Schwierige Situation in der Apotheke |
17.12.2014 09:42 Uhr |
Von Ev Tebroke / Die Verwirrung ist groß: Nachdem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 80 Generika-Präparate aufgrund mangelhafter Studienqualität vorübergehend für verkehrsunfähig erklärt hat, gestaltet sich die Situation für Apotheker schwierig und unübersichtlich. Die ABDA fordert Konsequenzen.
Für die Apotheker ist die derzeitige Situation ziemlich unerfreulich, müssen sie doch alle betroffenen Präparate, deren Zulassungen nun aufgrund des BfArM-Bescheids ruhen, mühsam selbst heraussuchen. Denn in der Apothekensoftware, deren Arzneimitteldaten nur im 14-Tage-Turnus aktualisiert werden, sind die Präparate noch nicht als verkehrsunfähig erfasst. Dies wäre frühestens zum 1. Januar 2015 möglich. Da sich die Zahl der betroffenen Arzneimittel aber täglich ändert, müssen sich Apotheker selbst helfen und sowohl Abgabe als auch Lagerbestände mit Blick auf die aktuellen Gegebenheiten prüfen.
Zurück zum Arzt
Nach dem Skandal um Arzneimittelstudien in Indien liegen die Zulassungen für zahlreiche Präparate vorerst auf Eis.
Foto: Colourbox
Vorübergehend waren auch drei Wirkstoffe unter besagter BfArM-Aufzählung, die laut Austausch-Verbotsliste grundsätzlich nicht durch ein wirkstoffgleiches Präparat substituiert werden dürfen. In solch einem Fall bleibe dem Apotheker nichts anderes übrig, als den Patienten wieder zurück zum Arzt zu schicken, sagte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker. Der Arzt müsse dann ein anderes Medikament verschreiben.
Für einige Medikamente auf der BfArM-Liste bestehen zudem Rabattverträge mit einzelnen Krankenkassen. Nach Angaben der bei der Vergabe vieler Rabattverträge federführenden AOK-Baden-Württemberg ist bislang unklar, ob und welche Rabattarzneimittel betroffen sind. Es zeichne sich aber ab, dass unter den Arzneimitteln auf der Liste kaum rabattierte Präparate seien.
Um in dieser schwierigen Lage Orientierungshilfe zu bieten und zudem für die Apotheker das Retaxationsrisiko zu minimieren, hat sich der DAV mit dem GKV-Spitzenverband über ein konkretes Vorgehen verständigt. »Verordnet der Arzt ein vom Ruhen der Zulassung betroffenes Arzneimittel, darf dieses nicht mehr abgegeben werden«, so Becker. Es sei stattdessen der Aut-idem-Regelung entsprechend eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel auszuhändigen, sofern nicht ein Rabattarzneimittel vorrangig abzugeben ist. Könne die Aut-idem-Regelung nicht eingehalten werden, müsse der Arzt kontaktiert werden, damit dieser eine Änderung der Verordnung vornimmt oder ein neues Rezept ausstellt.
Wenn das Rabattarzneimittel vom Ruhen der Zulassung betroffen ist, so muss laut Becker das Sonderkennzeichen für Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels auf das Rezept aufgedruckt und mit dem Hinweis »Nichtabgabe wegen Ruhen der Zulassung« versehen werden.
Grundsätzlich ist es ratsam, täglich die BfArM-Liste zu überprüfen. Wie das Institut auf Anfrage mitteilte, wird die Liste der betroffenen Arzneimittel täglich gegen 14 Uhr aktualisiert, da die jederzeit mögliche Vorlage ergänzender Unterlagen durch die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer dazu führen könne, dass das BfArM das Ruhen der Zulassung aufhebe. »Das BfArM prüft diese Unterlagen in jedem Einzelfall sorgfältig und kurzfristig. Die Ergebnisse fließen regelmäßig in die Liste ein«, so ein Sprecher der Bundesbehörde. Er wies außerdem ausdrücklich darauf hin, dass eine aktuelle Version der Liste ausschließlich von der BfArM-Internetseite bezogen werden könne und nicht aus anderen Quellen.
Beschwerden der Hersteller
Die tagesaktuelle Überprüfung ist auch deshalb zu empfehlen, weil mittlerweile viele Generikafirmen gegen den BfArM-Bescheid Beschwerde eingelegt haben. Da das Institut keinen sogenannten Sofort-Vollzug angeordnet hatte, haben diese Beschwerden aufschiebende Wirkung. Das heißt, die entsprechenden Produkte sind wieder im Verkehr, bis eine rechtliche Einigung erzielt ist. Zu Redaktionsschluss hatte sich die Zahl der nicht verkehrsfähigen Arzneimittel bereits auf 37 reduziert. Die allgemeine Verwirrung wird also vorerst nicht weniger werden.
Dem BfArM-Sprecher zufolge wäre die Anordnung eines Sofort-Vollzugs nur dann möglich, wenn eindeutig belegte Gefahren für Patienten vorlägen. Eine Gesundheitsgefährdung hatte das Institut aber vorerst ausgeschlossen.
Globalisierte Produktion
Mit Blick auf den Skandal fordern die Apotheker nun Konsequenzen. Arzneimittel sollten wieder vermehrt in Europa produziert werden, sagte etwa Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kritisierte, die Globalisierung im Bereich der Arzneimittelentwicklung und -produktion habe eine neue Unübersichtlichkeit geschaffen. Die daraus resultierenden Folgen verunsicherten nicht nur die Patienten. »Sie sind auch und gerade für die Apotheken, die Verantwortung für eine sichere und hochwertige Arzneimittelversorgung tragen, völlig unbefriedigend«, so Schmidt. Diese müssten jetzt zusätzlichen Verwaltungsaufwand schultern und mit juristischen Unwägbarkeiten und wirtschaftlichen Risiken umgehen, wenn sie Patienten mit Alternativen zu den verkehrsunfähigen Arzneimitteln versorgen wollen.
Der ABDA-Präsident fordert daher, die Kontrollmöglichkeiten für Behörden und verantwortliche Stellen zu verbessern. Unter anderem sollte eine Regelung künftig sicherstellen, dass die berufsständischen Einrichtungen der Apotheker früher und vollständiger darüber informiert werden, wenn das Ruhen von Zulassungen für Arzneimittel im größeren Maßstab angeordnet wird. Nur dann sei eine rechtzeitige Information der Apotheker vor Ort möglich, könnten diese die Verunsicherung von Patienten abfangen und eine gute Arzneimittelversorgung garantieren, so Schmidt. /