Pharmazeutische Zeitung online
­Apothekenhonorierung II

Folgen der Honorarsituation und Lösungskonzepte

13.12.2011  17:40 Uhr

Von Ralf Denda, Berlin / Ein stagnierendes Honorar, steigende Kosten, kombiniert mit politischen Zwangsaufgaben und -abgaben – das ist zusammengefasst die aktuelle Situation der Apotheken in Deutschland. In der letzten Ausgabe der Pharmazeutischen Zeitung hat der erste Teil dieses Beitrags zur Apothekenhonorierung die Ausgangssituation beschrieben. Der zweite Teil zeigt nun Lösungskonzepte auf und gibt einen Ausblick auf Möglichkeiten zur Umsetzung.

Im ersten Teil der Serie (Apothekenhonorierung I: Fakten zur aktuellen Situation, PZ 49/2011) wurde dargestellt, dass sowohl der fixe als auch der variable Honoraranteil seit der Einführung des Kombimodells unverändert sind. Gleiches trifft für den Nacht- und Notdienst, die Rezepturherstellung sowie die BtM-Dokumentation zu. Der Apothekenabschlag nach Paragraf 130 SGB V hingegen wurde seit 2004 bereits fünfmal in seiner Höhe von der Politik zulasten der Apotheken angepasst.

Infolge dieser Honorarstagnation, der steigende Kosten gegenüberstehen, und bei anhaltend wachsendem Belastungs­druck, zuletzt durch die Doppelbelas­tungen im Rahmen des AMNOG, sind die Betriebsergebnisse vieler Apotheken rückläufig.

 

Während die GKV-Ausgaben in den letzten 10 Jahren um 50 Milliarden Euro und der Arzneimittelbereich um insge­samt rund 8 Milliarden Euro gewachsen sind, ist das Apothekenentgelt im selben Zeitraum lediglich um 0,4 Milliarden Euro gestiegen. Dabei muss beachtet werden, dass von den für 2011 ausgewiesenen 4,3 Milliarden Euro noch die 200 Millio­nen Euro abgezogen werden müssen, die der Großhandel von den für ihn vorgesehenen AMNOG-Belastungen an die Apotheken durchreicht. Somit steht unter dem Strich seit zehn Jahren lediglich ein Entgeltzuwachs von 200 Millionen Euro, das sind nicht einmal 5 Prozent. Dagegen sind die Einnahmen der GKV um 30 Prozent, die Tariflöhne um 18 Prozent und die Inflationsrate um 12,3 Prozent gestiegen (Abbildung 1).

In der Folge sinkt die Zahl der Apotheken. Ende Oktober 2011 lag sie mit 21 301 Betriebsstätten auf dem niedrigsten Stand seit 1996. Um die flächendeckende pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung auch zukünftig sicherstellen zu können, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

 

Verhandlungen zum Apothekenabschlag

 

Die politisch motivierten Änderungen des Apothekenabschlag gingen 2004 grundsätzlich zugunsten der GKV und zulasten der Apothekerschaft. Selbstverwaltungslösungen werden regelmäßig juristisch ausgehebelt und beklagt. Deshalb wissen die Apotheker bis heute nicht, wie hoch ihr Honorar in den Jahren 2009 und 2010 ausfallen wird.

 

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Apotheken über das AMNOG mit je 200 Millionen Euro in den Jahren 2010 und 2011 belastet werden. Da der Großhandel jedoch den für ihn vorgesehenen Sparbeitrag von ebenfalls 200 Millionen Euro auf die Apotheken abwälzt, wird der gesamte Sparbeitrag der Apotheken von 400 Millionen Euro bereits im Jahr 2010 voll erbracht. Will der Gesetzgeber seine eigenen Vorgaben einhalten, müsste der Apothekenabschlag bereits 2012 wieder auf den ursprünglichen Wert von 1,75 Euro zurückgeführt werden. Ein solches Vorgehen wäre im besten Sinne des Wortes rechtens.

 

Nach der Regelung des Paragrafen 130 Absatz 1 Satz 2 SGB V ist aufgrund des AMNOG der Apothekenabschlag mit Wirkung für das Jahr 2013 erneut anzupassen. Der zusätzliche Sparbeitrag, der mit dem AMNOG von den Apotheken eingefordert wurde, ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein zeitlich auf die Jahre 2011 und 2012 befristetes Sonderopfer. Zur Vermeidung weiterer rechtlicher Auseinandersetzungen über die Höhe des Apothekenabschlages und zur Einlösung des politischen Versprechens der Befristung muss deshalb im Gesetz klargestellt werden, dass bei den Verhandlungen für die Anpassung des Abschlages für das Jahr 2013  1,75 Euro als Ausgangsbasis gelten. Diese Klarstellung kann durch einen entsprechenden Passus in Paragraf 130 SGB V erfolgen. Der ABDA-Formulierungsvorschlag hierzu lautet: »Der Abschlag nach Satz 1, erster Halbsatz ist erstmalig mit Wirkung für das Kalenderjahr 2013 von den Vertragspartnern in der Vereinbarung nach Paragraf 129 Absatz 2 ausgehend von einem Abschlag von 1,75 Euro so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung.«

 

Fixum angleichen

 

Der Apothekenabschlag mindert den Stückrohertrag aus dem Fixum je abgerechnetem zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Fertigarzneimittel (GKV-RX-FAM) auf 6,38 Euro (8,10 Euro – 1,72 Euro). Somit ist beim Stückrohertrag für GKV-RX-FAM kein Wachstum seit nunmehr acht Jahren zu verzeichnen. Der Wert heute entspricht exakt dem Stückrohertrag aus dem Jahre 2004 (Abbildung 2).

Wird auch der variable Honoraranteil in die Betrachtung einbezogen, ergibt sich eine Steigerung des Stückrohertrages von 2004 bis heute um lediglich 2,8 Prozent. Diese Honorarsituation ist fatal. Denn, verglichen mit dem minimalen Anstieg ist zum Beispiel die auf die Sachkosten wirkende Inflationsrate im gleichen Zeitraum um 12,3 Prozent gestiegen. Die ADEXA-Tariflöhne haben sich zeitgleich um 18 Prozent erhöht und die GKV-Einnahmen sind sogar um nahezu 30 Prozent gestiegen (Abbildung 3).

Eine Angleichung des Fixums ist somit dringend geboten. Erste politische Gespräche deuten darauf hin, dass ein apothekenspezifisches Modell höhere Umsetzungschancen hat. Das bedeutet, dass eine Angleichung sich nicht an den für alle Freiberufe geltenden Honorarparametern allein bemessen lassen sollte. Im Gegenteil, ein Angleichungsmodell ist speziell auf die Honorarsituation der Apotheken zuzuschneiden.

 

Mögliche Anpassungsparameter allgemeiner Art könnten zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt, die Inflationsrate oder die Grundlohnsumme sein, als Einzelparameter oder auch kombiniert. Als apothekenspezifischer Parameter kommt beispielhaft die Entwicklung der Personal- und Sachkosten in den Apotheken infrage. Diskutiert wird auch, die Entwicklung der Arzneimittelpackungszahl im Rahmen eines Angleichungsmodells zu berücksichtigen. Hierdurch könnte dem mehrfach geäußerten Wunsch Rechnung getragen werden, die Mengenentwicklung zu berücksichtigen und beispielsweise einen über dem Durchschnitt liegenden Anstieg der Packungszahlen aus der Angleichung herauszurechnen.

 

Gemeinwohlpflichten angemessen vergüten

 

Die gesellschaftlich gewollten und von der Politik auf die Apotheken übertragenen Gemeinwohlpflichten sind bei der Umstellung der Apothekenhonorierung im Jahr 2004 und auch danach nicht an die Entwicklung der zugehörigen Aufwendungen und Kosten angepasst worden. Sie können allesamt nicht kostendeckend erbracht werden. Auch ein Quersubventionieren aus anderen Bereichen ist infolge der politischen Vorgaben und deren wirtschaftlichen Folgen für die Apotheken nicht möglich. Auch ordnungspolitisch ist die Quersubventionierung von Gemeinwohlaufgaben nicht angebracht – Gemeinwohlaufgaben müssen in sich tragfähig sein.

 

Der Anpassungsbedarf für die Honorierung der apothekerlichen Gemeinwohlpflichten ergibt sich aus drei Komponenten: der nachhaltigen Sicherstellung der flächendeckenden Nacht- und Notdienste der Apotheken, der Anpassung der Betäubungsmittelgebühr und der Erhöhung der Rezepturzuschläge

 

Sicherstellung der Nacht- und Notdienste

 

Jeweils rund 2000 Apotheken leisten an jedem der 365 Tage im Jahr Nacht- und Notdienste. Dies summiert sich auf rund 730 000 Notdienste pro Jahr. Weder die verwaltungsaufwendige Notdienstgebühr von 2,50 Euro noch der erzielte packungsbezogene Rohertrag von Arzneimittelabgaben sind geeignet, die Kosten der Apotheken entsprechend zu decken. Konservativ gerechnet haben die Apotheken beim Nacht- und Notdienst eine Unterdeckung von rund 192 Millionen Euro zu tragen. Dabei ist zu beachten, dass insbesondere Apotheken in ländlichen Regionen durch den Nacht- und Notdienst überdurchschnittlich belastet werden. Um die Sicherstellung von Nacht- und Notdiensten in der Fläche nachhaltig zu gewährleisten und diejenigen, die diese Leistung erbringen, gerecht zu honorieren, ist eine Pauschalvergütung für die Dienstbereitschaft der Apotheken im Notdienst verbunden mit einer Ausgleichsregelung zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung der richtige Weg. Deshalb könnte auf die gesonderte Erhebung einer Notdienstgebühr verzichtet werden, was ein Beitrag zur Entbürokratisierung im System wäre.

 

Wird die Unterdeckung von 192 Millionen Euro auf die Nacht- und Notdienst leistenden Apotheken über eine pauschale Vergütung umgelegt, ergibt sich für die Dienstbereitschaft der Apotheken eine Vergütungspauschale von 249 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an Werktagen sowie in Höhe von 293 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an Sonn- und Feiertagen und am 24. Dezember (Abbildung 4).

Kostenträger dieser Pauschale sollten die Gesetzliche Krankenversicherung sowie die Unternehmen der privaten Krankenversicherung im Verhältnis ihrer Versichertenzahlen sein. Um das Verfahren einfach, unbürokratisch und praktikabel zu gestalten, schlägt die ABDA vor, die Abrechnung dieser Vergütung analog des Umlageverfahrens zur Erstattung der Kosten des Sprechstundenbedarfes den jeweils zustän­digen Landesverbänden der Ortskrankenkassen zu übertragen.

 

Anpassung der Betäubungsmittelgebühr

 

Die Betäubungsmittelgebühr in Höhe von 26 Cent ist seit 1978 unverändert. Sie wurde lediglich 2001 aufkommensneutral auf Euro umgestellt. Insgesamt fallen pro Jahr rund 7,4 Millionen BtM-Rezeptpositionen an. Neben den gestiegenen Dokumentationsanforderungen betragen allein die Logistikkosten ein Vielfaches der geltenden Betäubungsmittelgebühr. Der BtM-Gebühr steht eine vom Großhandel eingeforderte Gebühr für die Apotheken entgegen, die im Schnitt rund 1 Euro pro Beleg beträgt. Somit müssen Apotheken hier wie beim Nacht- und Notdienst draufzahlen.

 

Im Jahr 2004 ist die Kostendeckung für die BtM-Dokumentation mit einem Betrag von 2 Euro beziffert worden. Dieser Betrag muss jedoch auf den aktuellen Stand gebracht und somit angeglichen werden. Entsprechend der durchschnittlichen Steigerungen von Bruttoinlandprodukt, Inflation und Grundlohnsumme von 2004 bis 2010 führt dies zu einer Angleichungsquote von 10 Prozent und somit zu 2,20 Euro.

 

Als letzter Schritt muss nun noch die Großhandelsgebühr von durchschnittlich 1 Euro eingerechnet werden. Da sie, je nach Großhändler und vereinbarten Konditionen, nur bei rund 4,4 Millionen Großhandelsbelieferungen anfällt, ergibt sich eine notwen­dige Anpassung der Betäubungsmittelgebühr auf einen Betrag von künftig 2,80 Euro (Abbildung 5).

 

Erhöhung der Rezepturzuschläge

 

Die Rezepturzuschläge nach Paragraf 5 Arzneimittelpreisverordnung wurden zuletzt im Jahr 2004 angepasst, auf 2,50 Euro, 5 Euro sowie 7 Euro. Unter Berücksichtigung der Bearbeitungszeiten für Rezepturen einer durchschnittlichen Apotheke ergibt sich eine Unterdeckung bei Standardrezepturen von 13,40 Euro im Schnitt. Bei durchschnittlich rund 10,2 Millionen Standartrezepturen pro Jahr errechnet sich eine Unterdeckung von 137 Millionen Euro. Diese Größenordnung wird auch durch eine wissenschaftliche Untersuchung bestätigt.

Um diese Unterdeckung auszu-­­ g­leichen, müssten die Rezepturzuschläge auf 15,90 Euro, 18,40 Euro und 20,90 Euro angehoben werden (Abbildung 6).

 

Ausblick

 

Ob die Politik die von ihr selbst fehlerhaft angelegte Belastung im AMNOG korrigiert, bleibt abzuwarten. Das die Wirkrichtung von Abschlagsanhebung und Großhandelsrabatt falsch eingeschätzt wurde, lässt sich jedoch nicht mehr von der Hand weisen.

Die Festlegung im Gesetz auf 1,75 Euro als Basis für die kommenden Abschlagsverhandlungen ist problemlos machbar. Sie unterstreicht auch die Absicht des Gesetzgebers , die Mehrbelastung der Apotheken zeitlich befristet auferlegt zu haben.

 

Die Notwendigkeit, das Apothekenhonorar anzugleichen, wird mittlerweile von vielen Politikern nachvollzogen. Insbesondere bei der Angleichung des Fixums wird immer häufiger Handlungsbedarf erkannt. Dabei ist zu beachten, dass ausschließlich die Angleichung des Fixums eine kontinuierliche Anpassung der Honorarsituation an die Kostenentwicklung gewährleistet. Somit muss nicht alle paar Jahre neu angepasst werden und die Apotheken erhalten einen verlässlichen Honorierungsrahmen, der Investitionen in die Zukunft sicherstellt. Ein konkretes Angleichungsmodell sollte dabei auch den Anforderungen aus der Politik zur Berücksichtigung von apothekenspezifischen Besonderheiten sowie der Einbeziehung der Mengenentwicklung nachkommen.

 

Bei den Gemeinwohlpflichten Nacht- und Notdienst, BtM-Gebühr und Rezeptherstellung trifft insbesondere das Modell der Nacht- und Notdienst-Pauschale auf Interesse. Es ist geeignet, zielgenau die Versorgung insbesondere in schwach versorgten Regionen zu fördern und schafft mehr Gerechtigkeit für die häufiger notdienstleistenden Landapotheken. Die Pauschale vergütet dabei leistungsgerecht. Zudem dient das Modell dem weiteren Bürokratieabbau im Gesundheitswesen.

 

Gelegenheiten zur Umsetzung der beschriebenen Notwendigkeiten gibt es immer wieder. Politische Neuregelungen im Gesundheitswesen finden inzwischen unterjährig statt. Vor der Bundestagswahl in 2013 hat die Politik noch zahlreiche weitere Gesetzesmaßnahmen angekündigt, die als sogenannter Gesetzesomnibus die Anpassungen zur Apothekenhonorierung transportieren können. / 

Mehr von Avoxa