Ziel BRAF |
Sven Siebenand |
02.05.2019 17:00 Uhr |
Das maligne Melanom ist eine sehr aggressive Krebsart. Vemurafenib war der erste zielgerichtete Wirkstoff in dieser Indikation. / Foto: Shutterstock/Nasekomoe
Das BRAF-Protein ist ein wichtiger Bestandteil des genannten Signalwegs, der am normalen Wachstum und Überleben von Zellen beteiligt ist. Punktmutationen, zum Beispiel die V600-Mutation, führen zum unkontrollierten Zellwachstum und können dadurch Krebs fördern. Die BRAF-V600-Mutation tritt beim Melanom häufig auf. Bei gut 40 Prozent aller Patienten mit fortgeschrittenem Melanom kann man sie nachweisen.
Vemurafenib ist ein Serin-Threonin-Kinase-Hemmer, der selektiv die mutierte BRAF-V600-Kinase hemmt. Der gestörte Signalweg wird blockiert und dadurch Neubildung und Wachstum der Tumorzellen unterbunden. Die Einführung von Zelboraf stellte im Jahr 2012 einen Meilenstein in der Therapie des metastasierten Melanoms mit dieser Mutation dar. Grundsätzlich gilt das metastasierte Melanom als extrem resistent gegen Chemo- und Strahlentherapie und lange Zeit war Dacarbazin der einzige zugelassene Wirkstoff in dieser Therapiesituation. Die Hemmung des mutierten BRAF-Proteins war nach jahrzehntelangem Stillstand eine ganz neue Therapieoption für Hautkrebspatienten, die im Vergleich zu Dacarbazin zu deutlich besseren Ergebnissen führte.
Parallel zu dem neuen Hautkrebsmedikament führte Hersteller Roche einen BRAF-Mutationstest auf Basis der Polymerasekettenreaktion als diagnostischen Begleittest zur Marktreife. Mit dessen Hilfe lässt sich innerhalb von drei Stunden nachweisen, ob ein Melanom eine mutierte Variante des BRAF-Gens aufweist. Vemurafenib plus Test sind damit ein gutes Beispiel dafür, wie zielgerichtete Therapie abzulaufen hat und funktionieren kann.
Ärzte können eine Vemurafenib-Monotherapie beim BRAF-V600-Mutation-positiven nicht resezierbaren oder metastasierten Melanom einleiten. Doppelt hält aber besser: Seit 2015 ist mit Cobimetinib (Cotellic®, Roche Pharma) ein Kombinationspartner für Vemurafenib auf dem Markt verfügbar. Er greift als MEK1/2-Hemmer an anderer Stelle im RAS/RAF/MEK/ERK-Signalweg an. Studien zeigen, dass die doppelte Hemmung dieses Signalwegs einen zusätzlichen Nutzen bringen kann.
Auch die Tatsache, dass sich weitere Pharmafirmen für den genannten Signalweg interessieren und entsprechende Kinase-Hemmer auf den Markt gebracht haben, belegt, wie innovativ die Markteinführung von Vemurafenib vor einigen Jahren war. Das gemischte Doppel aus dem BRAF-Hemmer Encorafenib (Braftovi®, Pierre Fabre Pharma) und dem MEK-Hemmer Binimetinib (Mektovi®, Pierre Fabre Pharma) wird ebenfalls beim malignen Melanom eingesetzt. Ebenso ist es bei den beiden Kinase-Hemmern Dabrafenib (Tafinlar®) und Trametinib (Mekinist®) von Novartis Pharma.
Die beiden letztgenannten Wirkstoffe dürfen mittlerweile auch bei Lungenkrebs zum Einsatz kommen. Denn sehr selten liegt auch bei Patienten mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) eine BRAF-V600-Mutation vor. Kann sie nachgewiesen werden, verspricht die Kombinationstherapie mit den Arzneistoffen einen Nutzen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob sich der Einsatz von BRAF- und/oder MEK-Hemmern eines Tages noch bei anderen Tumorarten bewähren wird. Auszuschließen ist das gewiss nicht.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal verliehen. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und sie kritisch zu beleuchten. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die beiden PZ-Chefredakteure Professor Dr. Theo Dingermann und Sven Siebenand sowie Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglied der externen PZ-Chefredaktion.