Richtig anwenden, Resistenz vermeiden |
21.11.2017 15:11 Uhr |
Von Daniela Hüttemann, Bad Segeberg / Derzeit scheinen vor allem in Norddeutschland die Fälle von Krätze zuzunehmen. Versagen die gängigen Therapien, ist das meist auf Behandlungsfehler zurückzuführen. Resistenzen sind dagegen noch selten.
»Früher hatten wir alle drei bis vier Wochen einen Patienten mit Krätzmilbenbefall, zumeist Erwachsene, jetzt behandeln wir fast täglich Skabies-Patienten, darunter auch viele Kinder«, sagte die Dermatologin Professor Dr. Regina Fölster-Holst von der Universitäts-Hautklinik in Kiel vergangene Woche bei einer Fortbildung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in Bad Segeberg.
Die Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei var. hominis) gehört zu den Spinnentieren. Die Weibchen bohren Gänge in die Epidermis, wo sie Eier und Kot hinterlassen.
Foto: Eye of Science/Meckes, Ottawa
Zu gehäuften Krätze-Fällen kommt es in Deutschland immer wieder. Gesamtzahlen liegen zwar nicht vor, da Scabies im Einzelfall nicht meldepflichtig ist. Betroffene Einrichtungen wie Kitas, Pflegeheime oder Flüchtlingsunterkünfte müssen aber bei einem Befall Meldung machen. Erfasst werden auch die stationären Fälle. Sie lagen im Jahr 2000 bei 2711 Fällen, 2010 bei 755 und 2015 bei 2753.
Die Häufigkeit der Scabies unterliege langjährigen Zyklen, deren Ursachen nicht genügend erforscht sind, so das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Anfrage der PZ. Eine Erfassung des RKI mithilfe eines Teils der Gesundheitsämter ergab knapp 7 000 Meldungen aus Gemeinschaftseinrichtungen im Jahr 2016, wobei von einer Untererfassung auszugehen sei. Je nach Region wurden zunehmende, rückläufige oder stagnierende Fallzahlen registriert. Aktuelle Zahlen für 2017 nannte das RKI nicht.
Fehler bei der Anwendung
Sind Resistenzen ein Grund für das gehäufte Auftreten der Krätzmilbe wie derzeit in Kiel? »Das ist gut möglich, jedoch ist in einigen Fällen nach wie vor ein Anwendungsfehler die Ursache, wenn die Therapie nicht anschlägt«, so Fölster-Holst. Zudem werde oft versäumt, alle engen Kontaktpersonen mitzubehandeln, unabhängig davon, ob sie Symptome zeigen oder nicht. Die Inkubationszeit beträgt bei erstmaligem Befall zwei bis fünf Wochen. Bei bestehender Sensibilisierung können bei einer Reinfestation bereits nach ein bis vier Tagen erneut Hautreaktionen auftreten. »Es müssen alle Kontaktpersonen simultan behandelt werden, sonst geht die Infektion hin und her«, betont die Dermatologin, die auch an der aktuellen S1-Linie mitgeschrieben hat.
Die Krätze ist eine infektiöse Hauterkrankung, die von der Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei var. hominis) ausgelöst wird. Typische Zeichen sind starker Juckreiz, erkennbare Milbengänge und ekzematöse Hautveränderungen. Übertragen wird die gewöhnliche Scabies meist über engen Körperkontakt, der fünf bis zehn Minuten anhalten muss. Beim Händeschütteln, kurzen Umarmungen oder Küssen werden Krätzmilben nicht übertragen, außer bei extrem starkem Befall (Scabies crustosa). Desinfektion von Händen oder auch Gegenständen ist nutzlos und daher unnötig. Bei Krätzmilbenbefall sollten zusätzlich zur medikamentösen Behandlung Kleidung, Bettwäsche, Handtücher und weitere Stoffgegenstände mit längerem Körperkontakt bei mindestens 50 °Celsius für mindestens zehn Minuten gewaschen werden. Alternativ können die Gegenstände für mindestens 72 Stunden luftdicht in Folie oder Plastiksäcke verpackt bei mindestens 21 °Celsius gelagert werden. Einfrieren bei -18 °Celsius reicht dagegen nicht aus. Polstermöbel, Sofakissen und Teppiche sollten mit einem starken Staubsauger abgesaugt oder für mindestens 48 Stunden nicht benutzt werden. Die Krätzmilbe ist fern von menschlicher Haut bei üblicher Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit nur maximal 48 Stunden überlebensfähig.
Mittel der Wahl für alle Altersgruppen ist derzeit eine topische, lückenlose Behandlung des gesamten Körpers vom Unterkiefer abwärts einschließlich hinter den Ohren mit Permethrin 5 Prozent. Fingernägel sollten zuvor kurzgeschnitten und mitbehandelt werden – gerade die Region unter dem Nagel wird häufig vergessen. Das Arzneimittel wird einmalig aufgetragen, sollte acht bis zwölf Stunden, am besten über Nacht, einwirken und dann abgewaschen werden. Direkt nach dieser einmaligen Behandlung dürfen die Patienten wieder eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen oder zur Arbeit gehen.
Evidenzen für klinisch relevante Resistenzen gegen Antiscabiosa seien bislang rar, heißt es in der S1-Leitlinie aus dem Jahr 2016. »In den meisten Fällen geht eine fortbestehende Infektion auf einen Fehler in der Anwendung zurück.« Fölster-Holst zufolge wurde aber mittlerweile über echte Resistenzen auf internationalen Fachtagungen berichtet.
Bei Zweifeln an der korrekten Anwendung sollte die Therapie wiederholt werden. Auch bei Befall der Handinnenflächen und Fußsohlen sollte nach einer Woche erneut behandelt werden. Bei Kindern unter drei Jahren sollten zudem Kopf und Gesicht mit Aussparung der Mund- und Augenpartie eingecremt werden. Säuglinge und junge Kleinkinder werden aufgrund eines höheren Risikos für Fehlanwendungen und damit auch eines höheren Toxizitätsrisikos in der Regel stationär behandelt.
Ivermectin einmalig oral
Therapie der zweiten Wahl, insbesondere wenn der Patient auf Permethrin nicht anspricht, ist die einmalige orale Einnahme von Ivermectin. Dosiert wird nach Körpergewicht (0,2 mg pro kg Körpergewicht), was Arzt oder Apotheker berechnen sollten. Bei Kindern darf es ab 15 kg Körpergewicht eingesetzt werden. Die Tabletten sollten möglichst mindestens zwei Stunden vor oder nach einer Mahlzeit eingenommen werden. Orales Ivermectin sollte auch zur Erstlinientherapie eingesetzt werden bei Immunsupprimierten, bei Patienten mit stark ekzematöser oder erosiver Haut sowie wenn eine topische Ganzkörperbehandlung nicht sachgemäß erfolgen kann, zum Beispiel bei körperlicher Behinderung, kognitiver Einschränkung, fehlendem Verständnis seitens des Patienten oder organisatorischen Schwierigkeiten, etwa in Sammelunterkünften. Wichtig ist, die orale Therapie mit einer Lokalbehandlung zu kombinieren.
Ein typisches Symptom für einen Krätzmilbenbefall ist starker Juckreiz.
Foto: iStock/Tharakorn
Seit September bestand für das derzeit einzige in Deutschland zugelassene orale Ivermectin-Präparat (Scabioral® 3 mg Tabletten von Infectopharm) ein Lieferengpass. Laut Hersteller ist das Medikament aber ab sofort wieder lieferbar.
Bei immunsupprimierten Patienten, bei ausgedehnter Scabies oder der Borkenkrätze (Scabies crustosa, extrem starker Milbenbefall) sollte nach 7 bis 14 Tagen die orale Behandlung mit Ivermectin wiederholt werden. Das gilt auch bei Zeichen einer noch aktiven Infestation nach 14 Tagen sowie bei Ausbrüchen in Heimen und in Situationen, in denen mehrere Personen betroffen sind, um Ansteckungsketten zu vermeiden.
Alternativ steht als zweite Wahl eine Benzylbenzoat-Emulsion 25 Prozent (für Kinder ab drei Jahren 10 Prozent) zur Verfügung, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen werden muss und erst am vierten Tag abgewaschen werden darf. Crotamiton wird als 10-prozentige Lösung, Creme oder Salbe oder als 5-prozentiges Gel an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen und abschließend abgewaschen. Es gilt als Therapie der dritten Wahl (bei Kindern unter drei Jahren zweite Wahl).
Hautpflege nicht vergessen
Im Anschluss an die topische Therapie mit Antiscabiosa sollte die Haut mit wirkstofffreien Salben oder Cremes gepflegt werden, um Austrocknung und Irritation zu vermeiden. Bei einem postskabiösen Ekzem kommen topische Corticosteroide zum Einsatz. Diese nachfolgenden Hautreaktionen sind nicht mehr ansteckend, können aber mit einer erneuten Infestation verwechselt werden, ebenso Hautirritationen und Juckreiz, die die Behandlung auslösen kann. /