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PZ-Innovationspreis

Vemurafenib ausgezeichnet

16.10.2012  15:02 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler, München / Der 18. PZ-Innovationspreis geht an den Arzneistoff Vemurafenib. Am Rande des Deutschen Apothekertags in München überreichte Professor Dr. Hartmut Morck, ehemaliger Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung (PZ), den Preis an Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG.

Der Preisträger wurde aus 20 neuen Arzneistoffen, die zwischen dem 1. Juli 2011 und dem 30. Juni 2012 in Deutschland auf den Markt kamen, ausgewählt, sagte Morck auf einer Pressekonferenz. Vemurafenib ermögliche erstmals eine spezifische zielgerichtete Therapie für Patienten mit malignem Melanom. Zugelassen ist das Medikament Zelboraf® (Roche Pharma AG) in Deutschland seit Februar 2012 zur Monotherapie des inoperablen oder metastasierenden Melanoms, wenn dessen Zellen eine sogenannte BRAF-V600-Mutation aufweisen.

»Vemurafenib ist ein Serin-Threonin-Kinase-Inhibitor, der selektiv die mutierte BRAF-V600-Kinase hemmt«, erklärte Morck. Das BRAF-Protein ist ein wichtiger Bestandteil des RAS-RAF-Signalwegs, der am normalen Wachstum und Überleben von Zellen beteiligt ist. Bestimmte Punktmutationen im Protein, zum Beispiel die V600-Mutation, begünstigen ein unkontrolliertes Zellwachstum und können damit Krebs fördern. Bei etwa der Hälfte der Melanompatienten ist diese Mutation in den Tumorzellen nachweisbar. Nur bei ihnen ist der Einsatz von Vemurafenib sinnvoll.

 

Hohe Ansprechraten

 

Roche-Chef Pfundner wertete den PZ-Innovationspreis als »ein öffentliches Bekenntnis zur Innovation«. Ansonsten würden neue Arzneimittel immer nur unter Kostenaspekten gesehen. »Doch Innovationen sind eine Investition in die Zukunft.« Vemurafenib sei ein »Rekordmedikament«, da der Arzneistoff und die diagnostischen Begleittests in nur fünf Jahren bis zur Marktreife entwickelt wurden. Damit sei erstmals eine »stratifizierende Medizin« in der Melanomtherapie möglich geworden. Das metastasierte maligne Melanom gilt als extrem resistent gegen Chemo- und Strahlentherapie. Die Patienten überleben meist nur kurz. Einziges zugelassenes Medikament war – seit 1975 – Dacarbazin. Das klinische Ansprechen auf Vemurafenib sei »verblüffend gut« gewesen, berichtete Professor Dr. Carola Berking aus München. »Das sehen wir im Computertomogramm und die Patienten fühlen es.« Im Vergleich zur Therapie mit Dacarbazin lebten die Patienten deutlich länger bei besserer Lebensqualität, wie die Zulassungsstudie BRIM-3 zeigte.

 

Nach Studiendaten, die im Sommer auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) in Chicago/Illinois vorgestellt wurden, blieb der Vorteil bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 9,5 und 12 Monaten erhalten. Vemurafenib verlängerte das mediane progressionsfreie Überleben auf 6,9 Monate (versus 1,6 Monate unter Dacarbazin). Das Gesamtüberleben stieg von 9,7 auf 13,6 Monate.

 

Resistenzen entstehen

 

Nach Berkings Erfahrung nützt das peroral einzunehmende Medikament 80 bis 90 Prozent der Patienten. »Bei rund 60 Prozent geht der Tumor objektiv messbar zurück, und bei weiteren 30 Prozent stabilisiert er sich«, sagte die Dermato-Onkologin. Häufig besserten sich tumorbedingte Beschwerden wie Schmerzen, Atembehinderung, Müdigkeit und abnehmende Leistungsfähigkeit, wenn die Metastasen zurückgehen. Nebenwirkungen wie Gelenkschmerzen, Hautausschläge und Müdigkeit seien in der Regel behandelbar.

 

Man müsse die Patienten darauf hinweisen, dass Vemurafenib die Haut empfindlicher für UV-Licht macht. Als paradoxe Nebenwirkungen können Formen des hellen Hautkrebses auftreten, die operativ entfernt werden können und nicht metastasieren.

 

Allerdings profitieren nur Patienten mit BRAF-V600-mutiertem Melanom von Vemurafenib und fast alle erleiden einen Rückfall – im Durchschnitt nach sieben Monaten, schränkte Berking ein. Bislang sind sechs verschiedene Mechanismen der Resistenzbildung bekannt. Dann sei eine erneute Therapie sehr schwierig. Daher müssten weitere neue Therapeutika und neue Therapiestrategien entwickelt werden. So werde beispielsweise die Kombination von Ipilimumab und Vemurafenib getestet.

 

Die BRAF-Mutation kommt nicht nur bei malignen Melanomen, sondern beispielsweise auch bei Krebs der Schilddrüse oder des Dickdarms vor. Roche arbeite an Screeningprogrammen, um Tumoren zu erkennen, bei denen die V600-Punktmutation ebenfalls die treibende Kraft für das Tumorwachstum ist, berichtete Pfundner. Dies könnte neue Indikationen für Vemurafenib eröffnen. / 

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