Chancen für Apotheken durch Mehrwert |
Ev Tebroke |
23.06.2020 13:56 Uhr |
Per Smartphone die gewünschten Produkte aussuchen? Kunden setzen zunehmend auf Angebote, die bequem verfügbar sind, deren Anbieter aber auch offline Service bieten. / Foto: Shutterstock/Stock-Asso
Der Online-Handel boomt, der Trend wächst exponentiell und die Coronavirus-Krise wirkt dabei zusätzlich wie ein Brandbeschleuniger – Apotheken müssen sich daher jetzt dringend digital positionieren. Das betonte der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IHF), Kai Hudetz, beim Live-TV der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) am Montagabend. Im Zentrum der Veranstaltung, die über die AKWL-Internetseite gestreamt wurde, stand das Thema Handel im Wandel. Welche Konsequenzen hat der Digitalisierungsboom der Coronavirus-Krise auf den Einzelhandel? Als weiterer Studiogast war AKWL-Vorstandsmitglied Hannes Müller anwesend. Der Leiter einer Apothekenfiliale in Haltern ist mit 32 Jahren jüngstes Vorstandsmitglied in der Geschichte der Bundesapothekerkammer (BAK) und vertritt als sogenannter Millennial vor allem auch die jüngere Zielgruppe.
Tenor der Veranstaltung: Die Zeit drängt, Vor-Ort-Apotheken müssen jetzt dringend handeln und zweigleisig sowohl online als auch stationär ihre Services ausbauen. Denn der Kunde von heute setzt laut Hudetz zunehmend auf Bequemlichkeit und Service. Die Coronavirus-Krise hat diesen Trend demnach noch verstärkt. Grundsätzlich haben die Vor-Ort-Apotheken gegenüber anderen Händlern aber zwei Trümpfe in der Hand: Als Arzneimittelexperten und niedrigschwellige Anlaufstelle genießen sie großes Vertrauen in der Bevölkerung. »Das Apotheken-A ist eine extrem starke Marke«, so der E-Commerce-Experte. Und ihre Beratung und Services vor Ort werden auch in Zukunft gebraucht. Müller betonte hier explizit die Sonderrolle der Apotheken, da Arzneimittel keine klassischen Handelswaren darstellen, sondern ein besonderes Gut mit Beratungsbedarf.
Laut Hudetz ist der Online-Handel derzeit auf der Überholspur. Prognosen gehen ihm zufolge bis 2030 von einem jährlichen Wachstum von 5 bis 9 Prozent aus. Zudem werden Online-Riesen wie Amazon und andere großen Marketplace-Anbieter den Markt dominieren. Hudetz sieht Amazon bereits im kommenden Jahr bei einem Marktanteil im Online-Handel von 50 Prozent. Und auch der Versandhandel bei OTC wird weiter stark zulegen, so der E-Commerce-Experte. Diesem Phänomen regulatorisch begegnen zu wollen, sei der falsche Weg. Es gehe stattdessen darum, Mehrwerte zu schaffen, die vorhandene Situation auszubauen und stationäre Dienstleistungen und Angebote mit Online-Services zu verknüpfen.
»Wenn der Kunde die Wahl hat, wird er sich für die Apotheke vor Ort mit Online-Angebot entscheiden und nicht für einen anonymen Versender«, ist sich Hudetz sicher. Die Zukunft des Handels wird demnach über Online-Plattformen entschieden. Apotheken müssen diese digitalen Marktplätze als Chance verstehen, um Mehrwerte zu schaffen, mahnt der E-Commerce-Experte. Der stationäre Handel könne verstärkt auch mit regionalen Marktplätzen und Social Media-Plattformen wie etwa Instagram-Shops neue Zielgruppen bedienen. Denn diese Formate erfüllen den zunehmenden Wunsch des Kunden nach Bequemlichkeit. Gerade die jüngere Zielgruppe, die 18 bis 29-Jährigen, setzt demnach auf Mehrwert-Konzepte wie etwa Click & Collect, also online bestellen, vor Ort abholen.
»Auch kleine Apotheken haben durch Digitalisierung eine gute Chance, wenn sie früh genug umdenken«, ist Müller überzeugt. Die Apotheken müssten weiterhin durch Qualität und gute Beratung überzeugen. »Wir müssen gut bleiben«, so Müller, »und einen Mehrwert bieten«. Denn um künftig erfolgreich zu bleiben, zählt laut IHF-Umfrage nicht die Größe eines Unternehmens, sondern die Kundennähe. »Es geht nicht um Online oder Offline sondern um den Mehrwert für den Kunden«, so Hudetz.
Das Format AKWL-TV live fand am 22. Juni bereits zum dritten Mal statt. In lockerer Folge bietet die Kammer damit eine Online-Diskussionsplattform zu aktuellen politischen und wirtschaftlichen Themen. Die Videos sind im Internet unter akwl-live.de abrufbar.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.