Biologische Systeme statt Moleküle |
Theo Dingermann |
15.10.2023 08:00 Uhr |
ATMP ergänzen beeindruckend die »konventionellen« Therapieansätze. Mithilfe klassischer Medikamente kann man – mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Antibiotika oder Virustatika – Krankheiten zwar teils hervorragend managen, aber nicht heilen. Dagegen eröffnen ATMP vielfach nicht nur Therapiemöglichkeiten für bisher nicht oder nur unzureichend behandelbare Krankheiten, sondern bieten mit ihrer besonderen Wirkweise auch neue und oft auf Heilung abzielende Optionen für Patienten, die »konventionelle« Therapien ausgeschöpft haben.
Oft leiden die Patienten, die von ATMP profitieren, an seltenen Erkrankungen. Daher werden in die klinischen Studien meist nur wenige Patienten eingeschlossen, sodass für die Zulassung vielfach nur begrenzte Daten zur Verfügung stehen und ein zuverlässiger Nachweis der Wirksamkeit nur schwer erbracht werden kann. Eine weitere Hürde: Da der Einsatz von ATMP oft mit tiefen Eingriffen in den Körper verbunden ist und langfristig auftretende Nebenwirkungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können, werden auch in Phase-I-Studien nur Patienten und keine gesunden Probanden aufgenommen.
Da der medizinische Bedarf in vielen Anwendungsgebieten sehr hoch ist, werden die Produkte mitunter nur bedingt (conditional) oder unter besonderen Umständen (exceptional circumstances) zugelassen.
Viele ATMP werden bei mehrfach vorbehandelten Krebspatienten eingesetzt. / Foto: Adobe Stock/tonefotografia
Derzeit sind in der EU 14 Gentherapeutika, zwei Zelltherapeutika und zwei biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte zugelassen (3). Darüber hinaus sind Präparate verfügbar, denen das PEI im Rahmen einer §4b-Genehmigung die Verkehrsfähigkeit zuerkannt hat. In diesem Paragrafen des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Sondervorschriften für Arzneimittel für neuartige Therapien geregelt (4). Danach dürfen ATMP, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes als individuelle Zubereitung für einen einzelnen Patienten ärztlich verschrieben, nach spezifischen Qualitätsnormen nicht-routinemäßig hergestellt und in einer spezialisierten Einrichtung der Krankenversorgung unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes angewendet werden, nur an andere abgegeben werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde genehmigt worden sind.