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Studie

Beinwellwurzel wirksamer als Diclofenac

16.12.2008  13:47 Uhr

Studie

Beinwellwurzel wirksamer als Diclofenac

Von Kerstin A. Gräfe, Boston

 

Beinwellwurzelextrakt-Präparate gelten bei Muskel- und Gelenkbeschwerden als pflanzliche Alternative zur Standardtherapie mit Diclofenac. Dass das Phytopharmakon in puncto Wirksamkeit den Vergleich nicht zu scheuen braucht, zeigt eine Studie.

 

»Ein gutes Modell für schmerzhafte Muskel- und Gelenkbeschwerden ist die Sprunggelenksverletzung«, informierte Dr. Helmut Pabst, Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes, auf einer Pressekonferenz von Merck Selbstmedikation. Denn hier treten wie bei einer Entzündung die klassischen Symptome Schmerz, Rötung und Schwellung in Kombination mit einer Funktionsstörung auf. Als Sofortmaßnahme sollte der Betroffene die PECH-Regel angewendet: Pause - Eis - Compression - Hochlagern. »Diese wird allerings im Alltag wenig beherzigt«, konstatierte der Mediziner. Das Resultat sei dementsprechend ein stark geschwollenes Sprunggelenk, das in seiner Bewegung schmerzhaft eingeschränkt ist. Wichtig sei es, den Schmerz zu bekämpfen. Zwar seien Schmerzen zunächst als Warnsignal des Körpers bei Überlastung zu werten. Lang anhaltende oder sehr heftige Schmerzen könnten jedochzu einer Fehlbelastung der Muskeln und Gelenke, schlimmstenfalls mit Memory-Effekt, führen. Üblicherweise tendiere der Patient zu einer oralen Therapie, aber auch topische Arzneimittelzubereitungen hätten sich in klinischen Studien als sehr gut wirksam erwiesen. »Mittel der Wahl ist oftmals Diclofenac in Form von Gel oder Pflaster«, sagte Pabst. Er befürworte jedoch eine Salbe mit Beinwellwurzelextrakt. Klinische Studien bescheinigten, dass sie mindestens ebenso wirksam und verträglich sei und ein direkter Vergleich zeige, dass das Phytopharmakon in puncto Wirksamkeit dem nicht-steroidalen Antirheumatikum in einigen Teilbereichen sogar überlegen ist (1, 2).

 

Schnellere Schmerzlinderung

 

An der randomisierten kontrollierten Studie nahmen 164 Patienten teil, die eine unkomplizierte Sprunggelenksverletzung aufwiesen (1). Eine Woche lang wurde die verletzte Stelle täglich entweder mit Kytta-Salbe® f oder Voltaren® Schmerzgel behandelt. Primärer Endpunkt war die Abnahme der Schmerzreaktion gegenüber einem definierten Druck auf die Verletzung. Zu den sekundären Wirksamkeitskriterien zählten das subjektive Schmerzempfinden in Ruhe und Bewegung, die Schwellung des Knöchels sowie die Wirksamkeitsbeurteilung der Ärzte und Patienten.

 

Das Ergebnis: Der Beinwellwurzelextrakt war dem Diclofenac-Gel mindestens ebenbürtig. So reduzierte sich der Druckschmerz in der Beinwellwurzelextrakt-Gruppe um 81 und in der Diclofenac-Gruppe um 75 Prozent. Auch in den sekundären Endpunkten zeigten sich beide Behandlungen mindestens vergleichbar wirksam. Sowohl der Ruheschmerz (Beinwellwurzelextrakt minus 92 Prozent versus Diclofenac minus 85 Prozent) als auch der bewegungsabhängige Schmerz (Beinwellwurzelextrakt minus 83 Prozent versus Diclofenac minus 72 Prozent) sowie auch die Gelenkschwellung (Beinwellwurzelextrakt minus 80 Prozent versus Diclofenac minus 69 Prozent) nahmen signifikant ab. Ärzte und Patienten bewerteten beide Präparate als sehr gut oder gut wirksam, wobei sie den Beinwellwurzelextrakt noch positiver als das Diclofenac-Gel einschätzten (78 und 84 Prozent versus 61 und 71 Prozent).

 

Unter Anwendung der aktuellen CPMP-Richtlinien hinsichtlich einer potenziellen Überlegenheit einer der beiden Behandlungen zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der Kytta-Salbe f in den Parametern Druckschmerz, Bewegungsschmerz sowie Ärzte- und Patienten-Beurteilung (2). Pabsts Fazit: »Das Phytopharmakon ist in seiner Wirksamkeit dem synthetischen Arzneistoff eine Nasenlänge voraus.«

Inhaltsstoffe des Beinwells

Zu den wirksamen Bestandteilen zählen Allantoin, Schleimpolysaccharide und Gerbstoffe, wobei die genauen molekularen Wirkmechanismen noch nicht geklärt sind. Allantoin fördert die Wundheilung und beschleunigt die Zellregeneration. Den Schleimpolysacchariden werden reizlindernde und resorptionsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Des Weiteren scheinen Rosmarinsäure sowie andere Hydroxyzimtsäurederivate an der Wirkung beteiligt zu sein.

 

Vor einiger Zeit war Beinwell aufgrund seiner toxischen Pyrrolizidin-alkaloide in Verruf geraten. Zu Unrecht: Denn mit 0,02 bis 0,07 Prozent Pyrrolizidinalkaloiden liegt der Gehalt weit unterhalb der für den Menschen gefährlichen Schwelle. Zudem werden zur Extraktgewinnung im Rahmen der Arzneimittelherstellung pyrrolizidinarme Wallwurz-Sorten verwendet und darüber hinaus 99 Prozent dieser Alkaloide mittels eines Spezialverfahrens entfernt.

Literatur

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Phytomedicine 12, 2005, 707-714

Drug Research 57, 2007, 712-716

 

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