Von Heilung darf man träumen |
26.06.2018 11:20 Uhr |
Von Gudrun Heyn / Die Therapie des metastasierten malignen Melanoms hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Anstelle von kaum wirksamen Zytostatika sind neue zielgerichtete Arzneistoffe und immunologisch wirksame Substanzen heute die Mittel der Wahl. Sie erzielen deutlich bessere Überlebensraten und eröffnen die Chance auf ein Langzeitüberleben.
Das maligne Melanom gilt unter Medizinern als Modellkrankheit für die Entwicklung neuer Therapiestrategien. »In den letzten Jahren sind zur Behandlung der Patienten neue Substanzen zugelassen worden, die zunehmend auch bei anderen Tumorerkrankungen eine wichtige Rolle spielen«, sagte Dr. Peter Mohr, Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Elbe-Klinikum Buxtehude, beim 26. Onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW 2018 in Hamburg (1).
Das Hautkrebs-Screening ist eine wichtige Maßnahme zur Früherkennung von Hautveränderungen; rechts ein malignes Melanom.
Fotos: Your Photo Today (links), National Cancer Institute
In Deutschland erkranken jährlich mehr als 21 000 Menschen neu an den bösartigen Tumoren und etwa 3000 versterben an den Folgen (2). Mediziner unterscheiden vier Haupt- und mehrere Sonderformen. Diese Vielfalt beruht auf einer Vielzahl von Mutationen. Zunehmend zeigt sich, welche Mutationen das Krankheitsgeschehen entscheidend beeinflussen und wie ihre Folgen zu therapieren sind. Die Zulassung von Checkpoint-Inhibitoren hat zudem eine neue Ära der Tumorkontrolle über das Immunsystem eingeleitet.
Typisch Melanom
Maligne Melanome gehen von pigmentbildenden Zellen (Melanozyten) aus. In der Regel ist die Haut betroffen. Selten können Melanome auch an Schleimhäuten, mittlerer Augenhaut (Uvea), Bindehaut und Hirnhäuten entstehen. Selbst Hautmelanome bilden eine sehr heterogene Gruppe (3). Im Vergleich zu anderen Hauttumoren weisen maligne Melanome eine frühe Tendenz zur Metastasierung und eine hohe Metastasierungsrate auf. Sie sind für mehr als 90 Prozent aller Sterbefälle an Hauttumoren verantwortlich (4).
Bei der Diagnose sind Frauen im Mittel 60, Männer 67 Jahre alt (2). Kinder sind praktisch nie, Jugendliche selten betroffen. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate aller Betroffenen liegt bei über 90 Prozent, denn zwei Drittel aller Melanome werden in einem gut behandelbaren frühen Krankheitsstadium entdeckt.
Seit der Einführung neuer Substanzen in die Therapie sind aber auch Kranke mit Fernmetastasen in Lunge, Leber, Knochen und/oder Gehirn deutlich besser behandelbar. Drei Jahrzehnte lang lag ihre durchschnittliche Überlebenszeit nur bei vier bis sechs Monaten (1). Standard war eine Chemotherapie mit Dacarbazin. In Studien brachte eine aggressivere Polychemotherapie, zum Beispiel das Dartmouth-Schema mit Dacarbazin, Cisplatin, Carmustin und Tamoxifen, weder in der Erst- noch in der Zweitlinientherapie eine Verbesserung der Überlebensrate (5, 6). Auch eine Chemotherapie in Kombination mit immunstimulierenden Substanzen wie Interferon-α oder Interleukin-2 verlängerte die Gesamtüberlebenszeit nicht (5, 7).
Risiken und Treibermutationen
Bei der Entstehung von malignen Melanomen spielen vor allem intermittierende UV-Expositionen eine wichtige Rolle (4, 8). Gelegentliche Aufenthalte in der Sonne mit hohen UV-Dosen, etwa im Sommerurlaub, erhöhen das Erkrankungsrisiko deutlich. Schwere Sonnenbrände in der Kindheit und die Bildung von UV-induzierten Muttermalen (Nävi) in Kindheit und Jugend sind Risikofaktoren.
Besonders gefährdet sind Menschen mit mehr als 100 melanozytären Nävi. Manche Nävi sind direkte Vorläufer eines Melanoms (4). Die Mehrzahl der Melanome entwickelt sich jedoch auf einer klinisch unauffälligen Haut. Auch eine familiäre Veranlagung ist möglich. Bis zu 12 Prozent der Kranken sind davon betroffen.
Die Kleinen machen’s richtig: Guter Sonnenschutz beugt akutem Sonnenbrand vor, der das Risiko für ein späteres Melanom erhöht.
Foto: AOK-Mediendienst
Unterschiedliche genetische Veränderungen können an der Pathogenese beteiligt sein. Beispielsweise sind Mutationen im BRAF-Gen typisch für das sehr häufige, oberflächlich spreitende Melanom (9). Vor allem die Punktmutation B-RAF-V600E ist in diesen Tumoren häufig zu finden. Eine c-KIT-Mutation tritt dagegen selten und vorwiegend bei Schleimhautmelanomen auf (4).
Mutationen im BRAF-Gen, aber auch Mutationen im NRAS-Gen und im Tumorsuppressor-Gen NF1 können zu einer dauerhaften Aktivierung des MAPK-Signaltransduktionswegs (Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Kaskade) führen (10). Dieser reguliert das Zellwachstum über das Signalmolekül NRAS (N-Rat Sarcoma) und die nacheinander geschalteten Proteinkinasen BRAF (Serin-Threonin-Proteinkinase B-Raf), MEK (Mitogen aktivierte und extrazellulär regulierte Kinase) und ERK (extrazellulär regulierte Kinase).
Bei bis zu 60 Prozent aller Patienten mit malignem Melanom sind BRAF-Mutationen nachweisbar. Mutationen im NRAS-Gen treten bei etwa 15 Prozent auf (4).
Therapie in frühen Stadien
Die komplette chirurgische Resektion einer verdächtigen Hautstelle ist Goldstandard in der Therapie (4). Eine Radiotherapie kann beispielsweise bei einer inkompletten Resektion und bei inoperablen Tumoren zur Tumorkontrolle angezeigt sein.
Liegen Metastasen in Lymphknoten vor (Stadium III) oder weist der Tumor eine Dicke von mehr als 4 mm und eine Ulzeration auf (Stadium IIC), haben die Patienten ein hohes Rezidivrisiko. Rät eine interdisziplinäre Tumorkonferenz zu einer adjuvanten medikamentösen Therapie, ist Interferon(IFN)-α das Mittel der Wahl. Zu Dosierung, Schema und Therapiedauer gibt es keine klaren Empfehlungen. Konventionelles und pegyliertes INF-α sind etwa gleich wirksam, unter pegyliertem Interferon treten jedoch mehr Nebenwirkungen auf. Wie belastend eine Therapie mit Interferon sein kann, zeigen die hohen Abbruchraten von bis zu 31 Prozent (4). Zu den Nebenwirkungen gehören beispielsweise grippeartige Symptome, Fatigue, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Depressionen.
Lassen sich lokoregionale Metastasen (Satelliten: Metastasen im Umkreis von 2 cm des ursprünglichen Melanoms; In-transit-Metastasen: Metastasen zwischen diesen 2 cm und dem nächsten Lymphknoten) nicht vollständig chirurgisch entfernen, sollten die Patienten wenn möglich in Studien behandelt werden (4). Zu den Therapieoptionen gehören neue Verfahren wie die intraläsionale Applikation von Talimogen laherparepvec (dazu später mehr).
Grafik 1: Intrazelluläre Signaltransduktionswege, ausgehend von membranständigen Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) an der Tumorzelle: Die Proteine BRAF und MEK sind wichtige Bestandteile des RAS-RAF-Signalwegs. Mutationen können den Signalweg überaktivieren, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen kann. BRAF- und MEK-Inhibitoren greifen hier ein und hemmen Überleben und Differenzierung der Tumorzelle.
Grafik: Stephan Spitzer
Zielgerichtete Substanzen
Mit der Entwicklung von zielgerichteten Substanzen und Checkpoint-Inhibitoren begann ein neues Kapitel in der Therapie fortgeschrittener maligner Melanome. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Entdeckung, dass V600-Mutationen im Gen, das für die BRAF-Serin-Threonin-Kinase kodiert, zu einer dauerhaften Aktivierung der Proteinkinase im MAPK-Signalweg der Tumorzelle führen.
Vemurafenib (Zelboraf®) ist der erste Inhibitor der mutierten BRAF-Serin-Threonin-Kinase (Grafik 1). Von Vemurafenib nehmen die Kranken zweimal täglich 960 mg (vier Tabletten à 240 mg) ein. Eine regelmäßige Einnahme auf leeren Magen sollten sie vermeiden, da dies zu einer signifikant niedrigeren Steady-State-Verfügbarkeit führen kann (1). Die Einnahme sollte immer zu oder zwischen den Mahlzeiten erfolgen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Ausschlag, Übelkeit und Alopezie. Auch Photosensitivitätsreaktionen treten sehr häufig auf.
Wichtig in der Beratung ist nicht nur der Hinweis auf einen ausreichenden Sonnenschutz durch schützende Kleidung und Sonnenschutzmittel mit UVA-Schutzfaktor. Apothekenkunden sollten wissen, dass Vemurafenib nach UVA-Exposition phototoxisch wirkt. »Da UVA-Strahlung Autoscheiben durchdringt, kann bereits eine Autofahrt zu Blasen an den Händen führen«, sagte Mohr (1).
Ein weiterer BRAF-Kinase-Inhibitor ist Dabrafenib (Tafinlar®). Die empfohlene Dosierung in der Mono- und in der Kombinationstherapie beträgt 150 mg (zwei Kapseln à 75 mg) zweimal täglich. Die Patienten sollten Dabrafenib mindestens eine Stunde vor oder frühestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit einnehmen. Zu den möglichen Nebenwirkungen der Monotherapie gehören Hyperkeratose, Kopf- und Gelenkschmerzen, Photosensitivitätsreaktionen, Fieber und Alopezie.
MEK-Inhibitoren wie Cobimetinib (Cotellic®) und Trametinib (Mekinist®) blockieren die nachgeschalteten Kinasen MEK1 und MEK2 (Grafik 1, rechts).
Das kann während einer Vemurafenib-Therapie gefährlich werden. Das Medikament wirkt nach UVA-Exposition phototoxisch – und UVA-Strahlung durchdringt Autoscheiben.
Foto: AOK/Mediendienst
Bei der Abgabe von Cobimetinib ist sicherzustellen, dass die Patienten die besonderen Einnahmevorschriften verstanden haben. So nehmen die Kranken einmal täglich drei Tabletten zu je 20 mg ein – jedoch nur von Tag 1 bis 21 des 28 Tage langen Zyklus. Nach einer siebentägigen Pause von Tag 22 bis 28 beginnt der Zyklus neu. Der Kombipartner Vemurafenib ist dagegen ohne eine Behandlungspause einzunehmen (Tabelle).
Die empfohlene Dosierung von Trametinib, sowohl in der Monotherapie als auch in der Kombination mit Dabrafenib, beträgt 2 mg einmal täglich. Die Einnahme sollte wie bei Dabrafenib mindestens eine Stunde vor oder frühestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit erfolgen.
Einige Nebenwirkungen der MEK-Inhibitoren sind bereits von anderen niedermolekularen Kinase-Inhibitoren bekannt. Dazu gehören Hautreaktionen (Rash), Fatigue und Diarrhö. Weitere Nebenwirkungen sind beispielsweise Arthralgien und die Einlagerung von Wasser unter der Netzhaut, was zu verschwommenem Sehen führt.
Grafik 2: Molekulare Angriffspunkte von Checkpoint-Inhibitoren; bei malignem Melanom sind bislang nur Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumab zugelassen.ITSM: immunoreceptor tyrosine-based switch motif; ITIM: immunoreceptor tyrosine-based inhibitory motif; PD-1: programmed death 1; PD-L1: programmed death-ligand 1; CD28: cluster of differentiation 28; MHC: major histocompatibility complex; SHP-2: Src homology 2 (SH2) domain containing non-transmembrane PTP; B7: B7 protein; CTLA-4: cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4
Grafik: Stephan Spitzer
Checkpoint-Inhibitoren
Parallel zu den zielgerichteten Substanzen wurden in den letzten Jahren auch Checkpoint-Inhibitoren entwickelt. Sie sind ein weiterer Meilenstein in der Melanom-Therapie. Ihr Wirkprinzip beruht auf der Reaktivierung von gehemmten T-Zellen.
Der erste Vertreter dieser Substanzklasse war Ipilimumab (Yervoy®). Der Antikörper blockiert den Checkpoint CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4) auf der Oberfläche von T-Zellen (Grafik 2, unten). CTLA-4 reguliert die Aktivität zytotoxischer T-Lymphozyten herunter, indem er aktivierende Signale von Antigen-präsentierenden Zellen (Liganden des CD28-Rezeptors: B7-1, auch CD80 genannt, und B7-2, auch CD86 genannt) abfängt. Zudem kann CTLA-4 eine inhibitorische Signalkette in T-Zellen auslösen (11). Ipilimumab verhindert diese Ausbremsung des Immunsystems.
Checkpoint-Inhibitoren der zweiten Generation wie Nivolumab (Opdivo®) und Pembrolizumab (Keytruda®) blockieren den PD1(Programmed cell death 1)-Rezeptor, ein weiteres immunmodulierendes Protein und negativer Regulator der T-Zell-Aktivierung. Tumorzellen können seine Liganden, zum Beispiel PD-L1, exprimieren, um die T-Zell-Aktivität zu hemmen. Nivolumab und Pembrolizumab unterbinden diese Interaktion (Grafik 2, oben). Gegen den PD-L1 richtet sich der Antikörper Avelumab, der aber nicht beim Melanom, sondern beim metastasierten Merkelzell-Karzinom zugelassen ist.
Ipilimumab, Nivolumab und Pembrolizumab sind als Monotherapie und Ipilimumab plus Nivolumab als Kombinationstherapie zur Behandlung von fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanomen bei Erwachsenen indiziert. Die Applikation der Antikörper sollte unter Anwendung eines In-Line-Filters mit geringer Proteinbindung (Fachinformationen beachten) erfolgen. Bei Pembrolizumab ist die Verwendung eines In-Line-Filters optional.
Ipilimumab erhalten die Kranken in einer Dosierung von 3 mg/kg Körpergewicht intravenös über einen Zeitraum von 90 Minuten, alle drei Wochen für insgesamt vier Dosen.
Bei einer Nivolumab-Monotherapie beträgt die empfohlene Dosis entweder 240 mg alle zwei Wochen oder 480 mg alle vier Wochen. Die Applikation erfolgt intravenös. In Kombination mit Ipilimumab beträgt die empfohlene Dosierung 1 mg/kg Körpergewicht. Detaillierte Hinweise zur Kombinationstherapie finden sich in der Fachinformation zu Opdivo®.
Müdigkeit und schwere Erschöpfung gehören zum Nebenwirkungsprofil von BRAF- und MEK-Inhibitoren.
Foto: Fotolia/StockPhotoPro
Von Pembrolizumab erhalten Melanom-Patienten 2 mg/kg Körpergewicht intravenös über einen Zeitraum von 30 Minuten, alle drei Wochen. Dagegen bekommen Patienten mit einem Lungenkarzinom (NSCLC) eine feste Dosis von 200 mg.
Zu den möglichen Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibitoren gehören immunvermittelte Nebenwirkungen (irAE: immune related adverse effects) wie Autoimmunkolitis, -hepatitis, -hypophysitis und -pneumonitis (Grafik 3). Im Allgemeinen kommt es dazu innerhalb der ersten zwölf Wochen nach Therapiebeginn (1, 12). »Betroffene benötigen möglichst früh eine ärztliche Behandlung«, sagte der Dermatologe Mohr beim NZW (1). So können sich beispielsweise Durchfälle aufgrund einer Autoimmunkolitis sehr rasch entwickeln. Ab einer Grad-3-Diarrhö besteht die Gefahr einer Darmperforation.
Onkolytische Viren
Ein völlig neues Wirkprinzip bietet Talimogen laherparepvec (kurz: T-VEC, Imlygic®). Der Wirkstoff ist ein abgeschwächtes Herpes-simplex-1-Virus mit biotechnologisch verändertem Erbgut. Es kann Melanomzellen infizieren und sich darin vermehren. Dies führt zur Apoptose und lockt über die Freisetzung von Antigenen Immunzellen an. Zusätzlich eingebaut ist ein Gen, das für den Botenstoff GM-CSF kodiert. Er soll zu einer Steigerung der Immunantwort beitragen. Die onkolytischen Viren sind seit Dezember 2015 zur Behandlung von Patienten mit nicht resezierbarem, lokal oder entfernt metastasiertem Melanom (Stadium IIIB, IIIC und IVM1a) ohne Knochen-, Hirn- oder Lungenmetastasen oder andere viszerale Beteiligung zugelassen.
Das Arzneimittel ist tiefgekühlt zu lagern und zu transportieren (minus 90° C bis minus 70° C). »Bei der Bearbeitung im aufgetauten Zustand ist sicherzustellen, dass es keine Kreuzkontamination und keine Verschleppung des abgeschwächten lebenden Virus gibt«, betonte Feth (1). Imlygic in einer Spritze darf mehrere Stunden (siehe Fachinformation) aufgetaut aufbewahrt werden. Die Applikation erfolgt intratumoral in zweiwöchigen Abständen (4).
Häufige Nebenwirkungen sind beispielsweise Fatigue, Schüttelfrost, Fieber und Übelkeit. Da T-VEC empfindlich gegenüber Aciclovir ist, sind schwere Nebenwirkungen wie eine generalisierte Herpes-Infektion gut behandelbar. Kontraproduktiv ist es jedoch, wenn ein Hausarzt bei einem therapiebedingten Hautausschlag eine Gürtelrose diagnostiziert und aus Unkenntnis das Virustatikum verordnet (1).
Therapie in fortgeschrittenen Stadien
Bei Patienten mit inoperablen Fernmetastasen (Stadium IV) und einer BRAF-V600-Mutation empfehlen die Autoren der Leitlinie »Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms« eine Therapie mit einem BRAF-Inhibitor in Kombination mit einem MEK-Inhibitor (Tabelle). Aber auch Checkpoint-Inhibitoren (PD-1-Monotherapie oder PD-1- plus CTLA-4-Antikörpertherapie) gehören zu den Mitteln der Wahl (4).
PET-CT-Untersuchungen zeigen, dass Tumoren mit nachgewiesener BRAF-V600 Mutation sehr schnell auf eine BRAF-Inhibition ansprechen. Auch Knochenmetastasen gehen zurück. »Selbst bettlägerige Kranke in einem scheinbar präfinalen Zustand verlassen nach zwei Wochen auf zwei Beinen das Krankenhaus«, berichtete Mohr. Doch der Therapieerfolg ist in der Regel zeitlich begrenzt. In wenigen Monaten können Tumorzellen eine Resistenz gegenüber den Substanzen entwickeln.
Schüttelfrost und Fieber können Nebenwirkungen einer Therapie mit dem onkolytischen Virus T-VEC sein.
Foto: Fotolia/New Africa
Studien wie die BRIM-7-Studie zeigen, dass sich durch die Addition eines MEK-Inhibitors zu einem BRAF-Inhibitor die Resistenzentwicklung hinauszögern und manchmal auch verhindern lässt. Die Kombinationstherapie ist deutlich wirksamer als die Monotherapie. Die Gabe von Vemurafenib plus Cobimetinib oder Dabrafenib plus Trametinib führt zu einer objektiven Ansprechrate (ORR) von 70 Prozent. Bei etwa 16 bis 17 Prozent der Kranken kommt es zu einer kompletten Remission. Die Drei-Jahres-Überlebensrate liegt bei 37 (Vemurafenib plus Cobimetinib, coBRIM-Studie Stand Dezember 2016) beziehungsweise 45 Prozent (Dabrafenib plus Trametinib, COMBI-v-Studie Stand Dezember 2016).
»Wir gehen davon aus, dass beide Therapien gleich wirksam sind«, erklärte der Dermatologe (1). Der Unterschied in den Überlebensraten erklärt sich aus einem unterschiedlich hohen Anteil an Patienten mit erhöhter Laktatdehydrogenase (LDH)-Konzentration in den Studien (coBRIM: 46 Prozent; COMBI-v: 36 Prozent) (13). Erhöhte LDH-Serumwerte sind ein Surrogatmarker für eine größere Tumormasse und schlechtere Prognose.
Im Vergleich zu den Monotherapien treten unter den Kombinationen zum Teil weniger Nebenwirkungen auf. So leiden unter Vemurafenib plus Cobimetinib weniger Patienten unter Gelenkschmerzen, Haarausfall und Hyperkeratosen. Unter Dabrafenib plus Trametinib kommt es im Vergleich zur Trametinib-Monotherapie weniger häufig zu Hautausschlag (25 versus 60 Prozent). Auch die Entwicklung von sekundären kutanen Plattenepithelkarzinomen ist unter den Kombinationen seltener zu beobachten (14).
Vorteilhaft ist, dass sich die Nebenwirkungsprofile der beiden Kombinationen in wichtigen Punkten unterscheiden. Beispielsweise kann eine Dabrafenib-plus-Trametinib-Therapie zu Bluthochdruck führen, nicht aber eine Therapie mit Vemurafenib plus Cobimetinib. Bei dieser Kombination ist dagegen Durchfall deutlich häufiger. »Wenn wir feststellen, dass die Patienten sehr viele Nebenwirkungen auf die eine Kombination entwickeln, können wir auf die andere Kombination wechseln«, beschrieb Mohr die Strategie.
Im Gegensatz zu den zielgerichteten Therapien sind Checkpoint-Inhibitoren eine Option für alle Patienten im Stadium IV. Doch auch hier sprechen nicht alle auf die Medikation an. So zeigt Ipilimumab eine objektive Ansprechrate (ORR) von weniger als 20 Prozent, führt aber bei etwa einem Fünftel dieser Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom zu einem Langzeitüberleben von bis zu zehn Jahren (15, 16). Im Vergleich dazu profitieren deutlich mehr Patienten von einer PD1-Inhibitor-Therapie. Die Zwei-Jahres-Überlebensrate bei einer Monotherapie mit Ipilimumab liegt bei 43, mit Nivolumab bei 48 bis 58 und mit Pembrolizumab bei 50 bis 55 Prozent (1).
Effektiver ist die Kombinationstherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab. 64 Prozent der Kranken leben länger als zwei Jahre. Auch Patienten mit Hirnmetastasen profitieren davon; 60 Prozent zeigen eine Remission.
Jedoch ist die Kombinationstherapie hier deutlich toxischer als die Monotherapien. Grad-3/4-Nebenwirkungen traten in der CheckMate-067-Studie bei etwa 56 Prozent der Patienten in der Kombi-Gruppe auf, im Vergleich zu etwa 20 Prozent in der Nivolumab-Gruppe und 27 Prozent in der Ipilimumab-Gruppe.
Wirkstoffgruppe und Wirkstoffe | Monotherapie | Kombinationstherapie mit |
---|---|---|
BRAF-Inhibitor | ||
Vemurafenib | x | Cobimetinib |
Dabrafenib | x | Trametinib |
MEK-Inhibitor | ||
Trametinib | x | Dabrafenib |
Cobimetinib | -- | Vemurafenib |
Unerwartete Heilungschancen
Derzeit gibt es noch keine Empfehlungen, in welcher Reihenfolge Immunotherapien und zielgerichtete Therapien bei einer Erst-, Zweit- und Drittlinientherapie sinnvollerweise einzusetzen sind (1, 4, 17). Darüber hinaus gehören Strahlentherapie, Chirurgie und Chemotherapie auch weiterhin zu den Optionen bei fortgeschrittenen Melanomen.
Ein Fallbeispiel am Elbe-Klinikum Buxtehude zeigt, dass selbst Patienten, die unter der Therapie Hirnmetastasen entwickeln, Heilungschancen haben. So erhielt eine Patientin zunächst Vemurafenib, dann eine palliative Bestrahlung, Ipilimumab, eine radiochirurgische Behandlung, Pembrolizumab und zuletzt Dabrafenib plus Trametinib. Behandlungsbeginn war 2012. Trotz Rezidiven und einer zwischenzeitlich erwarteten Überlebenszeit von zwei Monaten kam es 2015 zu einer kompletten Remission, die bis heute anhält.
Lokale Therapien für Patienten mit inoperablen lokoregionalen Metastasen ergänzen das Armetarium. Infrage kommen beispielsweise (in Studien) intratumorale Injektionen von Interleukin-2, eine intratumorale Elektrochemotherapie mit Bleomycin oder Cisplatin oder eine Behandlung mit T-VEC. Obwohl das gentechnisch veränderte Virus lokal angewendet wird, zeigen sich systemische Effekte. »Bei einer kompletten Remission überleben 90 Prozent der Patienten mehr als fünf Jahre, bei einer partiellen Remission sind es 50 Prozent«, sagte Chefarzt Mohr.
Zudem gibt es für Patienten mit fortgeschrittenem Melanom in Studien oder im Off-Label-Use weitere Therapieoptionen. BRAF-negative Patienten mit aktivierender NRAS-Mutation profitieren beispielsweise von einer Behandlung mit MEK-Inhibitoren, Patienten mit Mutationen im c-KIT-Rezeptor von oralen Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib und Dasatinib. 2017 wurde der Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab (Tecentriq®) zugelassen, allerdings für Patienten mit Urothel- oder bestimmten Formen von Lungenkrebs. Jetzt wird sein Einsatz bei Melanom-Patienten in Studien geprüft.
In der Pipeline sind neue BRAF- und MEK-Inhibitoren wie Encorafenib und Binimetinib. Außerdem werden neue Kombinationen bereits zugelassener Substanzen wie T-VEC plus Pembrolizumab in Studien getestet.
Aber auch für Patienten mit Lymphknotenmetastasen in der adjuvanten Situation sind neue Optionen in Sicht. Vor der Zulassung stehen beispielsweise Substanzen wie Nivolumab und Kombinationen wie Dabrafenib plus Trametinib. /
Literatur
Gudrun Heyn ist als freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin tätig und behandelt vor allem Themen aus Medizin und Pharmazie. Nach ihrer journalistischen Ausbildung und Promotion hat sie in verschiedenen Forschungseinrichtungen, darunter am Kernforschungszentrum Karlsruhe und beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung gearbeitet. Sie erfüllte Lehraufträge an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, und der Freien Universität, Berlin. In Fachpublikationen veröffentlichte sie Ergebnisse eigener Forschungen.
Dr. Gudrun Heyn
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