavirus aus. Insbesondere in Indonesien sei mit Ausbrüchen zu rechnen, aber in Zukunft auch in Südeuropa, so der Experte.

Entgegen diesen Trends habe die Zahl der Infektionen mit dem Denguevirus während der Coronapandemie weltweit – aus unbekannten Gründen – abgenommen, berichtete der Mediziner. Für die kommenden Jahre sei aber mit einer weiteren Zunahme der Inzidenz zu rechnen.

Die Malaria konnte in China und El Salvador mittlerweile eradiziert werden, doch die Zahl der Infektionen weltweit ist laut Jelinek insgesamt gestiegen. Einige Gebiete wie Sansibar, die bisher malariafrei waren, seien wieder Hochrisikogebiete, weshalb die Empfehlungen zur Chemoprophylaxe angepasst werden mussten. Ein zunehmend wichtiges Thema seien die Artemisin-Resistenzen, die sich »wie Wildfeuer ausbreiten« und dieser wichtigen Wirkstoffgruppe Bedeutung entzögen, berichtete Jelinek. Ausgehend von Südostasien im Jahr 2013 seien inzwischen große Regionen dort, in Afrika und zunehmend auch in Lateinamerika betroffen.

Aktuelles zu Reiseimpfungen

In den USA sei die Zahl der Hepatitis-A-Ausbrüche mit hohen Fallzahlen und erstaunlicher Letalität angestiegen, weshalb inzwischen vor Reisen zu einer entsprechenden Impfung geraten werde. Eine Grundimmunisierung halte dabei ein Leben lang. Das gleiche gelte für Gelbfieberimpfungen, wobei einzelne Länder dennoch eine Auffrischung verlangten.

Ein neuer Impfstoff gegen Hepatitis B werde derzeit eingeführt: Heplisav-B® von Dynavax, das bereits im Februar 2021 von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für Erwachsene zugelassen wurde, komme aufgrund einer höheren Immunogenität im Vergleich zu anderen Hepatitis-B-Impfstoffen mit nur zwei Dosen für eine Grundimmunisierung aus. Gegen Cholera solle in der zweiten Jahreshälfte 2022 ein neuer Impfstoff auf den Markt kommen. Dabei handele es sich um den oral zu applizierenden attenuierten Lebendimpfstoff Vaxchora von PharmaK, der ebenfalls schon zugelassen ist.

Bei FSME deute sich an, dass die Impfung für etwa zehn Jahre Schutz vermittele. »Die ständigen Booster alle drei oder fünf Jahre sind nicht nötig«, sagte Jelinek. Das gelte unabhängig von der Altersgruppe.

Neuerungen gab es auch bei den Pneumokokken-Impfstoffen: Hier wurden in diesem Jahr mit dem 20-valenten Konjugatimpfstoff Apexxnar® von Pfizer und dem 15-valenten Konjugatimpfstoff Vaxneuvance® von MSD zwei neue Präparate zugelassen. Damit habe man mehr Möglichkeiten, einen guten Schutz anzubieten und die bisher niedrigen Impfquoten in dieser Indikation anzuheben, sagte der Mediziner.

Bei Denguefieber sei noch mit der Zulassung eines Impfstoffs zu rechnen: Zu dem tetravalenten Lebendimpfstoff Dengvaxia® von Sanofi Pasteur, der in Deutschland nicht verfügbar ist, komme vermutlich im vierten Quartal ein weiterer Impfstoff hinzu, berichtete Jelinek. Dabei handelt es sich um QDenga® (TAK03) von Takeda, ebenfalls ein teravalenter Lebendimpfstoff, der allerdings auf abgeschwächten Dengueviren basiert. Der Schutz vor Hospitalisierungen betrage etwa 95 Prozent. »Das wird für die Reisemedizin eine wichtige Innovation werden«, sagte Jelinek.

Vermutlich im ersten Quartal des kommenden Jahres werde auch ein Impfstoff gegen Chikungunyafieber zugelassen werden. Mehrere Firmen arbeiteten an einer solchen Vakzine. Das Unternehmen Valneva hat eine Phase-III-Studie zu seinem Impfstoff VLA1553-301 mit guten Daten abgeschlossen. »Wir werden also nächstes Jahr gegen Chikungunya und Denguefieber impfen können«, zeigte sich der Mediziner optimistisch.

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