Kaliumhaushalt im Blick |
14.10.2014 10:37 Uhr |
Von Iris Hinneburg / Wenn Arzneimittel den Kaliumhaushalt stören, können schwere gesundheitliche Folgen entstehen. Die Beratung in der Apotheke hilft, mögliche Risiken für eine Elektrolytentgleisung zeitnah zu erkennen.
Frau Wagner löst in der Apotheke ein Rezept ein, auf dem der Arzt – wie üblich – einen ACE-Hemmer gegen ihren hohen Blutdruck verordnet hat. »Und dann hätte ich noch gerne dieses Mittel mit den herzwichtigen Mineralstoffen, das ist doch bestimmt gut für mich.« Ein Blick auf die Zusammensetzung zeigt, dass das Nahrungsergänzungsmittel unter anderem ein Kaliumsalz enthält. Der Apotheker erkennt eine mögliche Interaktion, und auch die Apotheken-Software warnt: »Erhöhtes Risiko für Hyperkaliämien«.
Veränderungen des Kaliumhaushalts gehören zu den häufigsten Elektrolytstörungen, die als Nebenwirkung einer Arzneitherapie, aber auch durch andere Ursachen entstehen können. In der Apotheke ist besondere Vorsicht geboten. Denn Kalium spielt im menschlichen Organismus eine wichtige Rolle, und veränderte Kaliumspiegel bedeuten ein erhöhtes Risiko für Komplikationen – zum Teil mit gravierenden Folgen für den Patienten.
Ohne Kalium keine Erregungsleitung
So fein austariert ist der Kaliumhaushalt im Körper.
Foto: Fotolia/valdis torms
Der menschliche Körper enthält etwa 140 g (3,5 mol) Kalium in gelöster Form; es ist also kein Spuren-, sondern ein Mengenelement. Der größte Teil der Kaliumsalze findet sich mit einem Gehalt von etwa 140 mmol/l innerhalb der Zellen. Das Blutplasma weist dagegen in der Regel nur Konzentrationen zwischen 3,5 und etwa 5,0 mmol/l auf.
Dieser Konzentrationsgradient beeinflusst entscheidend die Erregungsleitung von Nerven- und Muskelzellen. Während für die Depolarisation der Zellen der Einstrom von Natriumionen in die Zelle verantwortlich ist, leitet der Ausstrom von Kaliumionen aus der Zelle die Repolarisationsphase ein und stellt das Ruhemembranpotenzial wieder her. Intrazellulär sorgen Kaliumionen zudem für die Aufrechterhaltung des Wassergehalts.
Daneben sind sie an einer Reihe weiterer physiologischer Vorgänge beteiligt: So führt etwa der Einstrom von Kalium in die Betazellen des Pankreas zur Ausschüttung von Insulin. An der Glykolyse ist Kalium als Kofaktor des Enzyms Pyruvatkinase beteiligt (1, 2).
Regulation über die Niere
Der Gehalt an Kalium innerhalb und außerhalb der Zellen ist streng reguliert. Auf zellulärer Ebene erhalten vor allem membranständige Natrium-Kalium-ATPasen (Na-K-ATPasen) den Gradienten zwischen intra- und extrazellulärem Raum aufrecht. Die Verteilung der Kaliumionen wird durch körpereigene Hormone und Botenstoffe beeinflusst. So fördern Insulin und eine Stimulation von β2-Rezeptoren durch Catecholamine die Aufnahme von Kalium in die Zellen. Die Aktivierung von α-Rezeptoren führt dagegen zu einer Verschiebung in den Extrazellulärraum (3).
Der Kaliumhaushalt im gesamten Organismus wird vor allem über die Ausscheidung gesteuert, hauptsächlich über die Niere (Grafik). Bei Nierengesunden werden etwa 90 Prozent der insgesamt ausgeschiedenen Kaliummenge renal eliminiert, und nur etwa 10 Prozent über Stuhl und Schweiß. Lässt die Nierenfunktion nach, kann der extrarenal eliminierte Anteil bis auf 25 Prozent ansteigen (1).
Pro Tag filtriert die Niere etwa 800 mmol Kalium, die jedoch zum größten Teil im proximalen Tubulus und im aufsteigenden Ast der Henleschen Schleife rückresorbiert werden. Die Kaliumausscheidung findet hauptsächlich im distalen Tubulus und im Sammelrohr statt. Dies geschieht in den Hauptzellen im Austausch mit Natriumionen, vor allem über eine Na-K-ATPase.
Kaliumionen können auch in den Zwischenzellen über eine Protonen-Kalium-Pumpe (K-H+-ATPase) gegen Protonen ausgetauscht und rückresorbiert werden. Auf diesem Weg beeinflusst Kalium auch das Säure-Basen-Gleichgewicht im Körper (4).
Viele Faktoren beeinflussen, ob Kaliumionen in der Niere vermehrt rückresorbiert oder eher ausgeschieden werden (1). Neben der Kaliumkonzentration spielen Natriumspiegel und pH-Wert eine Rolle. Auch die Aldosteron-Ausschüttung ist an der Regulation beteiligt: Das Hormon erhöht die Wiederaufnahme von Natrium und im Gegenzug die Sekretion von Kalium in das Tubuluslumen. Bei erhöhter Kaliumzufuhr kann der Körper die Elimination steigern, solange die Niere ausreichend funktioniert (siehe Grafik).
Vielfältige Ursachen für Elektrolytstörungen
Der Kaliumspiegel im Blut wird durch zahlreiche Mechanismen beeinflusst. Dazu gehören die Zufuhr und Elimination von Kalium sowie die Verteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum. Durch diese Vorgänge können sowohl Hypo- als auch Hyperkaliämien entstehen (Tabelle 1) (5).
Auswahl von Regulationsmechanismen des Kaliumhaushalts, nach (14)
Liegen die Kaliumspiegel unter 3,5 mmol/l, sprechen Ärzte von einer Hypokaliämie, bei Konzentrationen über 5,5 mmol/l von einer Hyperkaliämie (6). In der Praxis sind Hypokaliämien deutlich häufiger; sie gehören zu den häufigsten Elektrolytstörungen. Denn die Niere kann zwar die Elimination bei erhöhten Kaliumspiegeln beschleunigen, die Ausscheidung bei zu niedrigen Spiegeln aber nicht im gleichen Ausmaß drosseln (7).
Die Ursachen für Elektrolytstörungen sind vielfältig. So beeinflussen Medikamente, aber auch angeborene Erkrankungen den Kaliumhaushalt. Zu diesen Erkrankungen gehört etwa der Morbus Addison, bei dem die Nebennierenrinde nicht nur zu wenig Cortisol, sondern auch zu wenig Aldosteron produziert. Dadurch wird die Kaliumausscheidung über die Niere eingeschränkt: Eine Hyperkaliämie entsteht. Auch eine Niereninsuffizienz behindert die Kaliumexkretion. Dagegen besteht bei Patienten mit seltenen hereditären Erkrankungen wie dem Bartter- oder Gitelman-Syndrom ein erhöhtes Risiko für Hypokaliämien, da verschiedene Ionentransport-Mechanismen im Nephron defekt sind (5).
Im Bereich der Zufuhr können Elektrolytstörungen entstehen, wenn eine parenterale Ernährung nicht sachgemäß erfolgt und zu viel oder zu wenig Kalium enthält. Bei Mangelernährung, etwa bei chronischen Resorptionsstörungen, Essstörungen (etwa Anorexia nervosa) oder chronischem Alkoholmissbrauch, nehmen die Betroffenen häufig nicht genügend Kalium auf. Bei Magen-Darm-Infekten mit Erbrechen und Durchfall gehen viele Salze verloren (Tabelle 1).
Daneben können sich Störungen des Kaliumhaushalts auch durch Verschiebungen im Säure-Basen-Haushalt entwickeln. Bei einer Alkalose verteilt sich Kalium aus dem Extra- in den Intrazellulärraum, während die Ionen bei einer Azidose den umgekehrten Weg nehmen (6). Ein zu niedriger Magnesiumspiegel im Blut (Hypomagnesiämie) beeinträchtigt die Funktion der Na-K-Pumpe und hemmt Kaliumkanäle. Dadurch kann eine Hypokaliämie entstehen (7).
Kalium wird bei massiver Gewebeschädigung, etwa großflächigen Verbrennungen, ausgedehnten Traumata oder Rhabdomyolyse, aus dem Gewebe in das Serum freigesetzt. Gleiches passiert beim Untergang von Blutzellen. Eine Hyperkaliämie kann aber auch ein Messartefakt sein (Kasten «Regelmäßig Kalium bestimmen»).
Bei Patienten mit unkontrolliertem Diabetes mellitus kann sich eine Hyperkaliämie infolge eines hyperglykämischen hyperosmolaren Syndroms entwickeln, wenn die erhöhten Blutzuckerspiegel die Osmolarität des Bluts ansteigen lassen. Dann tritt Wasser aus den Zellen in den Extrazellulärraum/Blut über und führt Kaliumionen mit sich (solvent drag) (8). Dieses Problem betrifft vor allem ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes und eingeschränkter Nierenfunktion. Bei der Behandlung einer hyperglykämischen Entgleisung kann dagegen eine Hypokaliämie entstehen. Daher muss der Arzt auf eine ausreichende intravenöse Kaliumzufuhr achten. Das gilt auch bei der Behandlung einer diabetischen Ketoazidose, da bei vielen Patienten durch die azidotische Stoffwechsellage eine Hypokaliämie auftritt (9).
Elektrolytstörung | auslösende Mechanismen |
---|---|
Hypokaliämie | verminderte Kaliumzufuhr vermehrte Umverteilung in den intrazellulären Bereich renale oder gastrointestinale Verluste |
Hyperkaliämie | vermehrte Kaliumzufuhr vermehrte Umverteilung in den extrazellulären Bereich verringerte Ausscheidung über die Niere |
Gravierende Folgen für Herz und Muskulatur
Störungen des Kaliumhaushalts beeinflussen die Muskulatur von Bewegungsapparat und inneren Organen sowie die Reizweiterleitung am Herzen und der peripheren Nerven. Bei geringfügigen Abweichungen von den Normwerten sind die Symptome eher unspezifisch und äußern sich etwa mit Muskelschwäche oder -krämpfen oder Parästhesien. In vielen Fällen werden solche leichteren Störungen eher zufällig bei Blutkontrollen entdeckt (10).
Schwere Elektrolytentgleisungen, zum Beispiel bei Kaliumspiegeln unter 2,5 mmol/l und über 7,0 mmol/l, können dagegen die Funktion des Herzens beeinträchtigen:
Wer so fröhlich seine Medikamente einnimmt, denkt nicht an Elektrolytstörungen.
Foto: Shutterstock/Robert Kneschke
Sowohl Hypo- als auch Hyperkaliämien bergen daher das Risiko von Herzrhythmusstörungen, die typische Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG) auslösen. Bei Hypokaliämien treten vor allem ventrikuläre und supraventrikuläre Arrhythmien auf (6, 7). Bei einer Hyperkaliämie kann es zu Kammerflimmern und Herzstillstand kommen. Besonders gefährdet sind Patienten mit einem vorgeschädigten Herzmuskel, etwa nach einem Herzinfarkt (5).
An der Skelettmuskulatur entwickeln sich bei starken Entgleisungen aufsteigende Lähmungen, die im Extremfall auch die Atemmuskulatur betreffen können. Schwere Hypokaliämien erhöhen das Risiko für eine Rhabdomyolyse und Lähmungen der glatten Muskulatur; diese äußern sich als Magenatonie, Ileus und Harnverhalt durch Lähmung der Blasenmuskulatur. Neben den Blutwerten ist es für die Symptome und Prognose auch entscheidend, ob sich die Elektrolytstörung abrupt oder schleichend entwickelt und ob weitere Risikofaktoren vorliegen (wie Azidose, Hyponatriämie, Hypocalcämie) (5).
Erhöhte Kaliumspiegel im Blut können auch durch Fehler bei der Blutabnahme und Handhabung der Blutprobe entstehen. So treten erhöhte Kaliumwerte auf, wenn die Oberarmvene zur Blutabnahme intensiv gestaut wurde. Bei längerem Stehenlassen der Blutprobe setzen Blutzellen Kalium frei. Auch bei einem hohen Gehalt an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen (Leukozytose, Thrombozytose) kann die Kaliumkonzentration in der Probe steigen (5).
Intensivmedizinische Behandlung
Schwere Elektrolytentgleisungen müssen meist intensivmedizinisch behandelt werden. Bei schweren Hypokaliämien werden Kaliumsalze intravenös unter Monitorüberwachung substituiert. Dabei ist es wichtig, dass die Infusion nicht zu schnell erfolgt, weil sonst Kammerflimmern auftreten kann. Bei weniger schweren Hypokaliämien werden Kaliumsalze peroral unter ambulanter ärztlicher Kontrolle supplementiert (5).
Auch schwere Hyperkaliämien mit Kaliumspiegeln über 7,0 mmol/l sind ein Fall für die Intensivstation. Bei Herzrhythmusstörungen erhält der Patient in der Regel Calciumsalze intravenös, um dem depolarisierenden Effekt erhöhter Kaliumkonzentrationen entgegenzuwirken (11). Zusätzlich fördern Infusionen mit Glucose und Normalinsulin die Umverteilung der Kaliumsalze in den intrazellulären Bereich. Auch Inhalativa mit betasympathomimetischer Wirkung werden dafür eingesetzt. Eine hohe Dosis Furosemid soll die Ausscheidung des Minerals über die Niere beschleunigen.
Bei milden Hyperkaliämien reicht es meist, die Kaliumzufuhr über die Nahrung einzuschränken und alle Medikamente abzusetzen, die eine Hyperkaliämie fördern. Auch Kationenaustauscherharze kommen zum Einsatz (5).
Herzglykoside und Kaliumhaushalt
In der Apothekenpraxis spielen Störungen des Kaliumhaushalts vor allem dann eine Rolle, wenn sie die Wirkung von Arzneimitteln beeinflussen, als Nebenwirkung oder infolge von Wechselwirkungen verschiedener Arzneistoffe auftreten.
Zu den wichtigsten Arzneistoffen, deren Wirkung durch den Kaliumspiegel beeinflusst wird, gehören Herzglykoside. Herzglykoside hemmen das Enzym Na+-K+-ATPase und verringern so den Einstrom von Kaliumionen in die Herzmuskelzelle. Dadurch steigt die intrazelluläre Natriumkonzentration, wodurch indirekt der Ausstrom von Calcium gehemmt wird. Weil während der Systole so mehr Calcium in der Herzmuskelzelle zur Verfügung steht, wirken Herzglykoside positiv inotrop.
Bei hohen Kaliumspiegeln binden Herzglykoside schwächer an die Na+-K+-ATPase: Die Wirkung sinkt. Dagegen steigt bei niedrigen Kaliumspiegeln die Bindung und damit die Wirksamkeit. Da Herzglykoside eine enge therapeutische Breite haben, können leicht toxische Erscheinungen auftreten, zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel, Müdigkeit sowie Sehstörungen mit gestörtem Farbensehen und Gesichtsfeldausfällen (2, 10). Dies ist besonders zu beachten bei Menschen mit zusätzlichen Risikofaktoren wie höheres Alter, Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus.
Einfluss auf den Kaliumspiegel | Arzneistoffe und -gruppen (Beispiele) |
---|---|
Erhöhung | ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten Kaliumsparende Diuretika (Cycloamidin-Diuretika, Aldosteron-Antagonisten) Aliskiren Heparin NSAR Pentamidin Cotrimoxazol (hoch dosiert) Ciclosporin A |
Erniedrigung | Schleifendiuretika Thiaziddiuretika Laxanzien Glucocorticoide Insulin Theophyllin Beta-Sympathomimetika |
Cave Hypokaliämie
Zahlreiche Arzneistoffe lassen den Kaliumspiegel im Blut sinken (Tabelle 2). Zu den wichtigsten Wirkstoffen gehören Schleifen- und Thiaziddiuretika, die die Ausscheidung von Kaliumionen über die Niere verstärken. Schleifendiuretika wie Furosemid und Torasemid blockieren im dicken aufsteigenden Schenkel der Henleschen Schleife den Natrium-Kalium-Chlorid-Carrier und senken so die Rückresorption von Kaliumionen. Thiaziddiuretika dagegen hemmen im frühdistalen Tubulus den Natrium-Chlorid-Kotransport, sodass die Natriumkonzentration im Urin ansteigt. Dadurch werden im Sammelrohr vermehrt Kaliumionen sezerniert. Außerdem stimuliert die erhöhte Flüssigkeitsausscheidung die Ausschüttung von Aldosteron, das ebenfalls die Ausscheidung von Kalium fördert (2).
Glucocorticoide mit mineralocorticoider Wirkkomponente wie Prednisolon können ebenfalls die renale Kaliumausscheidung erhöhen. Zudem begünstigen Glucocorticoide eine Hypokaliämie, da sie das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System stimulieren und die Ausschüttung von Aldosteron fördern (10).
Einige Arzneistoffe fördern die Verteilung von Kalium aus dem Extrazellulär- in den Intrazellulärraum und senken so den Kaliumspiegel im Blut. Dazu gehören etwa Insulin, Betasympathomimetika und Theophyllin.
Wichtig in der Selbstmedikation: Bei missbräuchlicher Verwendung von Laxanzien (langfristig, hoch dosiert, sodass flüssige Stühle resultieren) kommt es zu Kaliumverlusten über den enteralen Weg (7). Deshalb sind Hinweise zum bestimmungsgemäßen Gebrauch wichtig, zum Beispiel nicht täglich anwenden und nur so hoch wie nötig dosieren.
Erhöhte Kaliumspiegel
Viele Senioren bekommen Antihypertensiva gegen ihren Hochdruck. ACE-Hemmer und Sartane können jedoch den Kaliumspiegel erhöhen.
Foto: Fotolia/thoren90
Auch Hyperkaliämien können als Nebenwirkung von Arzneimitteln auftreten (Tabelle 2). Kaliumsparende Diuretika, zu denen zyklische Amidine wie Triamteren und Amilorid sowie Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton gehören, hemmen die renale Elimination von Kaliumionen.
Aldosteron-Antagonisten verhindern im spätdistalen Tubulus und Sammelrohr die Bindung von Aldosteron an den Mineralocorticoid-Rezeptor, während die Cycloamidin-Derivate in diesen Abschnitten des Nephrons Natriumkanäle blockieren (2).
ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Aliskiren als Renin-Inhibitor reduzieren die Bildung von Angiotensin II. Dadurch sinkt auch die Produktion von Aldosteron, sodass die renale Ausscheidung von Kalium abnimmt. Daneben beeinträchtigen einige weitere Wirkstoffe die renale Exkretion des Ions. Nichtsteroidale Antiphlogistika, Calcineurin-Inhibitoren wie Ciclosporin oder Tacrolimus und Betablocker hemmen die Reninbildung und damit die Synthese von Aldosteron. Heparin und Azol-Antimykotika wie Ketoconazol interferieren direkt mit der Aldosteron-Biosynthese in der Nebennierenrinde. Trimethoprim hemmt wie die kaliumsparenden Cycloamidin-Diuretika Natriumkanäle im Sammelrohr (12).
Das Muskelrelaxans Succinylcholin fördert eine Umverteilung von intrazellulärem Kalium in den Extrazellulärraum und erhöht so die Kaliumspiegel im Blut. Hohe Dosen von Herzglykosiden lähmen die Aktivität der Na-K-Pumpe und können ebenfalls zu einer Hyperkaliämie führen (5).
Bei einigen häufig verordneten Arzneistoffen wird vor Beginn der Therapie und mindestens einmal jährlich die Bestimmung der Kaliumspiegel empfohlen:
Bei gestörter Nierenfunktion sollten die Analysen engmaschiger erfolgen (16).
Wechselwirkungen vermeiden
Eine wichtige Ursache für Hypo- und Hyperkaliämien sind Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen, die die Kaliumausscheidung beeinflussen. Einige häufige Beispiele zeigt die Tabelle 3. Ein Interaktionscheck, besonders bei Patienten mit Multimedikation, kann helfen, mögliche Probleme bereits im Voraus zu erkennen. Besonders gefährdet sind Menschen mit verringerter Nierenfunktion, weil sie Kaliumionen langsamer ausscheiden. Das gilt etwa für geriatrische Patienten oder Menschen mit fortgeschrittenem Diabetes.
Bei einigen kritischen Medikamenten und Arzneistoffkombinationen wird eine regelmäßige Kontrolle der Kaliumspiegel empfohlen, um eine sichere Pharmakotherapie zu gewährleisten (Kasten oben). Experten raten inzwischen von einer dualen Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (etwa ACE-Hemmer plus Aliskiren) ab, da unter anderem das Risiko für Hyperkaliämien stark ansteigt. Ein zusätzlicher Nutzen im Hinblick auf die kardiovaskuläre Mortalität oder Gesamtsterblichkeit ist aber im Vergleich zu den einzelnen Wirkstoffen nicht nachweisbar (13).
In der Apotheke ist ein sorgsamer Umgang mit kaliumhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln dringend geboten. Bei Patienten, die potenziell hyperkaliämische Arzneimittel einnehmen, sind Kaliumsupplemente kein Fall für die Selbstmedikation. Auch bei Verdacht auf zu niedrige Kaliumspiegel sollte der Patient das Mineral nur unter ärztlicher Kontrolle supplementieren.
Wenn Patienten explizit Kaliumpräparate verlangen, lohnt es sich, den Wunsch kritisch zu hinterfragen. Es sind Fälle aus der Praxis bekannt, in denen der Kunde in Wirklichkeit gar nicht Kalium, sondern Calcium kaufen wollte.
Interaktionspartner | Mechanismus | Klassifikation nach ABDA-Datenbank und Maßnahmen |
---|---|---|
Herzglykoside und kaliuretische Diuretika (Thiazid- und Schleifendiuretika) | verstärkte (Neben-)Wirkung der Herzglykoside bei niedrigen Kaliumspiegeln, bedingt durch erhöhte Kaliumausscheidung bei Diuretika-Therapie | Überwachung und/oder Anpassung nötig; Kaliumspiegel auf hochnormale Werte einstellen und sorgfältig überwachen |
Glucocorticoide und kaliuretische Diuretika | erhöhte Gefahr von Hypokaliämien durch Kombination von Arzneistoffen, die die Ausscheidung von Kalium verstärken; vor allem relevant bei hoch dosierter systemischer Langzeitanwendung der Glucocorticoide | vorsichtshalber überwachen; Kaliumspiegel überwachen und eventuell substituieren, möglichst Glucocorticoid mit niedriger Aktivität an Mineralocorticoid-Rezeptoren wählen (z. B. Betamethason, Dexamethason) |
Kaliumsalze und kaliumsparende Diuretika (Beispiel Triamteren, Spironolacton) | Gefahr von Hyperkaliämien bei vermehrter Zufuhr und gleichzeitig verringerter Ausscheidung von Kaliumsalzen | schwerwiegende Folgen wahrscheinlich: kontraindiziert! |
ACE-Hemmer/AT1- Antagonisten und kaliumsparende Diuretika | Gefahr von Hyperkaliämien: ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten reduzieren die Bildung von Aldosteron; Aldosteron-Antagonisten schwächen die Wirkung von Aldosteron ab; kaliumsparende Diuretika senken die Kaliumausscheidung über eine Hemmung der Natriumpumpe (additive Hemmung der Kaliumsekretion) | Überwachung und/oder Anpassung nötig. Zur Hypertonie-Behandlung Kombination möglichst vermeiden; bei Herzinsuffizienz kaliumsparende Diuretika in möglichst niedriger Dosierung einsetzen, Kaliumspiegel und Nierenfunktion engmaschig überwachen |
nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) und kaliumsparende Diuretika | NSAR hemmen die Bildung von Prostacyclin, das kaliuretisch wirkt. In Kombination mit der Kaliumretention durch kaliumsparende Diuretika steigt das Risiko für Hyperkaliämien. | In bestimmten Fällen Überwachung und/oder Anpassung nötig. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von NSAR in der Selbstmedikation (gelegentliche Einnahme in niedriger Dosierung über wenige Tage) oder Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung zur Hemmung der Thrombozytenaggregation keine relevante Interaktion zu erwarten. Bei Langzeitanwendung Überwachung von Nierenfunktion und Kaliumspiegeln |
Einfluss der Ernährung
Patienten, die Kalium-beeinflussende Arzneimittel bekommen, sollten den Einfluss der Nahrung kennen. Bei Arzneimitteln mit einem Risiko für Hypokaliämien rät der Apotheker am besten zu einer kaliumreichen Ernährung (Tabelle 4). Stellt der Arzt eine milde Hyperkaliämie fest, die nicht medikamentös behandelt werden muss, ist häufig eine kaliumarme Kost sinnvoll. Diese ist auch für Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz notwendig, da die renale Elimination nicht ausreichend gewährleistet ist.
Besonders reich an Kalium sind Obst (besonders Trockenfrüchte), viele Gemüsearten, Gemüse- und Obstsäfte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide. Durch Verarbeitung und besonders Kochen sinkt der Kaliumgehalt, da erhebliche Teile des Mineralstoffs in das Kochwasser übergehen. Dies gilt zum Beispiel für Salzkartoffeln und Obstkompott, wenn die Flüssigkeit nicht getrunken wird. Trocknen und Braten bei hohen Temperaturen konzentrieren durch den Wasserverlust dagegen das Kalium in den Nahrungsmitteln (14).
Wichtig zu wissen: Kochsalzersatz, der gelegentlich für Bluthochdruckpatienten beworben wird, besteht in den meisten Fällen aus Kaliumsalzen. Daraus kann sich etwa bei der Therapie mit ACE-Hemmern eine Hyperkaliämie entwickeln, besonders wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist.
Lebensmittel | Kalium (mg/100 g) |
---|---|
getrocknete Aprikosen | 1370 |
getrocknete Bananen | 1310 |
Kartoffelchips | 1000 |
Sonnenblumenkerne | 725 |
Spinat | 633 |
Bratkartoffeln | 590 |
Walnüsse | 544 |
Steinpilze | 486 |
Banane (roh) | 393 |
Kartoffeln (geschält, gegart) | 333 |
Brokkoli | 298 |
Der regelmäßige Verzehr größerer Mengen an Lakritze verstärkt die Ausscheidung von Kalium. Die in Lakritze enthaltene Glycyrrhizinsäure hemmt das Enzym 11β-Hydroxysteroidde-hydrogenase, das an der Inaktivierung von Cortisol (Umwandlung zu Cortison) beteiligt ist. Cortisol selbst aktiviert den Mineralocorticoid-Rezeptor stärker als Cortison, sodass die Kaliumsekretion in den Tubulus zunimmt (2). Nehmen Patienten Medikamente ein, die die Kaliumausscheidung über die Niere erhöhen, sollen sie auf den regelmäßigen Verzehr von Lakritze besser verzichten. Das ist auch deshalb wichtig, weil der Gehalt an Glycyrrhizinsäure in der Regel nicht deklariert ist und von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich ausfällt.
Fazit
Die Beratung in der Apotheke kann dazu beitragen, Störungen des Kaliumspiegels zu vermeiden oder früh zu erkennen. Besonders wichtig ist ein Interaktionscheck sowie Hinweise zu Ernährung und Nahrungsergänzungsmitteln. Nehmen Patienten Medikamente ein, die die Kaliumausscheidung erhöhen, sollte der Apotheker sie auch über das erhöhte Risiko bei Erbrechen und Durchfall informieren. /
Literatur
Iris Hinneburgstudierte Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg und wurde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert. Nach Tätigkeiten in Forschung und Lehre in Halle und Helsinki (Finnland) arbeitet sie heute freiberuflich als Medizinjournalistin. Ihr Schwerpunkt ist die pharmazeutische Fortbildung. Sie ist Fachbuchautorin und produziert einen Podcast mit Themen aus Medizin und Pharmazie für die Fortbildung in der Apotheke.
Dr. Iris Hinneburg
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