Ohne Plan |
27.11.2012 17:53 Uhr |
Typ-1-Diabetes zu heilen, ist bisher leider nicht möglich. Auf der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin wurde aber deutlich, dass sich Forscher mit vielen neuen Therapieansätzen beschäftigen. Sie testen etwa sogenannte künstliche Bauchspeicheldrüsen, den Einsatz von Stammzellen oder Impfungen. Inselzelltransplantationen sind bereits außerhalb von Studien bei bestimmten Typ-1-Diabetikern möglich (lesen Sie dazu Inselzelltransplantation: Frau Merkels Rückkehr ins Leben).
Das Gros der zuckerkranken Patienten, etwa 90 Prozent, gehört aber in die Gruppe der Typ-2-Diabetiker. Anders als Typ-1-Diabetes ließe sich diese Form der Stoffwechselkrankheit durch einen gesunden Lebensstil häufig verhindern. Aktuell sind etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus erkrankt. Täglich kommen mehr als 700 neue Typ-2-Diabetiker hinzu, pro Jahr etwa 270 000 Menschen. Dabei beginnt der Typ-2-Diabetes immer früher, und zunehmend sind auch Kinder und Jugendliche betroffen.
Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass es einer Strategie bedarf, um dieser Diabeteswelle zu entkommen. So hat die Weltgesundheitsorganisation bereits 2002 die Regierungen aufgefordert, nationale Programme zur Primärprävention des Diabetes zu entwickeln. 2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution »UNite for Diabetes« und 2007 forderte auch die Europäische Union in der »Declaration of Diabetes« alle Mitgliedsländer nachdrücklich auf, nationale Diabetespläne zu entwickeln. 17 Mitgliedsstaaten der EU haben diese Empfehlung bereits umgesetzt. Deutschland ist nicht darunter – obwohl es Europameister in Sachen Adipositas und Übergewicht ist, und Handeln daher dringend notwendig wäre.
Der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, sagte vor wenigen Monaten: »Kein Land der Erde kann es sich mehr leisten, den dramatischen Anstieg des Diabetes zu ignorieren.« Dass das auch für Deutschland gilt, lässt sich mit Zahlen belegen. Die direkten Krankheitskosten eines Menschen mit Diabetes liegen etwa 1,8-fach höher als die Kosten für Menschen ohne Diabetes. Im Zeitraum von 2000 bis 2009 stiegen die direkten inflationsbereinigten Ausgaben für Diabetes um fast 30 Prozent von 37,7 Milliarden Euro auf 48,2 Milliarden Euro an. Jährlich ist das eine Steigerungsrate von mehr als 1 Milliarde Euro.
Glücklicherweise besteht bei Diabetesverbänden und Patientenorganisationen nun breiter Konsens, dass eine nationale Initiative notwendig ist. Wichtige Handlungsfelder müssen darin die Primärprävention von Diabetes und eine bessere Früherkennung von Typ-2-Diabetikern sein. Jetzt gilt es, Druck auf die Politiker auszuüben, den nationalen Diabetesplan endlich auch in die Tat umzusetzen.
Sven Siebenand
Stellvertretender Chefredakteur