Qualität auf dem Prüfstand |
09.12.2014 14:06 Uhr |
Von Andrea Wiegard / In dem 2013 durchgeführten Rezepturprojekt EvaDerm (Evaluation von in Apotheken hergestellten Dermatika) wurden 40 in nordrhein-westfälischen öffentlichen Apotheken hergestellte Rezeptur- und Defekturarzneimittel hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Qualität und ihrer Kennzeichnung durch die Arzneimitteluntersuchungsstelle im Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) untersucht und begutachtet. Von diesen Arzneimitteln waren 38 Prozent bezüglich ihrer Qualität und 60 Prozent hinsichtlich ihrer Kennzeichnung zu beanstanden.
Nicht für alle benötigten therapeutischen Anwendungen stehen industriell hergestellte Fertigarzneimittel zur Verfügung. Rezepturarzneimittel schließen diese therapeutische Lücke. Im Jahr 2012 wurden laut Arzneiverordnungsreport 2013 allein für gesetzlich versicherte Patienten 17,7 Millionen Rezepturen verordnet und in Apotheken angefertigt, das entspricht einem Anteil von 2,7 Prozent an der gesamten Arzneimittelversorgung. Von den 17,7 Millionen verordneten Rezepturarzneimitteln waren im Jahr 2012 8,3 Millionen »klassische« Rezepturen (ausgenommen wurden individuell hergestellte parenterale Lösungen, Zytostatikazubereitungen, Methadonzubereitungen und andere Substitutionsmittel sowie Zubereitungen mit monoklonalen Antikörpern) (1).
Foto: ABDA
Allein im Bereich Westfalen-Lippe wurden 1,01 Millionen »allgemeine Rezepturen« (zum Beispiel Kapseln und Salben) hergestellt (2). Die Gesamtzahl ist noch höher, da weitere Rezepturen aufgrund von Verordnungen für Privatversicherte und nicht verschreibungspflichtige Rezepturen auf eigenen Wunsch der Patienten zubereitet werden. Rezeptur- und Defekturarzneimittel unterliegen der regulären Arzneimittelüberwachung und müssen vergleichbaren Qualitätsanforderungen genügen wie zugelassene Fertigarzneimittel. In den vergangenen Jahren wurde eine Qualitätsoffensive der Apothekerkammern im Bereich der Rezepturherstellung gestartet, indem zum Beispiel Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen angeboten wurden und auch immer noch durchgeführt werden. Durch die neuen Vorschriften zu Rezeptur- und Defekturarzneimitteln in der Apothekenbetriebsordnung sind 2012 weitere Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingeführt worden. Unter anderem ist vor Beginn der Herstellung des Rezeptur- oder Defekturarzneimittels eine schriftliche Herstellungsanweisung zu erstellen. Für Rezepturarzneimittel muss anhand der Dokumentation eine Prüfung der Plausibilität der jeweiligen Verordnung erfolgen. Bei Defekturarzneimitteln ist vor der Freigabe eine analytische Prüfung des Arzneimittels erforderlich.
Das 2013 durchgeführte Projekt EvaDerm diente der Evaluation der Qualität der in öffentlichen Apotheken hergestellten Zubereitungen. Das Ziel war eine vergleichende Beurteilung der Qualität von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln über die Jahre 2008, 2010 und 2013. Die in vergleichbaren Projekten in 2008 und 2010 sowie darüber hinaus stichprobenartig untersuchten Zubereitungen hatten gezeigt, dass die Qualität dieser Arzneimittel häufig zu beanstanden war.
Probenzug
In öffentlichen Apotheken in NRW wurden durch die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker im Rahmen der Überwachung gemäß § 64 AMG ohne Vorankündigung nach dem Zufallsprinzip bereits fertig hergestellte Rezeptur- und Defekturarzneimittel als Proben gezogen und zur Untersuchung an die Arzneimitteluntersuchungsstelle im LZG.NRW weitergeleitet. Falls die Herstellungsanweisung, die Plausibilitätsprüfung, das Herstellungsprotokoll und die Verordnung der Ärztin oder des Arztes verfügbar waren, wurden diese unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen in Kopie mit den Proben übersendet.
Da zum einen am häufigsten corticoidhaltige, topisch anzuwendende, halbfeste Zubereitungen (Cremes, Salben, Lotionen) in den Apotheken hergestellt werden und zum anderen ein Vergleich mit den Rezepturprojekten 2008 und 2010 erfolgen sollte, wurde der Probenzug wie auch schon bei den vorherigen Rezepturprojekten auf diese Arzneimittelgruppe beschränkt. Unter den topisch eingesetzten Glucocorticoiden sind auch stark wirksame Arzneistoffe (z. B. Clobetasolpropionat) vertreten, bei denen eine korrekte Dosierung und Anwendung unbedingt erforderlich ist. Dies wird nur durch ein richtig hergestelltes Arzneimittel überhaupt möglich. Auch aus diesem Grunde wurde die Substanzklasse bereits 2008 im Sinne eines risikobasierten Probenzugs zur Untersuchung ausgewählt.
Untersuchung der Proben
Der Untersuchungsumfang dieser Arzneimittel musste für die Vergleichbarkeit der Projektergebnisse dem von 2008 und 2010 entsprechen. Folgende Punkte wurden jeweils untersucht:
Es wurde eine Teilmenge der Probe entnommen, homogenisiert und analysiert. Da von einer korrekten Herstellung der Zubereitung ausgegangen wurde, steht der Gehalt dieser Teilmenge stellvertretend für die Gesamtheit der als homogen anzusehenden Probe. Einer möglichen Inhomogenität der gesamten Rezeptur oder Defektur durch den Herstellungsprozess wurde in der Regel nicht nachgegangen.
In der Rubrik Originalia werden wissenschaftliche Untersuchungen und Studien veröffentlicht. Eingereichte Beiträge sollten in der Regel den Umfang von vier Druckseiten nicht überschreiten und per E-Mail geschickt werden. Die PZ behält sich vor, eingereichte Manuskripte abzulehnen. Die veröffentlichten Beiträge geben nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion wieder.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 2013 40 Zubereitungen als Proben in den Apotheken entnommen (Tabelle 1). Im Jahr 2008 und 2010 waren es jeweils 36 Proben. 2013 wurden hauptsächlich Individualrezepturen in den Apotheken gezogen, lediglich fünf Defekturen wurden zur Untersuchung der Arzneimitteluntersuchungsstelle überlassen. Eine mögliche Ursache könnte die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sein. Gemäß § 8 ApBetrO ist nun eine weitergehende Qualitätsprüfung von Defekturarzneimitteln über die Inprozesskontrolle hinaus erforderlich. Dies stellt an die Apotheke die Herausforderung, eine geeignete Prüfmethode für das jeweilige Arzneimittel zu finden und führt daher möglicherweise zu einer verminderten Herstellungsrate für Defekturen.
Beanstandungen in der Zusammensetzung der Rezeptur- und Defekturarzneimittel
Insgesamt waren 15 von 40 Proben des Projektes EvaDerm zu beanstanden. Das entspricht einer Beanstandungsquote von 38 Prozent. Im Vergleich dazu wurden 2008 22 Prozent und 2010 33 Prozent der Arzneimittel beanstandet.
Es wurden sechsmal erhebliche Überdosierungen (Abweichung größer 20 Prozent) eines Glucocorticoids, davon in einer Zubereitung gleichzeitig ein Mindergehalt des Wirkstoffs Clotrimazol festgestellt. In zwei Fällen konnte bereits im Herstellungsprotokoll die Überdosierung erkannt werden, da die Ist-Einwaage 10 Prozent beziehungsweise 15 Prozent höher war als die Soll-Einwaage.
In drei Zubereitungen wurden erhebliche Mindergehalte (Abweichung von -20 Prozent bis zu -40 Prozent) eines Glucocorticoids nachgewiesen, wobei dies in zwei Fällen höchstwahrscheinlich auf eine literaturbekannte Inkompatibilität mit dem ebenfalls enthaltenen Wirkstoff Zinkoxid zurückzuführen war (3). Bei einer Probe wurden Mindergehalte an Clotrimazol und Triclosan festgestellt, wohingegen das enthaltene Corticoid nicht zu beanstanden war.
Nachdem in einer Rezeptur eine massive Überdosierung im oberen Drittel der Probenmasse festgestellt wurde, erfolgte nur in diesem einen Fall eine Prüfung auf Homogenität. Der Wirkstoff lag nachweislich nicht homogen verteilt vor. Im oberen Drittel wurde eine Überdosierung von +38,7 Prozent zur deklarierten Wirkstoffmenge, im mittleren Drittel eine Abweichung von -1,7 Prozent und im unteren Drittel ein Mindergehalt von -37 Prozent nachgewiesen. Die Abweichung des Mittelwertes der drei Untersuchungen zur Deklaration betrug insgesamt 6 Prozent, sodass die insgesamt eingearbeitete Wirkstoffmenge nicht zu beanstanden gewesen wäre, da eine Abweichung von 10 Prozent toleriert wird.
Die hier angegebenen Proben wurden alle aufgrund ihrer nicht unerheblichen Qualitätsminderung i. S. d. § 8 (1) Nr. 1 AMG beanstandet: »Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind (. . . ).«
Eine Besonderheit stellte eine Probe dar, deren deklarierter Wirkstoff Prednisolon nicht dem qualitativ nachgewiesenen und verordneten Wirkstoff Prednisolonacetat entsprach. In diesem Fall handelte es sich um einen Deklarationsfehler, da das Arzneimittel analog zur Verordnung hergestellt wurde. Erfolgt eine Betrachtung des Arzneimittels an sich ohne die Verordnung, käme allerdings auch eine Beanstandung im Sinne von § 8 (1) AMG in Betracht.
Bei einer Rezeptur wurde der Wirkstoff Triamcinolonacetonid 0,1-prozentig verordnet, allerdings wurde dieser 0,2-prozentig in die Rezepturgrundlage eingearbeitet und deklariert. Da der deklarierte Wirkstoffgehalt nicht der Verordnung des Arztes entsprach, wurde in dem Fall eine Beanstandung im Sinne von § 7 (1) ApBetrO ausgesprochen. Wird ein Arzneimittel aufgrund einer Verschreibung von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde berechtigt sind, hergestellt, muss es der Verschreibung entsprechen. In diesem Fall wäre auch eine Beanstandung im Sinne von § 8 (1) Nr. 1 AMG möglich, da die Qualität des Arzneimittels durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln – hier verursacht durch eine falsche Berechnung der Wirkstoffmenge – nicht unerheblich gemindert war. Der Wirkstoff wurde fälschlicherweise in doppelter Menge eingearbeitet. Zudem war die eingearbeitete Konzentration von 0,2 Prozent doppelt so hoch wie der oberste Richtwert der in der Literatur angegebenen Triamcinolonacetonid-Konzentration von 0,1 Prozent in Dermatika (4).
In einem Rezepturarzneimittel waren Harnstoff und Salicylsäure neben dem Corticoid Triamcinolonacetonid enthalten. Bereits bei der organoleptischen Prüfung waren deutlich Kristalle in der Salbe zu erkennen. Sowohl das NRF als auch der Kommentar zum Europäischen Arzneibuch geben als maximale Teilchengröße 180 µm an, die nicht überschritten werden soll (5, 6). Gemäß § 7 ApBetrO kann bei einem Rezepturarzneimittel von einer analytischen Prüfung abgesehen werden, sofern die Qualität des Arzneimittels durch das Herstellungsverfahren, die organoleptische Prüfung des fertig hergestellten Arzneimittels und, soweit vorgesehen, durch die Ergebnisse der Inprozesskontrollen gewährleistet ist. Das Herstellungsprotokoll ist von einer Apothekerin oder einem Apotheker oder von der zur Vertretung berechtigten Person mit dem Ergebnis der für die Freigabe vorgenommenen organoleptischen Prüfung und seiner Bestätigung zu ergänzen, dass das angefertigte Arzneimittel dem angeforderten Rezepturarzneimittel entspricht. Diese Freigabe muss vor der Abgabe an die Patientin oder den Patienten erfolgen. Inwieweit dies bei der vorliegenden Rezeptur erfolgte, konnte vonseiten der Arzneimitteluntersuchungsstelle nicht geklärt werden, da zu dieser Rezeptur kein Herstellungsprotokoll vorlag. Unter dem Lichtmikroskop konnten viele Partikel mit einer Größe deutlich über 200 µm erkannt werden. Eine Freigabe hätte somit aufgrund der mangelhaften galenischen Qualität seitens der Apotheke nicht erfolgen dürfen. Dieses Arzneimittel wurde im Sinne von § 55 (8) AMG beanstandet, da bei der Herstellung von Arzneimitteln nur Stoffe verwendet und Darreichungsformen angefertigt werden dürfen, die den anerkannten pharmazeutischen Regeln entsprechen.
Des Weiteren lagen bei vier Rezepturen die pH-Werte außerhalb des rezeptierbaren pH-Bereichs für die jeweilig enthaltenen Wirkstoffe. Ein abweichender pH-Wert kann erheblichen Einfluss auf die Stabilität der Wirkstoffe haben. In einem Fall war bereits eine Isomerisierung des Wirkstoffs Betamethason-17-valerat in das kaum noch wirksame Betamethason-21-valerat zu erkennen (85 Prozent Wirkungsverlust) (7, 8). Diese Verunreinigung stellt einen Qualitätsmangel dar, sodass dieses Arzneimittel im Sinne von § 6 ApBetrO beanstandet wurde. Dort heißt es, dass die Arzneimittel, die in der Apotheke hergestellt werden, die nach der pharmazeutischen Wissenschaft erforderliche Qualität aufweisen müssen. Zur Qualität eines Arzneimittels gehört gemäß § 4 (15) AMG auch die Reinheit.
Die Ergebnisse der drei Rezepturprojekte sind in der Tabelle 2 (Seite 58) zusammengefasst.
Der Vergleich zu den Rezepturprojekten 2008 und 2010 zeigt, dass keine Verbesserung der Qualität der in Apotheken hergestellten Arzneimittel zu erkennen ist. Im Gegenteil, die Beanstandungsquote ist sogar angestiegen. Insbesondere wurden mehr Überdosierungen beziehungsweise Mindergehalte registriert, wobei eine inhomogene Verteilung des jeweiligen Wirkstoffs nicht ausgeschlossen werden kann.
2008 | 2010 | 2013 | |
---|---|---|---|
Probenzahl | 36 | 36 | 40 |
Defekturen | 11 (31 %) | 17 (47 %) ↑ | 5 (12,5 %) ↓ |
Rezepturen | 25 (69 %) | 19 (53 %) ↓ | 35 (87,5 %) ↑ |
Beurteilung der Kennzeichnung
Bei dem Rezepturprojekt 2008 war die Kennzeichnungsbeurteilung zunächst nicht vorgesehen und erfolgte nur auf Wunsch der Einsender, welcher in 24 von 36 Fällen geäußert wurde. 2010 und 2013 wurden alle Proben hinsichtlich der Kennzeichnung beurteilt. Insgesamt wurden 2013 24 Beanstandungen ausgesprochen. Das ergibt eine Beanstandungsrate von 60 Prozent und ist im Vergleich zu den Rezepturprojekten 2008 (83 Prozent) und 2010 (75 Prozent) insgesamt betrachtet leicht rückläufig (Tabelle 3). Allerdings ist zu bedenken, dass bei dem Rezepturprojekt 2010 mehr Defekturen hinsichtlich der Kennzeichnung beurteilt wurden. Da mehr Kriterien bei der Defekturkennzeichnung gemäß § 10 AMG als bei der Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln gemäß § 14 ApBetrO eingehalten werden müssen und in dem Bereich folglich mehr Fehler und Beanstandungen möglich sind, war die Beanstandungsrate 2010 höher als bei dem Rezepturprojekt 2013, bei dem nur vier Defekturarzneimittel beurteilt wurden. Werden nur nach § 14 ApBetrO gekennzeichnete Rezepturarzneimittel betrachtet, liegen die Beanstandungsraten 2010 und 2013 in der gleichen Größenordnung.
Beanstandungen | 2008 | 2010 | 2013 |
---|---|---|---|
§ 8 (1) Nr. 1 AMG Mindergehalte Überdosierungen | 3 (-45 %, -27 %, -36,5 %) | 2 (+17 %, -22 %) | 11 (davon 1 x durch Inhomogenität der Probe) |
§ 8 (1) Nr. 1 AMG Wirkstoffaustausch | 3 | 1 | 1 |
§ 7 ApBetrO Deklarierter Wirkstoff entspricht nicht der Verordnung des Arztes | 1 | 5 | 1 |
§ 6 ApBetrO Qualitätsmangel: Verunreinigung | - | - | 1 |
§ 55 (8) AMG Nicht den pharmazeutischen Regeln entsprechend (Überdosierungen, Mindergehalte zwischen 10 und 20 %) | 1 | 2 | - |
§ 55 (8) AMG Nicht den pharmazeutischen Regeln entsprechend (sonstiges) | - | 2 (Laufzeit zu lang, fehlende Konservierung) | 1 (Galenik: zu große Wirkstoffpartikel) |
Beanstandete Zubereitungen insgesamt | 8 von 36 22 % | 12 von 36 33 % | 15 von 40 38 % |
Beanstandungen der Kennzeichnung
Die Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln muss den Anforderungen des § 14 ApBetrO entsprechen. Bei der Kennzeichnungsbeurteilung wurden geringfügige Mängel, zum Beispiel wenn die Verwendbarkeitsfrist nicht mit dem Hinweis »verwendbar bis« angegeben wurde, toleriert, und es wurde keine Beanstandung ausgesprochen. Die Abbildung zeigt die Zahl der Kennzeichnungsmängel pro Rezeptur.
Folgende Kennzeichnungsfehler wurden bei den Rezepturarzneimitteln festgestellt:
Insgesamt wurden somit 97 Kennzeichnungsmängel festgestellt. Von 36 Individualrezepturen (ein Defekturarzneimittel wurde beim Probenzug ad hoc gemäß § 14 ApBetrO als Individualrezeptur gekennzeichnet) sind 22 hinsichtlich der Kennzeichnung zu beanstanden, das entspricht einer Beanstandungsrate von 61 Prozent. 2010 lag die Beanstandungsrate bei den Individualrezepturen in der gleichen Größenordnung (58 Prozent). Ein Vergleich hinsichtlich der Kennzeichnung der Rezepturarzneimittel des Projektes 2008 ist nicht möglich, da dort nur die Beanstandungsrate von Rezepturen und Defekturen zusammen erfasst wurden und die Beurteilung nur auf Wunsch des Einsenders durchgeführt wurde.
2008 | 2010 | 2013 | |
---|---|---|---|
Beanstandung Gesamt | 20 von 24 Proben 83 % | 27 von 36 Proben 75 % | 24 von 40 Proben 60 % |
Beanstandung Rezeptur (§ 14 ApBetrO) | 11 von 19 (58 %) | 22 von 36* (61 %) | |
Beanstandung Defektur (§ 10 AMG) | 16 von 17 (94 %) | 2 von 4* (50 %) |
Beurteilung der Kennzeichnung von Defekturen
Folgende Kennzeichnungsmängel wurden bei den Defekturen festgestellt:
Von vier Defekturarzneimitteln sind zwei hinsichtlich der Kennzeichnung zu beanstanden. Aufgrund der geringen Anzahl an Defekturen ist ein sinnvoller Vergleich der Beanstandungsrate 2013 zur Beanstandungsquote im Bereich der Defekturarzneimittel-Kennzeichnung von 2010 nicht möglich. Bei dem Rezepturprojekt 2008 wurde die Beanstandungsrate von Rezepturen und Defekturen nur zusammen erfasst. Bei den zwei beanstandeten Defekturen wurden einmal neun und einmal sechs Kennzeichnungsmängel erfasst. Auch die Kennzeichnungen der nicht beanstandeten Defekturarzneimitteln wiesen noch kleinere Mängel auf.
Dokumentationsmängel
Abbildung: Zahl der Kennzeichnungsmängel pro Rezepturarzneimittel
Soweit die Plausibilitätsprüfungen und Herstellungsprotokolle der Arzneimitteluntersuchungsstelle vorlagen, wurden diese überprüft und im Gutachten Hinweise auf vorhandene Fehler gegeben.
In einem Fall wurde bei der Plausibilitätsprüfung nicht dokumentiert, ob die pH-Verträglichkeit bei der Kombination verschiedener Wirkstoffe gegeben ist. Für die Stabilität der Wirkstoffe und der damit verbundenen Qualität der Arzneimittel ist die Einhaltung des korrekten pH-Bereichs aber unbedingt erforderlich.
Zudem wurde in zwei Fällen bei der Plausibilitätsprüfung eine zu lange Aufbrauchfrist für das Arzneimittel gewählt. Ein Arzneimittel war mit einer Aufbrauchfrist von sechs Monaten gekennzeichnet, obwohl sie gemäß den Literaturangaben nur für vier Wochen gerechtfertigt war (4).
In einem Fall wurde die Grundlage Basiscreme DAC als wasserfreie Grundlage eingestuft, weshalb eine Konservierung nicht notwendig wäre. Tatsächlich handelte es sich aber um eine wasserhaltige, konservierte Rezepturgrundlage. Die Aufbrauchfrist wurde in diesem Fall dennoch korrekt gewählt.
Wie bereits oben erwähnt, war bei zwei Rezepturen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung die Überdosierung bereits in der Herstellungsdokumentation anhand der dokumentierten Einwaage erkennbar. Eine Freigabe der Rezeptur durch eine Apothekerin oder einen Apotheker hätte nicht erfolgen dürfen. Dennoch wurden diese Rezepturen zur Abgabe an die Patientin oder den Patienten freigegeben.
Gleiches gilt für den Fall der 100 Prozent überdosierten Rezeptur in der statt der verordneten Triamcinolon-Konzentration von 0,1 Prozent die Wirkstoffkonzentration 0,2 Prozent eingearbeitet wurde. Das war im Herstellungsprotokoll erkennbar. In diesem Fall hätte eine Freigabe des Arzneimittels nicht erfolgen dürfen, insbesondere deshalb nicht, da die Wirkstoffkonzentration für Triamcinolonacetonid außerhalb der therapeutischen Konzentration (0,025 bis 0,1 Prozent) lag (4).
In zwei Herstellungsprotokollen war die Dokumentation insofern auffällig, dass die Ist- und die Soll-Einwaagen aller Bestandteile identisch waren. Eine derartige Präzision bei der Einwaage von Substanzen ist ungewöhnlich. Aus langjähriger Labor- und Inspektionserfahrung heraus kann bestätigt werden, dass nur in äußerst seltenen Fällen tatsächlich der Ist-Wert einer Einwaage mit dem theoretischen Soll-Wert übereinstimmt.
Seitens der Amtsapotheker wurde auch berichtet, dass die erforderliche Dokumentation zum Teil in einigen Apotheken überhaupt nicht vorlag.
Diskussion
Insgesamt betrachtet hat sich die Qualität der in den Apotheken hergestellten, topisch anzuwendenden, halbfesten Glucocorticoid-haltigen Zubereitungen seit 2008 nicht verbessert. Obschon der Umfang des Probenzugs im Vergleich zu der Gesamtzahl der in öffentlichen Apotheken hergestellten Arzneimittel nur eine Stichprobe darstellt, kann diese Aussage zur Qualität gleichwohl getroffen werden, da drei unabhängig voneinander durchgeführte Projekte mit Proben aus unterschiedlichen Apotheken bei einer Auswahl nach dem Zufallsprinzip in den Jahren 2008, 2010 und 2013 zu vergleichbaren Ergebnissen geführt haben. Die Beanstandungsquoten lagen bei 22 Prozent bis 38 Prozent.
Im Vergleich dazu wurden in einem weiteren Rezepturprojekt 2009 in Krankenhausapotheken 80 hergestellte Arzneimittel gezogen und durch die Arzneimitteluntersuchungsstelle des Landes NRW analysiert. Hier lag die Beanstandungsquote der pharmazeutisch stofflichen Qualität nur bei circa 10 Prozent. Ein Grund ist sicherlich, dass damals überwiegend Lösungen untersucht wurden, bei denen Inhomogenitäten in der Regel aufgrund der Probenmatrix nicht auftreten. Im Vergleich zur öffentlichen Apotheke werden in den Krankenhausapotheken weitaus häufiger Arzneimittel hergestellt. Da dort die Herstellung von Arzneimitteln zu den Routineaufgaben gehört, ist der Einsatz standardisierter Verfahren möglich. Dies zeigt auch das 2012 durchgeführte Projekt ZytoK (Zytostatika aus Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken mit eigener Zytostatika-Herstellung). Bei keiner der vom LZG.NRW untersuchten Zytostatikazubereitungen aus Krankenhaus- oder krankenhausversorgenden Apotheken aus NRW war die pharmazeutisch stoffliche und mikrobiologische Qualität zu beanstanden (9). Aufgrund des hohen apparativen und personellen Aufwandes haben sich in NRW circa 140 Apotheken auf diesem Gebiet spezialisiert. Im Vergleich zur Gesamtzahl von circa 4500 Apotheken in NRW werden also nur in verhältnismäßig wenigen Apotheken Zytostatika hergestellt (10). Neben den Schulungen des Personals führt aber bestimmt auch hier die regelmäßige Herstellung im Rahmen eines qualitätsgesicherten Prozesses zu qualitativ hochwertigen patientenindividuellen Rezepturarzneimitteln.
Danksagung
Wir danken allen Amtsapothekerinnen und Amtsapothekern der beteiligten Gesundheitsbehörden NRW sowie allen an den Rezepturprojekten 2008, 2010 und 2013 beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arzneimitteluntersuchungsstelle. /
Kontakt
Dr. Andrea Wiegard
Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen
Fachgruppe Arzneimitteluntersuchung
Von-Stauffenberg-Straße 36
48151 Münster
E-Mail: andrea.wiegard(at)lzg.gc.nrw.de