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Husten

Orkan in den Atemwegen

21.10.2009  13:46 Uhr

Damit die Lunge ein Leben lang all den fremden und teilweise auch schädlichen Einflüssen der Umwelt widerstehen kann, muss sie über einen guten Schutz- und einen ebenso guten Reinigungsmechanismus verfügen. Diese Aufgaben übernehmen die Zilien und der Husten. Die Atemwege sind von einem schleimigen Überzug bedeckt, in dem sich korpuskuläre Stoffe, Erreger und andere Fremdstoffe während des Einatmungsvorgangs »verfangen« und ablagern. Durch das stete Schlagen transportieren die Flimmerhaare des Atemwegs­epithels diesen Schleim mit all seinen eingeatmeten Fremdstoffen aus der Lunge heraus. Dies nennt man »mukoziliäre Clearance«.

 

Muss es ganz schnell gehen oder ist die mukoziliäre Clearance überlastet oder geschädigt, greift der Husten. Er ist Reinigungsmechanismus und unverzichtbarer Schutzreflex der Atemwege. Ein kräftiger Hustenstoß befördert versehentlich eingeatmete Brotkrümel oder mögliche Eindringlinge, Staubpartikel und Fremdkörper aus den Atemwegen rasch wieder heraus und befreit so die Atemwege. Aber nicht nur sicht- und fühlbare Fremdkörper werden durch Husten entfernt. Besiedeln Viren oder andere Erreger die Atemwege, reagiert die Lunge mit verstärkter Schleimbildung. Dieser Schleim kann durch Hustenstöße aus den Atemwegen herausgeschleudert werden – und mit ihm die schädlichen Eindringlinge.

 

Husten scheint ganz einfach zu funk­tionieren, aber dahinter steckt ein kompliziertes physiologisch-neuronales Geschehen. Husten wird durch die Reizung eines komplexen Reflexbogens, den Hustenreflex, ausgelöst. Dieser Reflexbogen besteht aus fünf Anteilen:

 

den Hustenrezeptoren,

dem afferenten Schenkel,

dem Hustenzentrum im Gehirn,

dem efferenten Schenkel und

den Effektororganen Kehlkopf, Brust- und Bauchmuskulatur.

 

Wie funktioniert der Reflexbogen? Hustenrezeptoren, die das Signal zum Auslösen eines Hustenstoßes geben, sind an verschiedenen Stellen im Oberkörper verteilt. Sie sitzen überall in der Lunge: in der Luftröhre, den großen Bronchien bis hinunter zu den kleinen Bronchien und in der Pleura (Brustfell). Die Rezeptoren befinden sich auch im Perikard (Herzbeutel), in der Speiseröhre, im Magen und im Zwerchfell. Sie sind allerdings nicht gleichmäßig verteilt: Am dichtesten sitzen sie am Kehlkopf und in den oberen Atemwegen. Es handelt sich um chemisch oder mechanisch erregbare Rezeptoren. Mechanische Hustenrezeptoren werden zum Beispiel durch Berührung oder Druck, chemische Rezeptoren hingegen durch Rauch, giftige Gase oder Veränderung des pH-Werts stimuliert.

Wird ein Hustenrezeptor gereizt, leitet er den Impuls über den afferenten Schenkel (N. vagus, eventuell auch der N. trigeminus und N. glossopharyngeus) in das »Hustenzentrum« des Gehirns weiter (siehe Grafik). Dieses befindet sich in der Medulla oblongata des Gehirns, die wiederum Verbindungen zu Großhirnrinde hat; dies erklärt, warum man den Husten willkürlich unterdrücken kann. Von dort werden über den efferenten Schenkel das Zwerchfell und die Bauch- und Atemmuskulatur als Effektororgane aktiviert, was augenblicklich ein koordiniertes, stoßweißes explosionsartiges Ausatmen auslöst.

 

Allerdings mit einem ungewöhnlichen Unterschied zum normalen Atemvorgang: Das Ausatmen wird gegen die geschlossenen Stimmritzen eingeleitet, die sich erst einige Augenblicke später öffnen. Dadurch entsteht ein sehr hoher Druck von bis zu 300 mmHg im Brustkorb und die Flussgeschwindigkeit der ausgeatmeten Luft erreicht mehr als 600 km/h! Die Öffnung der Stimmritzen und das explosionsartige Heraustreten der Luft sind als typisches Hustengeräusch zu hören.

 

Nicht nur die Art der Hustenentstehung ist ungewöhnlich. Dieser Schutzreflex hat noch eine Besonderheit: Er lässt sich willkürlich hervorrufen, aber auch unterdrücken. So kann ein mäßig starker Hustenreiz, der zu einem unpassenden Zeitpunkt auftritt, wenigstens über einen gewissen Zeitraum bewusst unterdrückt werden.

 

Akut oder chronisch?

 

Husten ist einerseits ein Schutzreflex, andererseits aber auch ein Symptom, das bei unterschiedlichen Erkrankungen auftritt. Dazu kommt es, wenn der primäre mukoziliäre Clearance-Mechanismus geschädigt ist, beispielsweise bei Rauchern, wenn das Bronchialsystem mit Fremdmaterial überflutet wird, bei Entzündungen, vermehrter Schleimbildung oder Fremdkörpern.

Tabelle 1: Assoziation von zeitlichem Auftreten des Hustens mit möglichen Ursachen

Modalität mögliche Ursache
morgens Raucherhusten, chronische Bronchitis
nachts Herzschwäche (Asthma cardiale), Asthma bronchiale
bei Lagewechsel Aussackung der Bronchien (Bronchiektasen), Lungenabszess, Fremdkörperaspiration
bei Belastung Asthma bronchiale, Lungengerüsterkrankung (Lungenfibrose), Herzschwäche (Asthma cardiale)
nach dem Essen Schluckstörung/-lähmung, Aspiration

Man unterscheidet verschiedene Formen des Hustens, die Hinweise auf die mögliche Ursache geben. Diese Einteilung erfolgt nach der Dauer, dem Zeitpunkt des Auftretens und der Art des Hustens. Die wichtigste Überlegung für den Arzt und Apotheker ist es, ob der Husten als chronisch zu werten ist oder nicht.

 

Über die Frage, ab wann Husten als chronisch eingestuft werden soll, sind sich die Lungenfachärzte international nicht einig. Während in den amerikanischen Leitlinien anhaltender Husten bis zu drei Wochen als akut, zwischen drei und sechs Wochen als subakut und darüber hinaus als chronisch gilt, stimmen die deutschen Experten darin überein, Husten erst ab einer Dauer von acht Wochen als chronisch zu bewerten. Die deutsche Leitlinie bezieht sich dabei auf den üblichen Spontanverlauf: Bei einem akuten banalen Infekt der Atemwege klingt Husten nach vier Wochen komplett ab. Einige Erreger wie Adenoviren und Mykoplasmen verursachen bis zu acht Wochen Husten; nur die eher seltene Infektion mit Bordetella pertussis kann noch länger Symptome hervorrufen.

 

Die Beurteilung, ob der Husten akut oder chronisch ist, hilft nicht nur bei der Ursachenforschung. Davon hängt auch ab, ob und wie weit der Arzt Diagnostik betreibt. Es gilt dabei immer, dass chronischer Husten (länger als acht Wochen) abgeklärt werden muss, während in der Zeit davor – bei unkompliziertem Husten – Abwarten gerechtfertigt ist. Bei Begleiterscheinungen wie blutigem Auswurf, Schmerzen, persistierendem Fieber oder ausgeprägtem Schwächegefühl wird der Arzt aber sofort diagnostische Schritte einleiten. Auch das zeitliche Auftreten des Hustens sowie Menge und Qualität des Auswurfs liefern wichtige Informationen.

Tabelle 2: Assoziation von Menge und Qualität des Auswurfs mit möglichen Ursachen

Modalität mögliche Ursache
trockener Husten Lungengerüsterkrankung (Lungenfibrose), Asthma bronchiale, Lungenkrebs, Medikamentennebenwirkungen
große Mengen an Auswurf Lungenentzündung, Aussackung der Bronchien (Bronchiektasen), Lungenabszess
eitrig Lungenentzündung, akute bakterielle Bronchitis, Lungenabszess, Aussackung der Bronchien (Bronchiektasen)
weißlich Asthma bronchiale (zäh), Lungenödem (flüssig)
blutig akute Bronchitis mit verletzlicher Schleimhaut, Lungenkrebs, Lungentuberkulose, Fremdkörper oder Verletzung

Chronischer Husten soll, wann immer möglich, kausal behandelt werden. Daher muss die Ursache der Beschwerden vor Therapiebeginn abgeklärt werden. Neben dem Abhören (Auskultation) können dazu ein Lungenfunktionstest, eine Röntgen­untersuchung, gegebenenfalls eine Untersuchung des Auswurfs oder sogar eine Bronchoskopie (Lungenspiegelung) erforderlich sein. Bei 75 bis 90 Prozent der Patienten mit chronischem Husten findet der Arzt die Ursache.

 

Viele Ursachen für ein Symptom

 

Bei Patienten mit akuten Beschwerden ist der Verzicht auf eine tiefergehende Diagnostik zulässig, wenn die Begleitsymptome auf die weitaus häufigste Ursache hinweisen: die gewöhnliche (banale) Virusinfektion der Atemwege, im Volksmund »Erkältungskrankheit« genannt. Diese tritt je nach Lebensalter zwischen 2- und 5-mal im Jahr auf und führt zu dem bekannten Symptomenkomplex aus Schnupfen, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen. Die Infektion heilt üblicherweise spontan aus. Dennoch kann der Husten quälend sein oder den Nachtschlaf stören, sodass eine Behandlung erforderlich ist. In diesem Fall darf die Therapie ohne Nachweis einer Ursache erfolgen.

 

Weitere häufige Ursachen für akuten Husten sind andere Atemwegsinfektionen wie Lungenentzündung oder allergische Atemwegsentzündung, Medikamenten­nebenwirkungen, akute Krankheitsverschlechterung (Exazerbation) von Asthma oder chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) sowie Lungenembolien.

 

Die wichtigsten pneumologischen Ursachen für chronischen Husten sind die sogenannte »Hustenvariante« des Asthma bronchiale, die COPD, das »Upper airway cough syndrom« oder »Postnasal drip« (Schleimstraße im Rachen, Irritationsgefühl im Hals, Globus, Hustenreiz, Räusperzwang) und der gastroösophageale Reflux, wobei die beiden Letzteren in der deutschen Leitlinie dem Begriff »chronisch persistierender Husten (CPH)« untergeordnet werden. Ebenso können diffuse Lungen­gerüst- und Lungengewebeerkrankungen, Medikamentennebenwirkungen und Bronchialtumore chronische Probleme bereiten. Die Tabelle 3 zeigt typische Ursachen für akuten und chronischen Husten. Im Folgenden werden die häufigsten Ursachen ausführlicher vorgestellt.

Tabelle 3: Typische Ursachen für akuten und chronischen Husten

Beschwerden mögliche Ursachen
akuter Husten (unter acht Wochen) häufig: banale Virusinfektionen, akute Sinusitis, Rhino-Laryngo-Tracheobronchitis (meist viral), Asthma (auch Hustenvariante), postinfektiöser Husten, Pneumonie
seltener: Pleuritis, Lungenembolie, Pneumothorax, akute Linksherzinsuffizienz, Einatmen von Fremdkörpern (Kinder 1 bis 3 Jahre), Rauchgasvergiftung/Inhalation giftiger Gase, Aspiration
chronischer Husten (länger als acht Wochen) häufig: Asthma (auch Hustenvariante), chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD), Raucherhusten, Upper airway cough syndrome/Postnasal drip syndrome, unerwünschte Arzneimittelwirkung (ACE-Hemmer), gastroösophageale Refluxkrankheit
seltener: Bronchialtumoren, Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Pertussis, Bronchiektasen, rezidivierende Aspiration, chronisch persistierender Husten (CPH), z.B. bei erhöhter Sensibilität der Hustenrezeptoren

Die COPD ist durch eine nicht reversible Verminderung des Atemflusses charakterisiert. Üblicherweise ist die Erkrankung fortschreitend und wird durch eine chronische Entzündung der Atemwege bedingt, die meist auf Zigarettenrauchen beruht. Der Raucherhusten und die folgende Bronchitis gehen typischerweise mit morgendlichem, meist produktivem Husten einher. Die meisten Raucher suchen jedoch keinen Arzt auf, da sie ihren Husten als »normal« und akzeptabel einstufen. Nimmt er jedoch an Intensität zu oder empfindet der Patient ihn doch als störend, wird der Arzt als Erstes den Verzicht aufs Rauchen empfehlen und dann die chronische Bronchitis mit atemwegserweiternden Sprays therapieren.

 

Dem Asthma bronchiale liegt eine chronische Entzündung der Atemwege zugrunde; es führt zu anfallsartiger Atemnot – aber nicht immer. Es gibt eine Form, die sich vorwiegend durch Husten äußert (Hustenvariante des Asthmas). Besonders Kinder und Jugendliche sind von dieser Sonderform betroffen. Sie wird, ebenso wie die anderen Formen des Asthma bronchiale, mit einer Basistherapie aus inhalierbaren Glucocorticoiden behandelt. Es ist auch eine antientzündliche Therapie mit Leukotrienantagonisten (Zafirlukast, Montelukast) möglich. In der überwiegenden Anzahl der Fälle sistiert durch die Therapie die Hustensymptomatik.

 

Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit kommt es zu einem Rückfluss von Magensekret in die Speiseröhre. Dabei kann der saure Magensaft auch in die Luftröhre gelangen. Er reizt schon in sehr kleinen Mengen die Atemschleimhäute. Begünstigt wird der Reflux durch eine liegende Position. Daher klagen die Patienten über nächtlichen Husten. Behandelt wird die Refluxkrankheit kausal mit Allgemeinmaßnahmen und Protonenpumpenblockern.

 

Im anglo-amerikanischen Sprachraum wird die Bezeichnung »Upper airway cough syndrome« für die Folgen des ebenfalls aus dem Amerikanischen übernommenen »Postnasal drip«-Syndroms verwendet. Beim »Postnasal drip« laufen Flüssigkeiten aus dem Nasenrachenraum in die Luftröhre und reizen die Hustenrezeptoren in Luftröhre und oberen Bronchien, woraus ein hartnäckiger Reizhusten resultiert. Dieses Syndrom ist üblicherweise bei Erkältungskrankheiten, Heuschnupfen oder anderen nicht-allergischen Erkrankungen der Nase zu beobachten. Ziel der Therapie ist die Verminderung der Sekretbildung im Nasenrachenraum, üblicherweise mithilfe eines nasal applizierten Glucocorticoids.

 

Zu den häufigen Ursachen für unerklärlichen chronischen Husten zählen Medikamentennebenwirkungen. Dies gilt zuallererst für ACE-Hemmer. Sie führen bei bis zu 15 Prozent der Patienten zu chronischem Reizhusten, der typischerweise etwa eine Woche nach Einnahme des Medikaments beginnt, aber auch mit Verzug von mehreren Wochen auftreten kann. Bradykinin, ein Zellbotenstoff, der über ACE (Angiotensin Converting Enzyme) abgebaut wird, staut sich bei Einnahme von ACE-Hemmern an und reizt die Nerven in den Atemwegen zum Husten. Die Therapie besteht im Ab- oder Umsetzen der Arzneimittel. Der Husten bessert sich dann meist innerhalb einer Woche, in seltenen Fällen dauert es bis zu vier Wochen. Beispiele für andere Medikamente, die Husten hervorrufen können, sind Zytostatika wie Methotrexat, Betablocker (wenn der Patient ein überempfindliches Atemwegssystem hat) und Amiodaron. Zudem hat jedes inhalativ verabreichte Medikament prinzipiell das Potenzial, eine Hustensymptomatik auszulösen.

 

Zu den seltenen Erkrankungen, die Ursache eines chronischen Hustens sein können, zählen Tuberkulose, Bronchialtumore, Bronchiektasen (dauerhafte Aussackungen der Bronchien) und Lungengerüsterkrankungen (Lungenfibrosen). Das Bronchialkarzinom ist leider eine immer noch zunehmende Erkrankung mit sehr schlechter Prognose. Schon lange ist klar, dass Bronchialkarzinome bis auf wenige Ausnahmen durch Zigarettenrauchen verursacht werden. Da Raucher häufig erst verzögert den Arzt aufsuchen, wird die Diagnose oft spät gestellt. Ein wichtiger Hinweis können Hämoptysen sein. Immer wenn Blut dem Auswurf beigemischt ist, besteht Verdacht auf einen Lungentumor. Dann sind viele Untersuchungen nötig, um zu entscheiden, wie man diesen Tumor behandeln kann.

 

Zu Bronchiektasen kommt es sehr selten bei schweren Atemwegsinfektionen, besonders im Kindesalter. Dabei bilden sich kleine Säckchen, die sich aus den Atemwegen ausstülpen. Dort kann sich Sekret fangen und bildet immer wieder eine Brutstätte für Infektionen. Bronchiektasen werden wenn nötig antibiotisch, in einigen Fällen auch operativ behandelt. Lungenfibrosen sind Erkrankungen des Lungengerüsts. Bisher unklare Ursachen führen zu einer Einwanderung von Fibrozyten ins Lungengerüst, was zu einer zunehmenden »Steifheit« und Verdickung des Intersti­tiums führt und den Sauerstofftransfer aus den Lungen progressiv behindert. Diesen Prozess versuchen Ärzte mit Immunsuppressiva aufzuhalten.

 

Kausale Therapie angestrebt

 

Es gilt also in jedem Fall, dass die Therapie des anhaltenden Hustens primär kausal sein muss. Meistens lässt sich damit das Symptom lindern oder sogar abstellen. Neben der Behandlung der Grundkrankheit kann eine symptomatische Therapie erforderlich sein, um eine sofortige Linderung zu erreichen. Zudem bleibt Husten nicht immer ohne Folgen. Die massiven Änderungen der Druckverhältnisse und die Anstrengung beim Hustenvorgang können unangenehme Folgen haben: Schmerzen im Rachenraum, Hustensynkopen (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust durch Minderdurchblutung des Gehirns, verursacht durch die Druckverhältnisse im Brustkorb beim Husten), Atemnot, Herzrhythmus­störungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Muskelschmerzen, Rippenbrüche und (vorübergehende) Inkontinenz.

 

Nach der deutschen Leitlinie zur Therapie des chronischen Hustens (1) ist eine rein symptomatische Therapie dann zulässig, wenn

 

die Ursache auch nach eingehender Diagnostik nicht herausgefunden wird (etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten), zum Beispiel bei erhöhter Sensitivität des Hustenreflexes,

die zugrunde liegende Erkrankung nicht kausal behandelt werden kann, zum Beispiel bei Bronchialkarzinom, oder

die Wirkung einer kausalen Therapie nur mit Verzögerung eintritt, beispielsweise bei der Tuberkulose.

 

Bevor bei chronischem Husten eine medikamentöse Therapie begonnen wird oder auch parallel zu einem Therapiebeginn, sind Allgemeinmaßnahmen und gegebenenfalls physiotherapeutische Maßnahmen zu empfehlen. Zu den Allgemeinmaßnahmen zählen Nikotinkarenz, Erhöhung der Luftfeuchtigkeit, häufiges Anfeuchten von Mund und Rachen, reichliches Trinken, Inhalationen mit Kochsalz oder Phytotherapeutika und körperliche Schonung. Physiotherapeuten können dem Patienten verschiedene Atemtechniken beibringen, die er selbst anwenden kann, um die Symptomatik zu mildern oder Sekret aus den Atemwegen zu mobilisieren.

 

Beste Evidenz für Opioide

 

Die zur Verfügung stehenden Hustentherapeutika werden gemäß der deutschen Leitlinie zur Behandlung des chronischen Hustens (1) nach der Art ihrer Wirkung klassifiziert:

 

zentral wirkende Hustentherapeutika, zum Beispiel Opioide,

Therapeutika mit vorwiegender Wirkung an Hustenrezeptoren,

Therapeutika mit vorwiegender Wirkung am Hustenreflexbogen,

an den Effektororganen wirkende Medikamente.

 

Dabei entsprechen die Ersteren den zentral wirksamen und die drei Letzteren der Gruppe der peripher wirksamen Medikamente.

 

Im Sinne der Evidenz-basierten Medizin gibt es nur eine Gruppe von Hustentherapeutika, deren Wirksamkeit ausreichend bewiesen ist: die zentral wirksamen Arzneistoffe Codein, Dihydrocodein, Dextrometorphan, Pentoxyverin und Noscapin. Diese entfalten ihre Wirkung durch Bindung  vorwiegend an Opioid-(µ)-Rezeptoren im Hustenzentrum. Opioide stellen den Goldstandard der antitussiven Therapie dar. Zu beachten sind jedoch Suchtpotenzial, atemdepressive Wirkung, Obstipation und mögliche sedierende Nebeneffekte. Interessanterweise konnte bei Husten im Rahmen einer akuten Infektion (banale Virusinfektion) der oberen Atemwege für Dextrometorphan oder Standarddosen bis 120 mg Codein am Tag keine bessere Hustendämpfung als unter Placebo nachgewiesen werden; dabei hatte bereits das Placebo einen deutlichen Vorteil gegenüber Nichtbehandlung (2, 3, 4).

 

Daher ist es nicht angemessen, bei akuten Atemwegsinfekten eine antitussive Therapie mit Opioiden einzuleiten. Für alle anderen Indikationen gelten sie, nach Abwägung der Nutzen/Risiko-Relation, als Mittel der ersten Wahl.

 

Bei Erkrankungen mit produktivem Husten, beispielsweise COPD, ist die Förderung der Expektoration ein wichtiges Prinzip, während Antitussiva kontraindiziert sind. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten, die wegen des Hustens zum Arzt geht, leidet jedoch an einem unproduktiven Reizhusten, beispielsweise bei banalen Virusinfektionen der Atemwege, Asthma bronchiale oder Lungenparenchymerkrankungen. Hier sind hustenstillende Medikamente oft sinnvoll.

 

Die lange verpönte Kombination aus einer sekretolytischen und einer antitussiven Therapie wird heute nicht mehr so kritisch gesehen. Wird während des Tages sekretolytisch und nachts antitussiv therapiert, kann sich die Wirkung möglicherweise noch verstärken (5).

 

Entlastung am Hustenrezeptor

 

Mehrere pharmakologische Effekte entlasten den Hustenrezeptor. Dies sind die Erhöhung des Sekretvolumens (Sekretolytika) und Herabsetzung der Viskosität (Mukolytika), Verringerung der Sekretproduktion (Anticholinergika), Steigerung der mukoziliären Clearance (β2-Adrenergika, Theophyllin) und die Reduktion physikalischer und chemischer Irritation. Manche Medikamente haben kombinierte Effekte und wirken auf den afferenten und efferenten Schenkel des Reflexbogens und auf das Hustenzentrum. In der Selbstmedikation stehen Präparate mit Benpropion oder (Levo-)Dropropizin zur Verfügung; sie dämpfen den Hustenreiz durch Angriff an periphen Hustenrezeptoren.

 

Chemisch definierte Expektoranzien wie Sekretolytika und Mukolytika erleichtern die bronchiale Reinigung durch Einfluss auf das Sekretvolumen und seine Viskosität. N-Acetylcystein soll die Disulfidbrücken der Mucoproteine des Bronchialsekrets spalten und dadurch verflüssigen. Carbocistein soll die Bildung von niederviskösem Schleim fördern. Bromhexin und sein Hauptmetabolit Ambroxol vermindern die Schleimviskosität und stimulieren die Zilienbewegung, aber auch die Produktion von Sekret.

 

Durch den Einfluss der Expektoranzien – dazu gehören auch Cineol und Guaifenesin – auf das Sekret wird die Reizung der Hustenrezeptoren gemindert und das »Abhusten« erleichtert. Allerdings kann dieses Prinzip nur dann greifen, wenn der Hustenreiz durch Sekretretention ausgelöst wird. In Deutschland werden Expektoranzien jedoch am häufigsten bei der akuten viralen Bronchitis und banalen Virusinfektion der Atemwege verwendet, bei denen meist keine Sekretretention vorliegt. Hier sollte sich die Therapie auf Allgemeinmaßnahmen und/oder Phytotherapeutika beschränken.

 

Bleibt die Frage, inwieweit die Wirksamkeit der meist apothekenpflichtigen Expektoranzien bei akutem Husten objektiv belegt ist. Hierzu gibt es zurzeit keine methodisch einwandfreien Studien. In Deutschland sind überwiegend Acetylcystein und Ambroxol im Gebrauch, für die unterschiedliche Evidenzen in der Literatur zu finden sind, insbesondere zur Wirksamkeit bei akutem Husten. Der Einsatz von Schleimlösern bei chronischem Husten auf dem Boden einer COPD ist nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nur in Ausnahmefällen hilfreich. Neuere Daten weisen jedoch auf eine Ausnahme hin: Acetylcystein reduzierte in einer groß angelegten Studie die Häufigkeit (minus 24 Prozent) von Exazerbationen bei COPD-Patienten, die nicht mit inhalativen Corticosteroiden behandelt wurden.

 

Weitere therapeutische Alternativen sind inhalative Anticholinergika wie Ipratropium und Tiotropium sowie topische oder systemische α-Adrenergika, die überwiegend in Amerika verwendet werden und in Deutschland in Kombinationspräparaten als Pseudoephedrin enthalten sind. Inhalative Anticholinergika verringern die oft pathologisch erhöhte Sekretproduktion bei Atemwegsentzündungen, auch bei Patienten, die keine obstruktive Störung haben. Sie wirken zudem auf den Reflexbogen und reduzieren den bronchialen Muskeltonus.

 

Schleimhautabschwellende Substanzen wie topische oder systemische α-Adrenergika können tatsächlich hustenstillend wirken, wenn der Hustenreiz in den oberen Atemwegen entsteht. In Nordamerika ist die Verwendung von systemischen α-Adrenergika in frei erhältlichen Kombinationspräparaten sehr verbreitet; sie werden dort auch eingesetzt, um die Diagnose des Hustens als Folge von Affektionen der oberen Atemwege zu stellen. Allerdings existiert auch für die Verwendung von α-Adrenergika kein Evidenznachweis.

 

In Deutschland werden in einigen Kombinationspräparaten Pseudoephedrin, Triprolidin und Cetirizin (Antihistaminika) eingesetzt. Die Patienten sind auf mögliche adrenerge Nebenwirkungen und sedierende Effekte hinzuweisen (Verkehrstüchtigkeit!). An dieser Stelle sollten Arzt und Apotheker immer mit dem Patienten überlegen, ob nicht nebenwirkungsarme Phytopräparate vorzuziehen sind. Dies gilt besonders für Kinder.

 

Antibiotika sind bei akutem oder chronischem Husten nur zulässig, wenn tatsächlich ein Keim nachgewiesen ist oder die Symptome zweifelsfrei auf eine bakterielle Infektion schließen lassen, beispielsweise bei bakterieller Tonsillitis oder Sinusitis. Eine antibiotische Therapie bei akuter Bronchitis, banaler Atemwegsinfektion oder chronischem Husten unklarer Ursache ist nicht zulässig. Auch die kurzzeitige gelbliche Verfärbung des Nasensekrets bei einer Erkältungskrankheit spricht nicht für eine bakterielle Superinfektion.

 

Hilfreiche Phytotherapie

 

Für Phytopharmaka – und Hausmittel wie Honig – gilt ebenso wie für die synthetischen Expektoranzien, dass kein evidenzbasierter Nachweis ihrer Wirksamkeit bei akutem und chronischem Husten vorliegt, der den modernen Anforderungen genügt. Zur Therapie des Symptoms Hustens gibt es daher keine evidenzbasierte Empfehlung (1). Daraus darf man natürlich nicht auf fehlende Wirksamkeit schließen, denn einige Phytopharmaka werden schon seit Jahrhunderten (subjektiv) erfolgreich verwendet. Auf Studien zu hoffen, die den methodologischen Anforderungen der modernen Medizin entsprechen, ist vergebens, da deren Kosten nicht durch die bessere Vermarktung eines Phytopharmakons ausgeglichen werden können.

Tabelle 4: Phytotherapeutika und ihre Wirkungen

broncho­spasmolytisch anti­phlogistisch anti­mikrobiell muko­lytisch reiz­lindernd
Efeu X X X X
Malve X
Thymian X X X
Primel X X
Süßholz X X
Isländisch Moos X (X) X
Spitzwegerich X X X

Unabhängig davon sind akuter und chronischer Husten seit jeher eine Domäne der Phytotherapie. Generell handelt es sich um peripher wirksame Antitussiva und Expektoranzien (Sekretolytika). Eine klare Trennung zwischen Hustenstillern und Schleimlösern ist nicht immer möglich. Das typische Merkmal pflanzlicher Drogen ist die Vielzahl von Inhaltsstoffen, die zum Wirkungsspektrum beitragen. Beispielsweise wird Spitzwegerich unter verschiedenen Handelsnamen als Antitussivum und als Sekretolytikum geführt.

 

Bei der Auswahl von Phytotherapeutika ist grundsätzlich zwischen produktivem und trockenem Husten zu unterscheiden. Bei produktivem Husten sollte der Apotheker dem Patienten Arzneipflanzenauszüge empfehlen, denen reizmildernde, sekretolytische, bronchospasmolytische, entzündungshemmende und abwehrsteigernde Wirkungen zugeschrieben werden (siehe Tabelle 4). Dazu zählen Saponin-haltige Drogen wie Efeublätter, Primelwurzel, Schlüsselblumenblüten und Süßholzwurzel oder Drogen und Zubereitungen mit ätherischen Ölen wie Anisöl, Campher, Eukalyptus, Fichten- und Kiefernnadelöl, Pfefferminze und Thymian.

 

Bei trockenem Husten, der überwiegend durch (entzündliche) Reizung der Atemwege und der Schleimhäute des Mund- und Rachenraums oder seltener durch hoch viskösen Bronchialschleim hervorgerufen wird, soll der Patient schleimhaltige Hustendrogen (Mucilaginosa) bei Ersterem oder bei Letzterem wiederum Saponin- oder Ätherisch-Öl-haltige Drogen verwenden. Mucilaginosa wie Eibisch, Huflattich, Isländisches Moos, Malve, Spitzwegerich und Wollblumen überziehen die Schleimhaut mit einer Art Schutzfilm (bis etwa zum Larynx), mildern die hyperaktive mukoziliäre Aktivität und beeinflussen die Mukusproduktion der Bronchialschleimhaut über einen gastropulmonalen Reflex (N. vagus). Drogen, die Saponine oder ätherische Öle enthalten, haben eine sekretolytische (Herabsetzung der Viskosität des Schleims) und sekretomotorische Wirkung (Steigerung der Zilienaktivität). Manche Präparate enthalten auch mehrere Drogen, beispielsweise Thymian und Efeu.

 

Als Darreichungsform bieten sich Hustensäfte und -tropfen, Tees, Lutschtabletten oder äußerliche Einreibungen an. Da die für »süß« zuständigen Geschmacksknospen der Zunge und Mundschleimhaut parasympathisch sensible Nerven reizen und so die Bronchialsekretion anregen, sollten Hustentees immer gesüßt werden. Diesen Effekt machen sich auch Hustenbonbons zunutze. Aber nicht nur. Außer der Verabreichung der jeweiligen Droge vermindern sie auch die Reizung der Hustenrezeptoren durch deren direkte »Einhüllung«. Die Wirkdauer beschränkt sich auf die Verweildauer des Zuckers am Rezeptor und beträgt etwa 20 bis 30 Minuten.

 

Bei äußerlichen Einreibungen mit ätherischen Ölen wie Pfefferminz-, Kiefern- und Fichtennadel- oder Eukalyptusöl, die besonders wegen der bronchodilatorischen Komponente symptomlindernd sind, ist bei Säuglingen und Kindern Vorsicht geboten. Hier muss ein großflächiges Auftragen und die Verwendung in der Nähe der Nase vermieden werden, da sonst ein Glottiskrampf (Kratschmer-Reflex) ausgelöst werden kann. Bei Säuglingen sollte man aus diesem Grund unbedingt auf Campher verzichten.

 

Auf einen Blick

 

Zusammenfassend ist Husten ein Symptom verschiedener Erkrankungen, wobei man in erster Linie akuten von chronischem Husten unterscheidet. Die typische Ursache für akuten Husten ist eine banale Virusinfektion der oberen Atemwege, während das Spektrum der Ursachen für chronischen Husten von Asthma, COPD, »Postnasal drip« über Medikamentennebenwirkungen bis hin zu selteneren Erkrankungen wie dem Bronchialkarzinom reichen.

 

Chronischer Husten wird den Arzt immer veranlassen, nach der Ursache zu forschen. Die Therapie des Hustens sollte immer primär kausal sein. Nur wenn dies nicht möglich ist oder es bis zur Linderung der Symptomatik zu lange dauert, ist eine antitussive Therapie gerechtfertigt. Dabei sind die zentral wirksamen Antitussiva (Opioide) die einzige Medikamentengruppe, für die eine Wirksamkeit im Sinne der Evidenz-basierten Medizin belegt ist. Sie stellen den Goldstandard der antitussiven Therapie dar. Synthetische Antitussiva, Expektoranzien und Phytotherapeutika haben in der Selbstmedikation ihren besonderen Stellenwert.

Literatur

... bei der Verfasserin

Die Autorin

Carola Seifart studierte Medizin und fertigte ihre Dissertation am Universitätsklinikum der Philipps-Universität Marburg an. Nach der Promotion 1997 arbeitete sie in Marburg als Teilprojektleiterin der klinischen Forschergruppe zur Erforschung zellulärer Reaktionsmechanismen chronischer Atemwegserkrankungen, absolvierte Forschungsaufenthalte an der Pennsylvania State University, USA, und am Netherlands Cancer Institut, Amsterdam. Dr. Seifart ist Fachärztin für Innere Medizin sowie für Lungen- und Bronchialheilkunde. Seit 2001 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Innere Medizin, Schwerpunkt Pneumologie, des Universitätsklinikums Marburg und absolvierte zudem ein Aufbaustudium Health Care Management. Derzeit ist sie Geschäftsführerin der Ethikkommission. Dr. Seifart erhielt mehrfach Stipendien und Preise für ihre Arbeiten.

 

Privatdozentin Dr. Carola Seifart

Universität Gießen und Marburg

Standort Marburg

Zentrum für Innere Medizin

SP Pneumologie

E-Mail: seifart(at)med.uni-marburg.de

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