Kassen und Ärzte planen moderate Steigerung |
16.10.2007 16:48 Uhr |
Kassen und Ärzte planen moderate Steigerung
Von Daniel Rücker
Wenn sich der reale medizinische Bedarf an die von Ärzten und Krankenkassen vereinbarten Vorgaben hält, dann steigen im kommenden Jahr die Arzneimittelausgaben um 4,1 Prozent. Gleichzeitig werden die Ärzte ein ungeliebtes Kostendämpfungsinstrument los.
Obwohl viele Krankenkassen im kommenden Jahr ihre Schulden weiter abbauen müssen, wollen sie für Arzneimittel etwas tiefer in die Tasche greifen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für 2008 auf eine Steigerung der Arzneimittelausgaben um rund 1 Milliarde Euro im Vergleich zu diesem Jahr geeinigt. Dies sei nötig, um die gute Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, schreiben die Spitzenverbände in einer Stellungnahme zu der Arzneimittel-Rahmenvorgabe auf Bundesebene.
Bei der Berechnung der Rahmenvorgabe für das kommende Jahr haben Kassen und Ärzte fünf Faktoren berücksichtigt: Die Zahl und Alterstruktur der Versicherten, die Preisentwicklung, die gesetzliche Leistungspflicht sowie neue Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses und den Einsatz innovativer Arzneimittel. Treibende Kraft sind hierbei die innovativen Medikamente. Ärzte und Kassen billigen ihnen allein 3,5 Prozent Ausgabensteigerung zu. Mit 0,8 Prozent soll die Versichertenstruktur der zweite Grund für Mehrausgaben sein. Dagegen rechnen die Vertragspartner damit, dass die Preisentwicklung die Kosten um 0,2 Prozent dämpft. Bei Richtlinien und gesetzlicher Leistungspflicht rechnen sie mit keinen Änderungen. Die Arzneimittel-Rahmenvereinbarungen nach § 84 SGB V sind auf Bundesebene vereinbarte Zielvorgaben, die in regionalen Vereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Landesverbänden der Kassen konkretisiert werden.
Bonus-Malus-Regelung gekippt
Die außer bei den Krankenkassen weitgehend ungeliebten Rabattverträge haben den Ärzten in diesem Jahr einen großen Gefallen getan: Die von ihnen heftig bekämpfte Bonus-Malus-Regelung wird es 2008 nicht mehr geben, sie verträgt sich nicht mit Rabattvereinbarungen. Das sehen auch die Kassen so. Rabattvereinbarungen, aber auch Zuzahlungsbefreiungen und abgesenkte Festbeträge hätten den Generikamarkt erheblich verändert. Die Bonus-Malus-Regelung schaffe deshalb nun zum Teil falsche Anreize. Für KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller ist der Wegfall der Sanktionen für Ärzte ein Erfolg: »Es wird im nächsten Jahr in den Rahmenvorgaben Arzneimittel keine drohenden individuellen Regresse mehr geben.« Die GKV-Spitzenverbände verweisen allerdings darauf, dass nun alle Arzneimittel der »normalen Wirtschaftlichkeitsprüfung nach herkömmlichem Verfahren zugänglich« seien.
Die Krankenkassen machen die Bonus-Malus-Regelung aber auch für einen unerwünschten Trend des vergangenen Jahres verantwortlich. Die Regelung bezog sich auf durchschnittliche tägliche Behandlungskosten. Diese konnten die Ärzte in ihrem Sinn beeinflussen, wenn sie viele und große Arzneimittelpackungen mit hohen Wirkstärken verordneten, so die Kassen. Letztlich seien dadurch die Kosten weiter gestiegen.
In Zukunft sollen Ärzte die Kosten im Griff behalten, indem sie innerhalb einer Wirkstoffgruppe die jeweilige Leitsubstanz verordnen, die generisch verfügbar ist. Für zwölf Anwendungsgebiete haben Kassenverbände und KBV bereits Verordnungsquoten für die Leitsubstanz festgelegt. Bislang waren es nur sechs. Zu den Leitsubstanzen zählen unter anderem Omeprazol, Enalapril, Diclofenac, Enoxaparin-Natrium, Furosemid, Glibenclamid und Metformin.
Müller will die Preisverantwortung stärker an Apotheker, Krankenkassen und Pharmaindustrie abgeben. Ärzte seien für die Indikation und die Wirkstoffauswahl zuständig, seien aber keine »Best-Price-Agenten der Krankenkassen«. Der KBV-Vorstand brachte auch regionale Preisvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apothekern ins Gespräch. Solche Zielpreisvereinbarungen bieten die Apotheker den Kassen bereits seit einiger Zeit an. Bislang reagieren die jedoch sehr zurückhaltend.