Celesio reicht den Apothekern die Hand |
31.10.2011 16:39 Uhr |
Von Uta Grossmann / Der Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio will sich auf das Kerngeschäft Großhandel und Apotheken konzentrieren und eine europaweite Apotheken-Partnerschaft aufbauen. Damit versucht das Unternehmen, verlorenes Vertrauen der Apothekerschaft zurückzugewinnen.
Die Geschäfte laufen schlecht bei Celesio, und bei den Apothekern ist der Pharmagroßhändler schon lange nicht mehr gut angesehen. Als Celesio mit dem Kauf von DocMorris 2007 auf den Versandhandel setzte und lange die Einführung von Apothekenketten in Deutschland betrieb, kehrten viele Apotheker dem Liferanten Gehe, der zu Celesio gehört, den Rücken.
Pinger setzt auf eine Neuausrichtung
Nun will der neue Vorstandsvorsitzende Markus Pinger den Laden auf Vordermann bringen und ihn strategisch und strukturell neu ausrichten. Pinger ist seit Mitte August Celesio-Vorstandschef. Ende Juni musste sein Vorgänger Dr. Fritz Oesterle gehen, der maßgeblich daran beteiligt war, die Apothekerschaft zu vergrätzen.
Der neue Vorstandschef von Celesio, Markus Pinger, will den Konflikt mit den Apothekern wegen DocMorris lösen.
Foto: Celesio
Demnächst verlassen auch Finanzvorstand Dr. Christian Holzherr und Vorstandsmitglied Dr. Michael Lonsert das Unternehmen. Celesio kündigte vorige Woche in einer Pressemitteilung an, »mit innovativen Service- und Shopkonzepten Partner erster Wahl für Apotheken in Europa« werden zu wollen. Dass Pinger mit der bisherigen Celesio-Strategie brechen will, die auf eine Ausweitung der Tätigkeiten auf Dienstleistungen für das Gesundheitswesen ausgerichtet war, zeigte sich schon kurz nach seinem Amtsantritt, als er im September das Joint Venture mit dem US-amerikanischen Großkonzern Medco kurzerhand beendete.
Die zum Duisburger Mischkonzern Haniel gehörende Celesio will ihre Logistikkompetenz erweitern. Apotheken soll »ein professionelles Lagermanagement und Bestellwesen als innovative Dienstleistung angeboten werden«, kündigt der Konzern an. Durch die Entlastung von administrativen Aufgaben sollen die Apotheken mehr Zeit für die Beratung der Kunden haben. Pinger hofft, mit solchen Angeboten den Kundenstamm stärker an Celesio zu binden und neue Kunden zu erschließen. »Wir wollen in Deutschland und allen unseren Märkten der Partner erster Wahl für unsere Kunden – die Apotheker – sein. Darauf werden wir alle unsere Kräfte ausrichten und eine europaweite Apotheken-Partnerschaft aufbauen«, so Pinger.
Als Beispiele nannte der Vorstandschef eine bessere Vermarktung von OTC-Produkten und Eigenmarken im Bereich Health and Beauty, neue Shopkonzepte für Apotheken oder Vorteile durch die Bündelung der Einkaufs- und Marketingaktivitäten.
Offizin als Dreh- und Angelpunkt
Außerdem soll es Serviceangebote unter der Überschrift »Managed Care« für Chroniker geben. »Anders als bei dem inzwischen beendeten Joint Venture mit Medco wird bei all unseren Überlegungen die Apotheke der Dreh- und Angelpunkt« sein, versicherte Pinger. Er sprach auch explizit den Konflikt mit den Apothekern wegen des Kaufs von DocMorris an und versprach, ihn zu lösen. Man wolle prüfen, »wie eine sinnvolle Verbindung von Versandhandel und Präsenzapotheke aussehen könnte« und dazu 2012 eine Lösung präsentieren. Auf Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung sagte Celesio-Sprecher Rainer Berghausen, es gebe diverse Ideen, von denen noch keine spruchreif sei. Er verwies aber auf die Kooperation der DocMorris-Präsenzapotheken in Elmshorn und Pinneberg mit der Versandapotheke DocMorris als ein Beispiel dafür, in welche Richtung es gehen könnte.
Die DocMorris-Apotheken in Elmshorn und Pinneberg bieten seit Mai eine Art Pick-up-Service an. Kunden können Rezepte von einer der beiden Apotheke an die Versandapotheke weiterleiten lassen, um von dem Bonus auf rezeptpflichtige Medikamente zu profitieren. Die in den Niederlanden ansässige DocMorris-Versandapotheke bietet den Bonus an, der in deutschen Apotheken gesetzlich nicht erlaubt ist. Die Kunden können die Medikamente in der Apotheke abholen oder sie sich nach Hause schicken lassen. Die Zukunft der derzeit 162 DocMorris-Präsenzapotheken ist nach Aussage Berghausens offen. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche sagte Vorstand Pinger, er schließe selbst einen Verkauf der Apothekenmarke DocMorris nicht aus. Wegen der Fokussierung auf das Kerngeschäft Pharmagroßhandel und Apotheken prüft der Vorstand auch einen Verkauf des Geschäftsbereichs Manufacturer Solutions, der mit Movianto und Pharmexx Arzneimittellogistik und Marketingunterstützung für die Pharmaindustrie bietet. Verantwortlich für den Geschäftsbereich ist das zum Jahresende ausscheidende Vorstandsmitglied Lonsert.
Celesio will auch außerhalb Europas wachsen
Celesio will auch in Regionen außerhalb Europas wachsen. In Brasilien sei man mit Panpharma und der jüngsten Akquisition Oncoprod bereits die Nummer eins im Großhandel und in der Distribution von Spezialmedikamenten, sagte Pinger.
Weitere Expansionsmöglichkeiten sieht Celesio in anderen lateinamerikanischen Ländern und im Mittleren Osten – nicht nur für den Großhandel, sondern auch im Apothekengeschäft. Im Rahmen eines Operational-Excellence-Programms will Celesio bereits 2012 die Wende zu einem positiven Ergebnis schaffen. Dazu zählen der Stopp von Projekten mit hohen Anlaufverlusten, eine Reduzierung der Verluste beim Aufbau neuer Apotheken in Schweden und die Verringerung indirekter Kosten in allen großen Verwaltungen des Konzerns. Das Programm wird im laufenden Jahr voraussichtlich bis zu 100 Millionen Euro kosten und das Jahresergebnis 2011 belasten. Vom kommenden Jahr an rechnet Pinger mit jährlichen Entlastungen von 50 Millionen Euro. /
Skepsis ist angebracht
Der neue Celesio-Chef Markus Pinger sendet eindeutige Signale: Er will die vergrätzte Apothekerschaft mit dem Konzern versöhnen. Sein Vorgänger Dr. Fritz Oesterle, der Ende Juni gehen musste, hatte viel Porzellan zerschlagen. Den Kauf der Versandapotheke DocMorris und die Etablierung von DocMorris-Apotheken verstanden die Apotheker als Kampfansage – zumal Oesterle bei jeder Gelegenheit für die Erlaubnis von Apothekenketten in Deutschland warb. Reihenweise kündigten Apotheker der Celesio-Tochter Gehe die Geschäftsbeziehungen. Oesterle hatte allerdings aufs falsche Pferd gesetzt: Der Europäische Gerichtshof bestätigte 2009 das deutsche Fremdbesitzverbot, Celesios Pläne waren grandios gescheitert. Auch der Versuch, mit dem US-Riesen Medco neue Geschäftsfelder in der Patientenversorgung zu erschließen, brachte dem schwächelnden Konzern kein Geld ein. Der neue Vorstandschef reißt nun das Ruder herum. Er umschmeichelt die Apotheker und kündigt ihnen neue Serviceangebote an, bei denen die Offizin der Dreh- und Angelpunkt sein soll. Dass die Apotheker die Botschaft gern hören, ihnen aber der Glaube fehlt, ist verständlich. Ideen wie jene von Pick-up-Stellen in DocMorris-Präsenzapotheken tragen nicht dazu bei, den Glauben an Celesios neue Apothekerfreundlichkeit zu festigen.
Dr. Uta Grossmann
Ressortleitung Wirtschaft