Budesonid als »Game Changer« – was ist dran? |
Daniela Hüttemann |
12.04.2021 18:00 Uhr |
Zumindest zu Beginn der Pandemie hatten Asthmapatienten, die regelmäßig Corticoide inhalieren, überraschenderweise ein niedrigeres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf. Forscher leiteten davon die Hypothese ab, dass diese Medikamente einen gewissen Schutz bieten könnten. / Foto: Adobe Stock/Goffkein
Die Ergebnisse der sogenannten STOIC-Studie (Steroids in Covid-19 Study) der Universität Oxford erschienen bereits im Februar auf einem Preprintserver und wurden auch von der Pharmazeutischen Zeitung aufgegriffen. Am Freitag folgte die Veröffentlichung nach dem Peer-Review-Verfahren im Fachjournal »The Lancet Respiratory Medicine«, was der Studiengruppe um Professor Dr. Mona Bafadhel neue Aufmerksamkeit bescherte.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte und Medizinprofessor Dr. Karl Lauterbach twitterte einen Kommentar zur Studie, was für noch mehr Aufmerksamkeit sorgte: »Meines Erachtens ein Game Changer, weil Studie gut gemacht wurde und relevante Hausarzt-Frühbehandlung zeigt.« Die Ergebnisse sind in der Tat positiv – um den Einsatz von Budesonid oder anderen inhalativen Glucocorticoiden zu empfehlen, ist es aber noch zu früh. So nahmen an der STOIC-Studie nur 146 Probanden mit leichten Covid-19-Symptomen teil. Zudem war die Studie Open-Label und nicht placebokontrolliert, das heißt, die Probanden wussten, dass sie ein zusätzliches, möglicherweise hilfreiches Medikament zusätzlich zur »normalen« Behandlung bekommen (die bislang nur rein symptomatisch erfolgt, zum Beispiel mit fiebersenkenden Mitteln oder Honig gegen Husten). Gesponsert wurde die Studie vom britischen National Institute for Health Research Biomedical Research Centre und Astra-Zeneca.
Die Interventionsgruppe mit 73 Probanden inhalierte zweimal täglich 800 µg Budesonid (Pulmicort Turbohaler). Ausgewertet wurden die Outcomes nach 28 Tagen. Demnach sank das relative Risiko für eine weitergehende medizinische Behandlung oder Krankenhauseinweisung um 90 Prozent. Zudem hatten sie weniger Symptome, waren diese schneller wieder los und brauchten weniger Fiebersenker. Außerdem litten weniger Personen unter Budesonid nach 28 Tagen noch unter Beschwerden, weshalb Karl Lauterbach hier auch Potenzial zur Risikoreduktion von Long-Covid sieht.
»Der beschriebene Effekt ist beachtlich und bedeutsam«, meint auch der Direktor der Klinik für Infektiologie und Pneumologie der Berliner Charité, Professor Dr. Norbert Suttorp, gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Wenn sich die Beobachtungen bewahrheiteten, habe das eine enorme Wirkung – und Budesonid sei überall auf der Welt verfügbar.
Alles in allem also ermutigende Ergebnisse, die jedoch durch weitere Studien bestätigt werden müssen, wie die Forschergruppe selbst in ihrer Publikation schreibt. Das Studiendesign fußte im Übrigen auf der Beobachtung zu Pandemiebeginn, dass nicht – wie befürchtet – mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD durch Covid-19 gefährdet waren, sondern sogar eher weniger.
»Das sind überaus interessante Ergebnisse und vom biologischen Ansatz plausibel», meint auch der Leiter des Zentrums für klinische Studien des Universitätsklinikums Jena, Professor Dr. Frank M. Brunkhorst. Man brauche nun jedoch dringend eine große Phase-III Studie mit etwa 1000 Patienten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.