Biologische Systeme statt Moleküle |
Theo Dingermann |
15.10.2023 08:00 Uhr |
Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) werden manchmal sogar als »lebende Arzneimittel« bezeichnet. Können sie schwerste Krankheiten heilen? / Foto: Adobe Stock/natali_mis
Professor Dr. Peter Bader leitet an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin die Abteilung »Stammzelltransplantation, Immunologie und Intensivmedizin«. Täglich erlebt er das Leid und die Verzweiflung seiner kleinen Patienten, die an Leukämie erkrankt sind. Die für diese Patienten oft heilende Stammzelltherapie habe er von der Pike auf gelernt, sagt er in einem Gespräch mit Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz anlässlich einer Veranstaltung des House of Pharma and Healthcare (1). Trotz der großen Erfolge der Stammzelltherapie bei Kindern, die an Leukämie erkrankt sind, komme es immer wieder zu Rückschlägen. Bei immunologisch suboptimal passenden Transplantaten ist die Graft-versus-Host-(GvH-)Erkrankung eine der gefürchtetsten Komplikationen. Hier richtet sich das Immunsystem der kleinen Patienten gegen das Implantat und stößt es schließlich ab.
Aus dieser Not heraus habe er immer schon nach optimalen Behandlungsmethoden gesucht, sagt Bader. Und er hatte eine Idee. Bader wusste, dass es eine bestimmte Art von Zellen gibt, die die GvH-Reaktionen abmildern können: sogenannte mesenchymale Stromazellen (MSC). Es gab allerdings einen Haken. Diese Zellen waren therapeutisch kaum brauchbar, da sie je nach Spender mal mehr und mal weniger zuverlässig funktionierten. Es fehlte eine Standardisierung, die reproduzierbare klinische Resultate garantierte.
»Da kam uns die Idee, die Stromazellen von vielen Spendern zu mischen und zusammen zu expandieren«, sagt der Pädiater in dem Gespräch. »Dabei haben sich diese Zellen gegenseitig stimuliert und eine stärkere Potenz entwickelt.«
Das Produkt, das die Frankfurter Wissenschaftler entwickelten, gehört einer relativ neuen Klasse von Arzneimitteln an, die als »Advanced Therapeutic Medicinal Products« (ATMP) bezeichnet werden. Diese Arzneimittel sind nicht mehr durch ein einzelnes Molekül definiert, sondern stellen komplexe Systeme dar, beispielweise lebende Zellen, Vektorsysteme für die Gentherapie oder einen Gewebeverband, bei dem die Zellen in ihre eigene komplexe extrazelluläre Matrix eingebettet sind.